Stromer ST2 Wie das Pedelec digital aufgerüstet wird

Das schnelle S-Pedelec Stromer ST2 des Schweizer Herstellers MyStromer macht süchtig – wenn da nicht der hohe Preis für das elegante Rad wäre. Ein Fahrbericht.

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S-Pedelec Stromer ST2 von MyStromer Quelle: Jürgen Rees

Ich gestehe: Einen Helm beim Fahrradfahren finde ich ungefähr so angenehm wie eine Warze auf der Fußsohle. Deshalb bin ich beim ersten Kontakt mit dem Elektrofahrrad namens Stromer ST2 des Schweizer Herstellers MyStromer natürlich ohne aufgestiegen und habe die erste Runde am Bonner Rheinufer gedreht.

Doch das kleine Nummernschild, dass ungewöhnlicherweise über dem Hinterrad befestigt ist, hätte mich warnen müssen. Ich habe gleich am Schalter rechts am Lenker den Grad der elektrischen Unterstützung auf die Position 3 für den stärksten Schub eingestellt. Was dann folgte, war eine unglaubliche Beschleunigung, die kaum noch was mit dem Radfahren von einst zu tun hat: Das weiße Rad geht ab wie eine Rakete, begleitet vom ungläubigen Staunen der übrigen Radfahrer, Skater, Jogger und Spaziergänger, die sich an diesem warmen Sommerabend am Rheinufer tummeln. Wahnsinn!

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Von diesem Zeitpunkt an bin ich auf dieses Gerät nur noch mit Radhelm gestiegen. Aber das wenig Erstaunliche ist: Ich gewöhne mich flott an die Geschwindigkeit des Bikes, das ganz neue Möglichkeiten schafft: Schnell Mal ins 13 Kilometer entfernte Königswinter flitzen mit einem kleinen Abstecher auf die Margarethenhöhe im Siebengebirge – immerhin 320 Meter hoch? Kein Problem. Unverschwitzt morgens ins Büro radeln? Auch das ist problemlos möglich und macht Spaß. 

Gekapselter Gleichstrommotor und Touchscreen Quelle: Jürgen Rees

Das Stromer, ein sogenanntes S-Pedelec, das den Fahrer bis zu einer Geschwindigkeit von 45 Kilometer pro Stunde unterstützt, könnte zumindest von Frühjahr bis zum Herbst locker ein Zweitauto ersetzen. Und im Gegensatz zu diesem braucht es keinen Parkplatz und was für die Gesundheit tut der Fahrer auch, denn von alleine fährt das Elektrobike ja nicht. Mit dem schnellen Bike verschwimmen die Grenzen zwischen Fahrrad und Kleinkraftrad zusehends.

Auf den Radweg darf der Stromer nicht

Auch der Gesetzgeber hat Mühe mit der Einordnung der Fahrzeuge. Deshalb muss das Rad ein Mofanummernschild haben (Versicherung kostet zwischen 70 und 100 Euro im Jahr) und darf nicht auf Radwegen fahren. Ziemlich unsinnig, wie ich finde. Auch das schnelle S-Pedelec fährt ohne Krach, Abgase und nimmt nicht mehr Platz in Anspruch als ein normales Fahrrad. Und niemand kommt auf die Idee einem Porsche die Tempo-30-Zone zu verbieten, nur weil der Sportwagen auch 250 Kilometer pro Stunde schnell fahren kann.

Stattdessen würde es den lärm- und abgasgeplagten Städten eine attraktive wie umweltverträgliche Art der Mobilität eröffnen. Der Gesetzgeber plant offenbar, den Städten in Zukunft die Möglichkeit zu geben, geeignete Radwege auch für die S-Pedelecs zu öffnen – möglicherweise mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung. 

Worauf man beim Kauf eines E-Bikes achten sollte

Zurück zum Stromer: Das weiße Rad sieht elegant aus und hat nichts mehr mit den Elektrorädern gemein, die mit angeklatschtem Akku und Elektromotor aussehen wie von der Krankenkasse verschrieben. Der Akku beim Stromer verschwindet komplett im kantigen Unterrohr, der kraftvolle Gleichstrommotor steckt in der Hinterradnabe. Das Rad bietet sogar eine Rekuperation der Bremsenergie an, so kann ich vor allem beim Bergabfahren zumindest einen Teil der Energie wieder in die Lithium-Ionen-Akkus einspeisen und so die Reichweite erhöhen.

Überhaupt die Batterien: Der Hersteller sagt, dass sie für 150 Kilometer Reichweite gut sind. Aber das ist natürlich vom Gewicht des Fahrers, vom Grad der gewählten Unterstützung und davon abhängig, ob ich auf dem Flachland fahre oder über Berg und Tal düse. Ich habe bei gemischter Strecke und voller Unterstützung rund 100 Kilometer Reichweite geschafft. Ein sehr alltagstauglicher Wert, wie ich finde. 

Das Rad folgt zudem dem Trend der digitalen Aufrüstung wie sie schon beim Auto üblich ist. Besonders schick und durchaus praktisch: Das ST2 hat eine SIM-Karte eingebaut, es gibt sogar einen USB-Anschluss, um das Smartphone zu laden, es kommuniziert via GPS und Bluetooth. So kann man über eine App sein Rad orten und beispielsweise sperren, sollte es gestohlen worden sein. Ein kleiner, berührungsempfindlicher Bildschirm im Oberrohr des E-Bikes hält alle wichtigen Infos parat.

Damit lassen sich nicht nur unterwegs über die Batteriekapazität checken oder Einstellungen verändern. Während der Fahrt ist der gesenkte Blick auf den kleinen Bildschirm aber nicht so empfehlenswert, bei der hohen Geschwindigkeit, die das Rad ermöglicht, steht schnell Mal eine Straßenlaterne im Weg. Mit der kostenlosen App auf dem Smartphone lässt sich etwa der Akkustand auch von unterwegs checken.  

Ist der Akku dann wirklich einmal ganz leer, klemmt man den Ladestecker bequem an die Kupplung, die sich am Unterrohr des St2 befindet. Nach rund vier Stunden ist der Akku wieder voll.

Die Technik und das moderne Design haben ihren Preis: Kurz hochheben und man spürt die rund 28 Kilogramm Gewicht und wünscht sich, dass der Akku nie während einer Tour leer gehen möge. Zudem kostet das Rad stolze 6490 Euro.

Fazit: Das Rad macht mit seiner Beschleunigung süchtig. Auf Schlagloch-Pisten leitet das schwere Rad den Zustand der Straße ziemlich ungefiltert an seinen Nutzer weiter – trotz dicker Big Ben Schwalbe Reifen. Der Bildschirm ist während der Fahrt eher weniger nützlich, weil zu klein, aber praktisch zum checken des Akkus, Verschließen des Rades und im Falle eines Diebstahl zum Blockieren.

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