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RohstoffeNeue Studien sehen Fracking-Boom vor dem Aus

Neue Studien zeichnen ein düsteres Bild für die umstrittene Gasförderung aus Schiefergestein. Doch ist der Abgesang berechtigt?Benjamin Reuter 16.01.2014 - 18:06 Uhr

Eine Fracking-Anlage pumpt in Kalifornien Schiefergas an die Oberfläche.

Foto: AP

Was in den USA klappt, muss auch in Europa funktionieren. So sahen es viele Energieexperten, Ökonomen und Unternehmen beim Thema Schiefergas. Sie hatten vor allem die massiv gesunkenen Gaspreise im Hinterkopf, die in Übersee zu einem Industrieboom und zehntausenden neuen Arbeitsplätzen geführt haben.

Auch in den USA selbst waren die Vertreter der Energiewirtschaft euphorisch. Als die Unternehmensberatung KPMG im Jahr 2010 eine Umfrage zur Bedeutung der Schiefergasvorkommen unter Managern in Energieunternehmen machte, bezeichneten rund 80 Prozent sie als "Game Changer" - also als Revolution für ihr Geschäft.

Umweltschützer und andere Kritiker der umstrittenen Frackingtechnologie - die mit hohem Wasseraufwand und gesundheitsschädlichen Chemikalien das Erdgas aus dem Schiefergestein fördert - warnten wiederum vor einer Wiederholung des Booms in Europa. Sie hielten die Schiefer-Euphorie in den USA wie auch die Vorkommen für überschätzt.

Mehrere Untersuchungen und Studien, die verschiedene Behörden und Analysten in den vergangenen Tagen in den USA und Europa herausgaben, geben den Zweiflern jetzt anscheinend Recht. Die ersten Zahlen kommen vom US-Beratungsunternehmen IHS Herold. Dessen Analysten haben sich die Investitionen von ausländischen Kapitalgebern angesehen, die in Projekte zur Förderung von Öl und Gas aus Schiefergestein flossen. 2013 waren das nur noch 3,4 Milliarden Dollar, während es 2012 noch sieben Milliarden waren. 2011 flossen noch rund 30 Milliarden Dollar aus dem Ausland in die Energieprojekte in den USA.

Warum die Energiepreise steigen
Preistreiber Staat: Einen fetten Teil des Strompreises verantwortet der Staat: 10,30 Euro zahlte 2011 jeder deutsche Haushalt im Monat für die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien, dreimal so viel wie 2008. 20 Prozent verlangen die Kommunen bis 2015 mehr für die Durchleitung von Strom auf ihrem Gebiet. Und auch beim Rohöl langt der Fiskus kräftig zu: 90 Cent pro Liter beträgt der Steueranteil am Benzinpreis 2011, 1990 waren es noch 37 Cent.

Foto: dpa

Preistreiber Stromkonzerne:

Und natürlich halten auch die Energieversorger ihre großen Hände auf: 87 Prozent höher als vor fünf Jahren liegen die Kosten der Stromkonzerne für Beschaffung und Vertrieb; der Posten enthält jedoch nicht nur Ausgaben, sondern auch die Gewinne. 14.000 Jobs wollen RWE und E.On jetzt zusammen in Deutschland streichen. Mangelndes Kostenbewusstsein zählte zum Geschäft. Nun bringen die schmelzenden Atomgewinne ans Licht, was Kunden alles mitbezahlten.

Foto: dpa

Preistreiber Ölkonzerne:

196-mal erhöhten die Ölmultis im vergangenen Jahr die Spritpreise, fast fünfmal so oft wie 1999. 100 Prozent teurer als 2004 notiert derzeit der Preis für Diesel, den die Konzerne mit den Tankstellen abrechnen.

Foto: dpa

Preistreiber Gazprom:

Und auch die Russen haben ihre Finger im Energiepreisspiel: 140 Euro beträgt die Differenz pro 1000 Kubikmeter Gas zwischen dem Preis, den der russische Staatskonzern Gazprom von deutschen Abnehmern verlangt, und dem niedrigeren Preis für verflüssigtes Gas auf den Spotmärkten etwa in Zeebrugge in Belgien.

Nachdem der deutsche Staat, die Energieversorger und Ölmultis und Gazprom jeder ein Stück vom Kuchen abgeschnitten haben, kommt folgendes beim Verbraucher an:

Foto: REUTERS

Der Liter Heizöl kostet 82,9 Cent. Im Vergleich zum Jahr 2006 ist das eine Preissteigerung von 43 Prozent. Der Preis setzt sich zusammen aus...

