Ausbreitung der Wüste Pionierprojekte zeigen, wie sie sich aufhalten lässt

Rund 500 Milliarden US-Dollar jährlich kostet Staaten die Ausbreitung der Wüste. Diese drei Projekte wollen sie aufhalten.

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Was die Online-Enzyklopädie Wikipedia nüchtern als "Verschlechterung des Bodens in relativ trockenen Gebieten" bezeichnet,  wird zunehmend zu einer Bedrohung für große Teile der Weltbevölkerung: Die Ausbreitung von Wüstengebieten, im Fachjargon Desertifikation genannt. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind weltweit 52 Prozent der Flächen, die zum Lebensmittelanbau genutzt werden, von einer "Verwüstung" bedroht.

Dabei sehen die Experten der United Nations Convention to Combat Desertification (UNCCD) mehr als 1,5 Milliarden Menschen Gefahren wie Hungersnöten und Wasserknappheit ausgesetzt, die durch die zunehmende Desertifikation entstehen. Nach Angaben des britischen Guardian wird die Wüstenausbreitung weltweit für 168 Länder zunehmend zum Problem.

Breitet sich die Wüste aus, gehen wertvolle Nährstoffe in der Erde verloren, ehemals fruchtbares Ackerland verödet und versandet zunehmend. Der Anbau von Gemüse, Obst oder Getreide wird so gut wie unmöglich. Die Vereinten Nationen schätzen, dass durch dieses Phänomen jährlich 24 Milliarden Tonnen fruchtbarer Boden verloren gehen und merken an, dass dies die wichtigste, nicht erneuerbare natürliche Ressource sei.

Anders gemessen: Die Verwüstung kostet die Welt alljährlich zwölf Millionen Hektar Land, das entspricht in etwa der Hälfte Großbritanniens. Auf dieser Fläche hätten rund 20 Millionen Tonnen Getreide angebaut werden können – nach Informationen des Baden-Württembergischen Landwirtschaftsministeriums in etwa ein Zehntel des jährlich in der gesamten EU produzierten Getreides. Und ein Prozent der Weltproduktion.

Um dem Problem Herr zu werden, testen Startups, Unternehmen und Staaten auf der ganzen Welt unterschiedliche Techniken, mit denen sie die Ausbreitung der Wüste stoppen, im Optimalfall sogar Wüstenlandschaft in fruchtbares Land verwandeln wollen. Denn die Verwüstung kostet viel Geld, nach Angaben des Guardian unter Berufung auf die Vereinten Nationen jährlich rund 490 Milliarden US-Dollar (rund 356 Milliarden Euro).

Heute stellen wir drei vielversprechende Wege vor, die der Wüste ihre Grenzen aufzeigen sollen.

Katar: Hightech in der WüsteIm arabischen Emirat Katar, ohnehin ein Wüstenstaat, wird seit einiger Zeit an einem Projekt gearbeitet, das die Wüste innerhalb weniger Jahre in ertragreiche Äcker umwandeln soll. Dabei setzen die Planer, wie in den arabischen Emiraten oftmals üblich, auf moderne und meist kostspielige Technik.

Auf einer Fläche, nahezu drei Mal so groß wie das Saarland, sollen bis 2030 Gewächshäuser und Felder rund drei Millionen Menschen ernähren. Dann sollen nur noch Lebensmittel importiert werden, die sich dort nicht wirtschaftlich anbauen lassen, wie Fahad Al-Attiya, Chef des Qatar National Food Security Programme gegenüber der Wirtschaftswoche erklärt.

Solche riesigen Flächen in der Wüste müssen bewässert werden – ein enormer Energieaufwand. Das Wasser in Katar stammt meist aus stromfressenden Meerwasserentsalzungsanlagen. Die nötige Energie will Al-Attiya mit einem riesigen Solarthermiekraftwerk generieren. Sein Team hat sich das ehrgeizige Ziel gesteckt, bei der Umwandlung von Wüste zu Acker nicht viel mehr Ressourcen wie Grundwasser und Öl zu verbrauchen als heute benötigt wird.

