WirtschaftsWoche: Herr Professor Dr. Hobe, warum brauchen wir ein Weltraumrecht?
Stephan Hobe: Es gibt das internationale Raumfahrtrecht nun seit knapp 50 Jahren. Mit dem Start des ersten künstlichen Satelliten Sputnik befand man, dass es Rechtsregeln für die menschlichen Aktivitäten im Weltraum geben sollte. Das waren damals im Wesentlichen Forschungsaktivitäten, aber man hat schon damals die Frage der möglichen wirtschaftlichen Nutzung miteinbezogen. Das ist tatsächlich ein Beispiel für eine sehr frühe, sehr starke Gesetzgebung, obwohl die Aktivität zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht so stark war. Das ändert sich gerade.
Alles stützt sich rechtlich auf den Weltraumvertrag von 1967, den Mondvertrag und einige Ergänzungsverträge – inwiefern klären diese die Rechte im All?
Zum einen ist der entscheidende und umfassendste Vertrag der Weltraumvertrag. Darin sind fast alle Grundprinzipien festgelegt. So etwa die grundsätzliche Statusfrage, dass der Weltraum und die Himmelskörper nicht einem bestimmten Staat gehören und auch nicht von einem Staat angeeignet werden können, sondern dass sie der gesamten Menschheit gehören.
Zur Person
Prof. Dr. Stephan Hobe leitet seit 2001 das Kölner Institut für Luft- und Weltraumrecht. Zudem ist er Inhaber des Lehrstuhls für Völkerrecht, Europarecht, europäisches- und internationales Wirtschaftsrecht an der Universität zu Köln. Zuvor hat er unter anderem für die Deutsche Agentur für Raumfahrtangelegenheiten in Bonn und am Walther-Schücking-Institut für internationales Recht in Kiel gearbeitet. 1992 promovierte er an der Universität Kiel zum Thema „Die rechtlichen Rahmenbedingungen der wirtschaftlichen Nutzung des Weltraums“.
Das ist eine interessante Konstruktion. Forschung und Nutzung des Weltraums sind im Wesentlichen frei. Darüber hinaus ist es so, dass ein Objekt, das in den Weltraum fliegen soll, vorher registriert werden und der Staat, von dem aus es startet, dafür haften muss, wenn Schaden angerichtet wird – egal ob im Welt- oder Luftraum oder auf der Erde. Diese Grundprinzipien werden teilweise in späteren Konventionen – etwa im Mondvertrag von 1979 – wiederholt. Das ist sozusagen die Lex Lata für menschliche Aktivitäten im Weltall.
Gibt es da Grauzonen?
Viele sogar! Schon alleine deshalb, weil man damals die Dinge prospektiv betrachten und prognostisch sehen musste, was denn möglicherweise Probleme werden könnten. Deshalb hat man sich mit Generalklauseln beholfen. Es ist somit kein randscharfes Recht.
Schneller schlau: Weltraum-Recht
Als erste und grundlegende völkerrechtliche Vereinbarung des Weltraumrechts gilt der Weltraumvertrag, der 1967 unterschrieben wurde und dem heute 107 Staaten zugestimmt haben (Stand: Juli 2017).
Darin sind Grundsätze festgelegt, die die staatlichen Weltraumaktivitäten regeln. So wird etwa das Hoheitsrecht an Teilen des Weltraums, am Mond und an anderen Himmelskörpern ausgeschlossen. Für Forschung und wirtschaftliche Nutzung ist der Weltraum weitestgehend frei. Aber es gibt Beschränkungen. So muss die Erforschung und Nutzung des Weltraums Sache der gesamten Menschheit sein. Geschlossen wurde der Vertrag einst insbesondere aus Furcht vor einem Wettrüsten im All vor dem Hintergrund des Kalten Krieges.
Das Weltraumrettungsübereinkommen wurde kurz nach dem grundlegenden Weltraumvertrag 1968 verabschiedet und regelt die Gewährung von Hilfe an in Not geratene Raumfahrer und zur Rückgabe von in den Weltraum gestarteten Gegenständen.
Mit dem Weltraumhaftungsübereinkommen wurde 1972 die Haftung im Weltraum in Regeln festgelegt. Zur Sicherstellung angemessenen Schadensersatzes für durch Weltraumgegenstände verursachte Schäden gibt es seitdem einen handfesten Rechtssatz – allerdings bezieht dieser sich in erster Linie auf staatliche und nicht auf private Aktivitäten im Weltraum.
Nach dem allgemeinen Weltraumvertrag gilt der Mondvertrag von 1979 als die wichtigste Vereinbarung im Weltraumrecht. Darin wurden spezielle Regelungen über die Nutzung des Monds und der eventuellen Ausbeutung seiner Naturschätze festgehalten. Allerdings ist dieser Vertrag wenig bindend, denn im Vergleich zum Weltraumvertrag wurde der Mondvertrag bislang nur von 18 Staaten ratifiziert.
Stand: August 2023
Das ist aber größtenteils auch vorteilhaft, da man so später eintretende Sachverhalte leichter darunter fassen konnte und kann. In manchen Bereichen ist das Recht so noch eher dünn – etwa im Bereich des Umweltschutzes oder der Ressourcen-Nutzung im Weltall.
Genau dort haben die USA nun angesetzt und ein Vorstoß gewagt mit einem amerikanischen Gesetz die Besitzrechte von Ressourcen im All zu regeln. Worauf zielt das ab?
Der sogenannte „Asteroid Mining Act“ erklärt, dass Amerikaner Eigentum an Ressourcen der Himmelskörper erwerben können sollen. Ein interessantes Statement, denn es unterscheidet sich meines Erachtens überhaupt nicht von der Sichtweise des internationalen Weltraumrechts. Insofern ist es schlicht und ergreifend überflüssig und es ist zudem überhaupt keine Materie, die ein nationaler Gesetzgeber regeln könnte oder sollte.
Man kann aber auch anderer Auffassung sein. So ist eine Minderheit im Weltraumrecht der Meinung, dass die Aneignung von Ressourcen im Weltall gar nicht erlaubt ist. Wäre man dieser Auffassung, dann könnte aber auch eine nationale amerikanische Regelung daran nichts ändern, denn es ist eben nicht der Wirkungsbereich des amerikanischen Gesetzgebers, sondern des internationalen Gesetzgebers – vermutlich somit der Vereinten Nationen.