Foto: dpa

...13,2 Cent Mehrwertsteuer (16 Prozent), 7,6 Cent Mineralölsteuer (9 Prozent), dem Deckungsbeitrag von 1,8 Cent pro Liter (rund 2 Prozent) - darin enthalten sind unter anderem die Kosten für Transport und Lagerung, Verwaltung sowie für die Beimischung von Biokomponenten. Hinzu kommen noch die Kosten für Beschaffung und Vertrieb in Höhe von 60,3 Cent pro Liter (rund 73 Prozent) und fertig ist der Preis für den Liter Heizöl: 82,9 Cent.

Foto: AP

Der Strom kostet derzeit 25,45 Cent pro Kilowattstunde. Das sind 34 Prozent mehr als noch vor fünf Jahren. Den Löwenanteil daran verdient der Staat...

Foto: dapd

...so fließen von den 25,45 Cent pro Kilowattstunde rund 14 Prozent - nämlich 3,53 Cent je Kilowattstunde - in die Umlage für Strom aus erneuerbaren Energien. 1,65 Cent (7 Prozent) gehen für sonstige Abgaben drauf, 6,11 Cent (24 Prozent) sind reine Steuern. Hinzu kommen die Kosten für die Nutzung der Netze in Höhe von 5,75 Cent (22 Prozent) und die Kosten für die Energiebeschaffung und den Vertrieb von 8,41 Cent (41 Prozent).

Foto: dpa

Der Liter Diesel kostete dieses Jahr im Schnitt 144,3 Cent. Das sind 33 Prozent mehr als noch im Jahr 2006. Davon sind rund 33 Prozent oder 47 Cent Mineralölsteuer.

Foto: dpa

Weitere 23 Cent (16 Prozent) sind Mehrwertsteuer. Der Deckungsbeitrag (Transport- und Lagerkosten, Verwaltung, Bevorratung, Beimischung) beträgt 14,6 Cent pro Liter (rund 10 Prozent), dazu kommen noch die Kosten für Beschaffung und Vertrieb in Höhe von 59,7 Cent pro Liter (41 Prozent). Alles zusammen ergibt dann den Gesamtpreis von 144,3 Cent pro Liter Diesel.

Foto: dpa

Auch Gas ist teurer geworden, wenn auch nicht in einem solchen Maß wie die anderen Energiearten: Hier sind es nur 10 Prozent mehr als noch im Jahr 2006. Die Kilowattstunde Gas kostet 2011 durchschnittlich 6,64 Cent pro Liter.

Foto: dpa/dpaweb

Von diesen 6,64 Cent sind 0,37 Cent (6 Prozent) Konzessionsabgabe, 1,64 Cent (rund 25 Prozent) sind Steuern und 1,29 Cent oder rund 19 Prozent decken die Kosten für die Nutzung der Netze. Weitere 3,34 Cent pro Kilowattstunde (50 Prozent) decken die Kosten für Energiebeschaffung und Vertrieb. Fertig ist der Gaspreis je Kilowattstunde.

Foto: dapd

Und noch eine weitere Zahl beunruhigt: Insgesamt gaben 80 der größten Energieunternehmen in USA - auch das geht aus Zahlen von IHS hervor, die das Wall Street Journal zitiert - im vergangenen Jahr 51 Milliarden Dollar mehr aus, als sie einnahmen. Der US-Energieboom scheint sich also gerade als großes Verlustgeschäft und nicht als Heilsbringer zu entpuppen.

Doch die Gründe haben wenig mit abnehmenden Ressourcen zu tun, sondern sind eher Verwerfungen auf dem Energiemarkt geschuldet. Denn während Unternehmen bei der Ölförderung in den USA wegen des hohen Weltmarktpreises für den Rohstoff immer noch Millionen verdienen, sieht es im Gasgeschäft schon länger düster aus.

Infografik

So funktioniert die Erdgasförderung

Weltweit lagern riesige Mengen Erdgas in schwierig zu erreichenden Gesteinsschichten. Neue Fördertechniken ermöglichen es jetzt, sie wirtschaftlich zu erschließen.

Unkonventionelle Gasvorkommen
Schiefergas
Kohleflözgas
Tight Gas

Der Grund sind die ins bodenlose gefallenen Preise. Brachten 1000 Kubikfuß Erdgas (was rund 28 Kubikmetern entspricht) im Jahr 2008 noch fast 11 Dollar ein, waren es 2013 im Schnitt nur noch 3,7 Dollar. Da die Förderung von Erdgas aus Schiefergestein aufwendiger ist als aus konventionellen Quellen, lohnt es sich für die Unternehmen auf den weniger ergiebigen Feldern kaum noch, den Rohstoff an die Oberfläche zu holen.

