Alle zwei Minuten wird in Deutschland ein Fahrrad gestohlen. Und das sind nur die offiziell erfassten Fälle. Für einen Polizisten ist daher eine Verlustmeldung kaum mehr als traurige Routine. Trotzdem löste bei den Beamten der Polizeiwache Hamburg-Altona der Diebstahl eines Rades größtes Erstaunen aus. Nicht der Fall an sich, sondern die Höhe des Schadens, den der verzweifelte Bürger zu Protokoll gab: stolze 25 000 Euro. Er habe, versicherte er, sein Zweirad wie üblich mit zwei dicken Bügelschlössern gesichert. Genutzt hat es ihm nichts – das Edelbike im Gegenwert eines VW Passats war weg.
Natürlich ist der spektakuläre Fall eine Ausnahme. Doch er illustriert einen Trend: Für viele Radler sind ihre Gefährte nicht mehr nur Fortbewegungsmittel, sondern auch Statussymbol. So werden Zweiräder immer exklusiver und teurer und damit für Diebe attraktiver. Die Folgen zeigen sich allmorgendlich, wenn sich Fahrradbesitzer mit ihren Rädern in die Bürofahrstühle quetschen und ihren Arbeitsplatz zur Abstellkammer umfunktionieren.
Nun wollen gleich mehrere Start-ups in den USA und Europa dem Radl-Klau mit moderner Elektronik einen Riegel vorschieben. Sie bieten nun auch für Räder an, was für Autos schon lange Standard ist: Verfolgung per Satellitennavigation (GPS), Meldung per Mobilfunk, falls Diebe am Werk sind, nervtötende Alarmanlagen.
Um ihre Ideen umzusetzen, holen sich viele Gründer Geld bei den künftigen Kunden. So hat das kalifornische Start-up Mesh Motion per Crowdfunding umgerechnet rund 95 000 Euro eingesammelt und so das Bügelschloss Bitlock entwickelt. Das kann der Besitzer mit dem Smartphone via Bluetooth- oder WLAN-Funk verriegeln. Noch komfortabler ist das Bügelschloss von SkyLock: Es registriert per Funk, wenn sich das Handy des Besitzers nähert – und entsperrt sich automatisch.
Abschreckende Wirkung
Eine komplette Alarmanlage bietet Lock8 samt Spiralschloss, GPS-Ortung und Sirene. Das Konzept stammt von zwei Ex-Studenten der britischen Eliteuni Oxford. Das GPS-Modul steckt zum Schutz vor Vandalismus in einem Kasten nahe der Hinterachse. Andere Hersteller versteckten das Funkmodul, das um Hilfe ruft, im Lenker. Viele Systeme schicken die Positionsdaten des Rades laufend aufs Handy – der Kunde zahlt dafür aber oft Abogebühren; im Schnitt rund fünf Euro pro Monat.
Dass smarte Schlösser Dieben die Arbeit erschweren können, davon ist Andreas Mayer von der Polizeilichen Kriminalprävention des Bundes und der Länder überzeugt: „Ein Hinweis mit einer Aufschrift wie ‚Dieses Rad ist elektronisch gesichert‘ dürfte manchen von der Tat abhalten.“
Roland Huhn, Technikexperte beim Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC), warnt indes vor übertriebenen Erwartungen – und Leichtsinn: „Wenn die Ortungsfunktionen der Schlösser klar erkennbar sind, können selbst Amateure die Sensoren mit einem harten Schlag zerstören.“ Professionelle Diebe würden ohnehin Verfahren entwickeln, um auch versteckte Sensoren lahmzulegen, glaubt er.
Selbst wenn die Positionsmeldung funktioniert, könnte die Polizei bei der Suche schnell an ihre Grenzen stoßen, fürchtet Huhn. Verliere sich etwa das Signal in einem Mehrfamilienhaus, würden die Beamten wegen eines Fahrrads sicherlich keinen Durchsuchungsbefehl bekommen. Die smarten Sicherungen sollten daher stabile klassische Bügel- oder Panzerkabelschlösser immer nur ergänzen.
Ob sich das lohnt, ist also vermutlich auch eine Preisfrage. Wer mehrere Tausender für ein edles Rennrad hinlegt, den dürften die paar Euro extra für die digitale Sicherung wenig stören. Dazu kommt dann noch der Coolness-Faktor, wenn der stolze Besitzer vor Kollegen schnell per Smartphone sein Mountainbike peilt und dessen Alarmanlage aufheulen lässt. Der Effekt ist unbezahlbar.