Apple Watch im Test: Wie gut Apples Smartwatch wirklich ist
Und irgendwann passiert es dann doch. Ein Kind in der Eisdiele bleibt stehen, schaut auf mein Armgelenk und fragt: „Ist das die Apple Watch?“. Ja, ist sie. Das sollte aber auch die einzige Nachfrage in 14 Tagen Nutzung des jüngsten Produkts von Apple, um das vor dem Verkauf viel spekuliert und wenig gewusst wurde, bleiben.
Ich weiß jetzt einiges mehr, wenngleich mit Sicherheit nicht alles. Eigentlich ist mein Ansinnen, herauszufinden, für welche Art von Hobbysportler die Fitnessfunktionen der Apple Watch ausreichen. Das zu beurteilen dauert alleine deswegen etwas länger, weil es bereits mit Runtastic, Strava oder Komoot mehrere Apps gibt, die sich für die Datenaufzeichnung eignen – neben der von Haus aus von Apple installierten Fitness-App. Für ausreichend Eindrücke braucht es aber ausreichend Trainingseinheiten.
Perfekt zum Ablesen der Zeit
Dennoch trage ich sie natürlich so, wie sie gedacht ist: den ganzen Tag. Und so bleibt es nicht aus, dass man sich mit den anderen Funktionen auseinandersetzt, rumspielt und ausprobiert.
Von allen Uhren, die ich besaß oder besitze - von mechanischen mit Armband aus Pferdeleder über Sportuhren mit Kunststoff-Armbändern - lässt sich die Apple Watch am bequemsten tragen. Das liegt an zwei Dingen: Auf der Unterseite wölbt sich aus dem viereckigen Gehäuse wie ein klassisches Uhrglas die runde Einheit mit den Mess-Dioden für die Herzfrequenz. Das Gehäuse liegt also nicht vollständig auf. Das einfache weiße Armband ist außergewöhnlich weich – und scheint robust genug, um auch lange weiß zu bleiben: Selbst Schmiere einer Fahrradkette konnte ich mit Wasser und Seife wieder abwaschen.
Was aber macht man nun mit dem teuren Gerät? Tatsächlich viel öfter als gedacht: die Zeit ablesen. Das permanent dunkle Display schaltet sich bei der typischen Armbewegung, um die Zeit abzulesen, automatisch an. Es wirkt fast verstörend, wie präzise die Apple Watch erkennt, wenn man den Arm nur hebt um sich am Kopf zu zerkratzen oder ob man auf halber Höhe mit einer leichten Drehung stehen bleibt, um die Zeit abzulesen. Und das ist und bleibt schneller als jeder Griff zum Telefon. Für die volle Funktionalität der Uhr muss ein iPhone 5s oder 6 und 6+ gekoppelt sein. Es ist mithin kein eigenständiges Produkt, sondern eine Erweiterung des Smartphones.
Die Uhr ersetzt das Zücken des iPhones
Das kann auch in der Tasche bleiben bei folgenden Tätigkeiten: Routenführung, Telefonieren oder Sport. Zarte Vibrationen und leichte Klingeltöne weisen am Arm rechtzeitig bei einer Landfahrt durch unbekannte Gegenden vor der nächsten Abbiegung darauf hin. Kurz vor dem Kreisel oder der Kurve wird das Vibrieren verdoppelt. Ein Blick auf das Display informiert über Richtung und Straßennamen, den der Fahrer wählen soll. Wenn es nicht bimmelt: immer geradeaus.
Es benötigt allerdings sicher einen Bentley oder Rolls Royce, um im Auto mit der Apple Watch am Steuer zu telefonieren. Der eingebaute Lautsprecher und das eingebaute Mikrofon reichen gut aus, um in einer ruhigen Umgebung normal zu telefonieren, ohne den Arm gegen Ohr oder vor den Mund zu halten. Ist der Umgebungslärm jedoch zu groß, wird das Gespräch so schwer verständlich, dass es mit der Freisprecheinrichtung des Telefons nicht mithalten kann.