Warum dennoch immer neue Bohrtürme in den Himmel über Pennsylvania, Ohio oder Texas wachsen, hat mit den speziellen Vorgaben zur Landnutzung in den USA zu tun: Wer in Amerika Land über einem Gas- oder Ölfeld pachtet, muss es nach einer bestimmten Zeit auch erschließen. Wenn das Land über mehrere Jahre still liegt, verlieren die Unternehmen die Pacht. Die Unternehmen wählen hier meist das kleinere Übel und schreiben Verluste bei der Förderung in der Hoffnung auf bessere Zeiten.

Die Unternehmen bohren Gasfelder an, nur um die Rechte an dem Land zu halten. Die Folge dieser Taktik war ein Überangebot an Erdgas und ein dramatischer Preiseinbruch. Der führte Schiefergasunternehmen wie Chesapeake - nach eigener Aussage der größte Erdgasförderer in den USA - an den Rand der Pleite. Die mehrere Millionen Dollar teuren Bohrungen spielten schlicht ihr Geld nicht mehr ein. Unternehmen wie ExxonMobil und Shell, die eher spät in die Schiefergasförderung einstiegen, verloren in den vergangenen Jahren deshalb viele Milliarden Dollar.

Die Suche nach Schiefergas hat die USA vom Gas-Importeur zum Gas-Exporteur werden lassen.

Foto: dapd

Dass nun die Investitionen in das Verlustgeschäft einbrechen, ist also kein Wunder. Die Förderung hat das allerdings noch nicht eingeschränkt: Laut den neuesten Zahlen der US-Energiebehörde EIA holten Öl- und Gasunternehmen in diesem Januar mehr Rohstoffe aus dem Boden als vor 12 Monaten (hier als PDF).

Eine Korrektur des Marktes, die Angebot und Nachfrage wieder ins Gleichgewicht bringt und die Gasförderung wieder rentabler macht, ist also vorerst nicht abzusehen. Viele Produzenten hoffen deshalb, dass die USA in einigen Jahren ihr Schiefergas über Flüssiggas-Terminals ins Ausland exportiert. Erst dann könnten die Preise wieder anziehen.

Dass der Erdgasmarkt in den USA derzeit in einer desolaten Verfassung ist, ruft auch in Europa zunehmend Skepsis hervor. Vor allem, weil die Schiefergasförderung hier noch ganz am Anfang steht.

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Größere Vorkommen an Schiefergas werden vor allem in Osteuropa und in Großbritannien vermutet. Bisher scheiterten Unternehmen wie ExxonMobil oder Chevron aber an den geologischen Gegebenheiten in Polen und der Ukraine. Ob es für die Förderer in Großbritannien besser läuft, werden die nächsten Monate zeigen. Derzeit starten Energieunternehmen auf der Insel zahlreiche Projekte, um die Vorkommen zu erkunden. Die Politik verspricht sich einiges von den Schätzen im Boden.

In Deutschland und Frankreich dagegen ist das Fracking politisch nicht erwünscht. Nicht einmal Erkundungsbohrungen finden im größeren Stil statt. Ob die Vorkommen - in Deutschland würden sie theoretisch rund zehn Jahre eine Vollversorgung mit Erdgas ermöglichen - wirtschaftlich abzubauen sind, weiß derzeit niemand.

Diese Unsicherheit spiegelt sich auch in den Vorhersagen der Experten wieder. Gerade hat der Öl- und Gasgigant BP seinen jährlichen Energiereport vorgestellt. Demnach wird Schiefergas in naher Zukunft keinen signifikanten Anteil am Erdgasmarkt erreichen. Rund sechs Prozent des Erdgases, das die Verbraucher auf dem Kontinent nutzen, könnte 2035 aus Schiefergestein kommen.

Auch die EU-Kommission geht eher von moderaten Zahlen aus. Rund 10 Prozent des Erdgases könnten 2035 mit der Fracking-Technologie gewonnen werden, glaubt man in Brüssel.

Das Potenzial für mehr wäre allerdings vorhanden. Zwar hat die EU gerade erst ihre Schätzungen für die Schiefergasvorkommen nach unten korrigiert. 2011 glaubten die Experten noch an Reserven in Höhe von 15,8 Billionen Kubikmetern. Jetzt sollen in Europa nur noch rund 13,3 Billionen Kubikmeter förderfähiges Schiefergas lagern. Aber selbst diese Menge würde genügen, um die EU mehr als zwanzig Jahre lang mit Erdgas zu versorgen.

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