Doch nicht nur mit Wassergewinnung aus Sonnenenergie will das arabische Emirat das Projekt Grüne Wüste vorantreiben. In zahlreichen Pilotprojekten werden Techniken erprobt, mit denen Nahrungsmittelanbau unter der sengenden Sonne Katars möglich werden soll.

So sollen Pflanzen in Zukunft statt in Erde in Nährlösung aufgezogen werden; eine Technik des deutschen Siemens-Konzerns soll das Entsalzen von Wasser günstiger und energieeffizienter machen.

Dabei wird das Salzwasser unter Strom gesetzt, die dabei entstehenden elektrischen Felder sollen das Salz vom Wasser abspalten. Ist die Technik ausgereift, dürfte sie wesentlich günstiger als heutige Entsalzungsanlagen sein, die mit viel Energie Wasser entweder durch winzige Membranen pressen oder verdunsten lassen, um das Salz abzutrennen.

Dass Gemüseanbau unter der Wüstensonne nicht immer nur mit Hightech möglich ist, zeigt ein anderes Projekt in Katar. Auf einem kleinen Acker in der Nähe der Haupstadt Doha wächst seit wenigen Monaten Gerste. Möglich machen das unter anderem mannshohe, perforierte und mit Wasser getränkte Kartonwände, die den Acker flankieren. Wenn Wüstenwind durch sie hindurchweht, kühlt die Luft auf Temperaturen ab, unter denen die Gerste gedeihen kann.

Israel: Bäume gegen die Ausbreitung der Wüste"Hier geht es nicht um Hightech, wir bekämpfen die Wüste mit möglichst einfachen Mitteln", sagt Elisha Mizrahi, während er zwischen kleinen Baumsetzlingen in einer Steppenlandschaft hindurchschreitet. Hier in der Wüste Negev, rund eine Stunde Autofahrt südlich von Tel-Aviv, versucht Mizrahis Organisation, der Jüdische Nationalfonds (JNF-KKL), die Verwüstung Israels zu stoppen.

Rund 60 Prozent Israels ist Wüste, nur acht Prozent der Bevölkerung lebt in diesen Gebieten. Um die weitere Ausbreitung der Wüste zu stoppen, pflanzt der JNF-KKL möglichst viele Bäume; nach eigenen Angaben bisher mehr als 200 Millionen Stück seit der Gründung Israels.

Mizrahi glaubt, dass das Bäume pflanzen den Wüstenboden wieder in nahrhaften Grund verwandelt, sobald ein bestimmter Punkt überschritten ist. "Wenn Tierarten, die einst in der Gegend beheimatet waren, wieder zurückkommen, kann sich der Boden in weiten Teilen von selbst regenerieren, dann haben wir unser Ziel erreicht", sagt er.

Da in der Landschaft, in der die Bäume aufgezogen werden, mehr Wasser verdunstet als Regen fällt, finden sich überall in der Wüste riesige Sammelbecken. In den rund 220 Becken werden Abwasser und Regenwasser gesammelt, gereinigt und zu landwirtschaftlichen Betrieben oder Aufforstungsprojekten weitergeleitet. "Rund 50 Prozent des Wassers, das in Israel für die Landwirtschaft benötigt wird, kommt aus solchen Becken", erklärt Mizrahi.

Dass solch eine Wasseraufbereitung zur Pflanzenbewässerung elementar ist, zeigt das Beispiel Abu Dhabi. Dort wurden in den vergangenen Jahren mehr als 100 Millionen Bäume gepflanzt, um die Ausbreitung der Wüste zu stoppen. Nun hat die staatliche Umweltagentur zugegeben, dass aufgrund der Baumbewässerung der Grundwasserspiegel auf ein kritisches Niveau gesunken sei und das Wasser zunehmend versalze, wie der Greenprophet-Blog meldet.