Pebble Time und Pebble Time Steel
Der Smart-Watch-Pionier hat seine Ur-Uhr Pebble (130 Euro) runderneuert und mit einem Farbdisplay sowie einem neuen Bedienkonzept versehen. Dabei zeigt die Standardansicht nun wahlweise aktuelle oder anstehende Termine oder zwischenzeitlich eingegangene E-Mails, Benachrichtigungen oder Anrufe vom gekoppelten Handy an. Wer will, kann auch eines der bereits für die ersten Pebbles entwickelten Watchfaces aktivieren. Auch die bisher verfügbaren 6500 Apps lassen sich auf den neuen in Kunststoff oder ein Stahlgehäuse gehüllten Cyberuhren nutzen. Im Gegensatz zu den meisten übrigen Computer-Uhren hält die neue Pebble im Normalbetrieb fünf bis sieben Tage ohne Nachladen durch. Die Neulinge funktionieren sowohl mit Apples iPhones als auch mit Android-Handys. Zu bestellen gibt es sie bisher nur über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter, für 179 beziehungsweise 250 Dollar das Stück.
Foto: PRLG G Watch Urbane
Die Smartwatch auf Basis von Googles Android Wear ist schicker und schlanker, ansonsten aber baugleich mit LGs G Watch R, die das Unternehmen im vergangenen Jahr schon zur Ifa vorgestellt hat. Das Display ist mit 320x320 Pixel identisch, auch Speicher und Akku bleiben unverändert, ebenso der eingebaute Pulssensor. Das Metallgehäuse allerdings wirkt wertiger und etwas eleganter als das des R-Modells und ist geringfügig dünner. Die G Watch R kostet rund 245 Euro. Ob die Urbane tatsächlich ab April für rund 400 Euro in die Läden kommt, wie im Netz gemunkelt wird, ist noch offen.
Foto: REUTERSLG G Watch Urbane LTE
Eine wirkliche Innovation ist dagegen das LTE-Modell der G Watch. Sie erinnert zwar auf den ersten Blick an die anderen Cyber-Uhren von LG, ist aber technisch völlig eigenständig. Und das ist wörtlich zu nehmen, denn im Uhrgehäuse steckt ein vollwertiges Mobiltelefon mit schnellem, mobilem LTE-Internetzugang. Sie ermöglicht es nicht nur, unabhängig vom Handy zu telefonieren und dafür etwa ein Bluetooth-Headset zu koppeln. Auch mobile Web-Zugriffe oder der Aufruf einer Navigations-App am Handgelenk sind denkbar. Gesteuert wird die Uhr über den Touch-Bildschirm mit 320x320 Pixeln Auflösung. Technisch ist die LTE-Uhr eine Eigenentwicklung auf dem mittlerweile bei LG gelandeten mobilen Betriebssystem webOS. Zunächst soll es die Uhr ab etwa Mitte des Jahres in Korea geben. Wann und zu welchem Preis sie nach Deutschland kommt, steht noch nicht fest.
Foto: WirtschaftsWocheAlcatel OneTouch Watch
Auf eine eigenständige Software für seine vernetzte Uhr setzt auch der Hersteller Alcatel Onetouch. Sie verfügt über eine Vielzahl von Sensoren, unter anderem Beschleunigungssensor, Gyroskop, Höhensensor, Herzfrequenzmesser, E-Kompass und NFC-Chip. Pfiffig ist die Idee, den USB-Anschluss zum Aufladen in das Armband zu verlegen, das sich wie ein Speicherstick einfach ans Ladegerät oder an einen PC anstecken lässt. Mit 240x204 Bildpunkten reicht die Auflösung nicht ganz an die der meisten Android-Wear-Uhren heran. Dafür lässt sich die Onetouch Watch sowohl mit Android als auch mit iOS-Handys synchronisieren. Und - vor allem - sie wird mit einem Preis von nur rund 150 eines der günstigsten Modelle im Smart-Watch-Markt sein.
Foto: PRHuawei Watch
Mit einer Display-Auflösung von 400x400 Punkten bietet diese Smartwatch aktuell die schärfste Bildschirmdarstellung im Android-Wear-Segment. Der hohe Anspruch passt zum Finish der Uhr, die in ein Metallgehäuse gepackt ist. Darin stecken auch ein sechsachsiger Bewegungssensor, ein Höhenmesser und ein Pulsmesser. Die Software der Uhr soll damit unterscheiden können, ob der Nutzer läuft, radelt oder klettert. Zum Preis und zur Markteinführung hat Huawei noch keine Angaben gemacht.
Foto: PRCogito Watch
Zwei Herzen schlagen in diesen Smartwatch-Modellen. Zum einen nämlich sind sie ganz klassische analoge Uhren mit Quarz-Uhrwerk und (batteriebetrieben) monatelanger Gangreserve. Daneben besitzen die Zeitmesser ein eingebautes (über eine zweite Batterie gespeistes) Bluetooth-Modul, mit dessen Hilfe sie sich mit iOS- oder Android-Handys koppeln lassen. So können sie beispielsweise sportliche Aktivitäten protokollieren oder mit Text- oder Symbol-Infos anzeigen, wenn die passende Handy-App eingehende Anrufe oder anstehende Termine erfasst. Zusätzlich lässt sich - zumindest teilweise - die Kamera im Telefon fernauslösen. Je nach Ausstattung - die Spanne reicht von der eher für Jugendliche gedachten Kunststoffuhr bis zum Nobelmodell in Metallgehäuse - kosten die Cogito-Uhren zwischen rund 120 und 250 Euro.
Foto: APKronoz Watch
Der Schweizer Hersteller hat eine ganze Palette von vernetzten Zeitmessern im Angebot, die vom besseren, vernetzten Fitness-Tracker mit Zeitanzeige bis zum kommunikativen Beiboot fürs Smartphone reichen, das (ähnlich wie die Cogito) eingehende Anrufe oder Nachrichten anzeigt. Parallel dazu ermöglichen es der integrierte Lautsprecher und das Mikrofon, die Uhr auch als Freisprecheinrichtung zu nutzen und Telefonate zu führen ohne das Handy aus der Tasche holen zu müssen. Die Top-Modelle protokollieren zusätzlich körperliche Aktivitäten oder die Ruhephasen beim Schlafen. Preislich liegen die Kronoz-Uhren zwischen rund 70 und 130 Euro.
Foto: ScreenshotWellograph
Auch diese Smartwatch liegt funktional an der Schnittstelle von Zeitmesser und Fitness-Tracker. Wer will kann seine sportlichen Leistungen über die zugehörige App (für iOS, Android und Windows Phone) mit Freunden teilen. Daneben erfassen die Sensoren von Puls bis Schlafverhalten diverse Gesundheitsdaten. Die Wellograph ist zudem bis zu 50 Meter Tiefe wasserdicht. Eingehende Anrufe oder Nachrichten vom Smartphone zeigt die Uhr allerdings nicht an.
Foto: PRSony Smartwatch und SmartBand
Sony hat zwei unterschiedlich leistungsfähige Cyber-Uhren im Angebot. Das einfachere, 160 Euro teure SmartBand ist so etwas wie eine Freisprecheinrichtung mit integriertem Touch-Display. Eingehende Anrufe zeigt das Band auf dem Mikrobildschirm an, Nachrichten liest es auf Wunsch vor. Dazu protokolliert es die Tagesaktivitäten und überträgt die Daten an die passende Smartphone-App. Die opulenter ausgestattete SmartWatch 3 (230 Euro) basiert auf Android Wear und lässt sich entsprechend mit allen Android-Telefonen - und den für die Plattform verfügbaren Apps - koppeln. Daneben zeichnet die Sony-Smart-Uhr aber auch unabhängig vom Handy mithilfe eines integrierten GPS-Moduls, des Kompass' und des Gyroskops Lauf- oder Wanderstrecken auf, die sich dann im Nachhinein mit Smartphone oder Computer synchronisieren lassen. Und wer will, kann sich aus dem integrierten 4-Gigabyte-Speicher auch noch Musik wiedergeben lassen.
Foto: REUTERSSamsung Smartwatch Gear
Gemessen an Stückzahlen war Samsung im vergangenen Jahr der erfolgreichste Hersteller von Cyber-Uhren - auch wenn Samsung auf dem Mobile World Congress keine neue Uhr vorgestellt hat. Der Markterfolg liegt auch daran, dass die Koreaner mit den drei Modellen Gear Fit (129 Euro), Gear 2 (299 Euro) und Gear S (399 Euro) aktuell eine der am breitesten aufgestellten Modellreihen besitzen. Das schlanke Einsteiger-Modell dient primär als Sensor für die sportlichen Aktivitäten sowie als abgesetztes Display fürs Handy, mit dem sich die Uhr per Bluetooth koppeln lässt. Dank des stromsparenden OLED-Displays lässt sich die Fit je nach Einsatz zwischen drei und fünf Tagen ohne Nachladen nutzen. Die Gear 2 kommt mit integrierter 2-Megapixel-Kamera und Infrarot-Sender deutlich besser ausgestattet daher. Über die passende App für Samsung-Smartphones lassen sich auch Daten mit Handy-Apps von Drittherstellern austauschen. Die auf Samsungs mobilem Betriebssystem Tizen basierende Gear S besitzt sogar - ähnlich wie die LG G Watch LTE - ein eigenes integriertes Mobilfunkmodul über das sich Webseiten oder Nachrichten abrufen und Telefonate führen lassen.