Damit das Wasser an den Baumsetzlingen in Israel möglichst effizient genutzt wird, haben die Experten des JNF-KKL ein einfaches System zur Wassernutzung entwickelt: Eine Plastikfolie, die um den Stamm herum angebracht ist und auf der Innenseite kleine, zum Stamm parallel verlaufende Röhrchen besitzt, schützt den jungen Baum einerseits vor Schädlingen. Andererseits leitet die Folie jegliche Feuchtigkeit, beispielsweise Morgentau, durch die Röhrchen direkt zu den Wurzeln der Bäume.

Außerdem werden die jungen Bäume des JNF-KKL kaskadenartig gepflanzt. So kann Wasser, dass der Boden bei höher gepflanzten Bäumen nicht aufnehmen kann, die Kaskaden weiter herunterfließen und wird vom Erdreich rund um Baumsetzlinge in tieferen Lagen aufgenommen. "So geht möglichst wenig Wasser verloren", sagt Mizrahi.

Auch wenn Mizrahi in der Baumpflanzung einen einfachen und effizienten Weg sieht, die Ausbreitung der Wüste zu bekämpfen, ist er sich den Problemen der Methode bewusst. "Bis man Erfolge sieht, dauert es sehr, sehr lange." Rund 100 Jahre könne es dauern, bis aus Wüstensand nahrhafter Boden geworden ist.

Tunesien: Akazien sollen die Wüste stoppen"Acacias for all" (deutsch: Akazien für alle) lautet der Name eines Projekts, das in Tunesien die Ausbreitung der Wüste und gleichzeitig die Benachteiligung von Frauen bekämpfen soll. Ausgedacht hat sich das Projekt Sarah Toumi, eine 24-jährige Tunesierin aus Frankreich.

Toumi will mit den Akazien in trockenen Gebieten Tunesiens die Verwüstung bekämpfen und sich dabei die natürlichen Eigenschaften des Baums zur Nutze machen. "Akazien haben stark entwickelte Wurzeln, die bis zu 100 Meter tief in der Erde nach Wasser suchen können", erklärt Toumi auf der Website ihres Projekts.

Das mache die Akazie zum einen zum optimalen Baum für sehr trockene Gegenden. Zudem produziere sie Gummi Arabicum, ein Stoff, der beispielsweise für die Herstellung von Kaugummi verwendet wird. Toumi beschäftigt Frauen in den oftmals ländlichen Wüstenregionen, um diesen Stoff abzubauen. Das gewähre ihnen ein unabhängiges Einkommen, sagt Toumi, und gleichzeitig stoppten die Bäume die Ausbreitung der Wüste.

2012 hat Toumi die erste Farm von Acacias for all eröffnet. Seither werden im Ort Bir Salah an der Grenze zu Algerien jährlich 10.000 Akazien-Setzlinge aufgezogen. Mittlerweile werden die Bäume in der Nachbarschaft der Farm im Freien gepflanzt. Damit soll ein "grüner Gürtel" in der tunesischen Wüste entstehen. Rund 15 Mitarbeiterinnen kümmern sich um die Aufzucht der Bäume und die Ernte des Gummi Arabicum in diesem Gebiet.

Toumi hofft mit ihrem Produkt lokale Unternehmen beliefern zu können, damit die Begrünung der Wüste sich selbst finanzieren kann. "Die Bäume machen den Boden wieder fruchtbar und ermöglichen Frauen ein Einkommen durch den Verkauf des Gummi Arabicum", erklärt Toumi, die Acacias for all mittlerweile schon der Weltbank und dem United Nations Environment Program vorgestellt hat.

Die zeigten sich von der Idee begeistert und auch Toumi glaubt, dass ihr Projekt viel bewegen kann. "Ich habe mich entschlossen ein Superheld, ein Weltverbesserer des 21. Jahrhunderts zu werden", erklärt sie selbstbewusst auf ihrer Website.

 

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