Foto: REUTERSWer sich beim Laufen oder Rad fahren mit anderen messen will, kann über Apps wie Strava virtuelle Wettkämpfe ausfechten. Fährt oder läuft ein Sportler eine bestimmte Strecke, wie eine Alsterrunde oder einen Bergpass, dann erstellt die App aus den Daten eine Rangliste aller Nutzer. Für diese Aufzeichnungen muss allerdings das Telefon dabei sein, denn die Uhr selber verfügt nicht über ein GPS-Modul.
Wohl aber lernt sie die Bewegungen des Nutzers kennen. Mindestens 20 Minuten muss der Nutzer mit Uhr und Telefon gleichzeitig laufen oder wandern, damit die Ergebnisse der Armbewegungen mit den Daten des GPS verglichen werden können. Ist das erledigt, berechnet die Applewatch allein anhand der Armbewegung die zurückgelegte Strecke. Nicht so genau wie mit GPS, aber doch für zahlreiche Hobbyläufer und -wanderer ausreichend präzise. Und je öfter beide Geräte gemeinsam ausgeführt werden, desto genauer sollen die Werte werden.
Motivation ist alles
Die Apple Watch hat auch motivierende Elemente: Sitze ich eine Stunde lang auf dem Bürostuhl fest, fordert sie mich auf, für eine Minute zu stehen. Weil der Arm auf dem Rad allerdings genauso ruht wie im Fauteuil, werde ich auch dort nach 59 Minuten aufgefordert, mich zu bewegen.
Die Uhr weckt mich, hat natürlich eine Stoppuhr, bei der sich alle Anzeigen individuell einstellen lassen. Der Sekundenzeiger schleicht wie eine echte mechanische Uhr langsam voran statt wie bei einem Quartzwerk jede Sekunde zu springen – ein liebevolles Detail, wie etwa auch Vibrationen, wenn der Nutzer die Krone in einer Liste dreht und an ihr oberes oder unteres Ende stößt. Es geht nicht weiter, das spürt der Nutzer.
Den Herzschlag an einen Freund schicken
Viel genutzt habe ich davon offen gestanden nicht. Für die Kommunikations-Features der Apple Watch fehlen mir ausreichend Freunde, die ebenfalls schon eine tragen, um mit ihnen Zeichnungen oder den eigenen Herzschlag auszutauschen. Die Timeline auf Twitter zu lesen ist dann doch ein sehr mühseliges Unterfangen.
Einen Nutzen für die Fernsteuerung der Kamera mittels des Displays der Applewatch habe ich noch nicht erkennen können und manchmal dauert es einfach noch zu lange, bis eine App, wie zum Beispiel die des Autovermieters Drive Now, sich öffnet. Mit der Amazon-App lassen sich Wunschlisten über die Applewatch anlegen – kaufen geht derzeit noch nicht.
Die Bordkarte in der Uhr
Erstaunlich bleibt auch hier die Genauigkeit, mit der die Sprachsteuerung funktioniert und wie fehlerfrei die Uhr (wie auch das Smartphone) Texte aufnehmen. Mails lassen sich nicht diktieren – wozu das gut sein soll, steht auf einem anderen Blatt, da zum Versenden ohnehin das iPhone benötigt wird. Nützlich für Hobbymusiker ist hingegen vielleicht der schnelle Griff zu einem Metronom. Und als ausgesprochen komfortabel erweist sich Passbook auf der Applewatch, wenn die Bordkarten als QR-Code erscheinen und man als Reisender sicher weiß: Die Bordkarte ist am Arm.
So fragt man sich nach 14 Tagen – ginge es auch ohne? Antwort: Ja. Apps für weitere Funktionen oder zur Erfassung der Gesundheitsdaten für die App Health fehlen bisher noch. Wenn sie auf dem Markt sind, wird die Zahl der wirklich nützlichen Apps vielleicht so hoch sein, dass man sie nicht missen möchte.
Bis hierhin ist die Erkenntnis: Ich gucke wieder öfter nach der Uhrzeit am Armgelenk und verpasse seit 14 Tagen nicht mehr wie sonst die Anrufe auf meinem Mobiltelefon – die Applewatch weist dann mit sanftem Vibrieren und einem leisen Ton darauf hin, dass mich jemand gerade sprechen möchte.