Durch Zeit und Temperatur "4D-Druck" erzeugt sich selbst verändernde Gegenstände

Mit einer neuen Technologie können Wissenschaftler flexible Gegenstände drucken, die beim Erhitzen in ihrer Ursprungsform zurückkehren.

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Bislang werden Solaranlagen wenn überhaupt dann mit Motoren der Sonne nachgeführt. Das könnte sich dank 4D-Druck bald ändern. Quelle: REUTERS

3D-Drucker können mittlerweile fast alles drucken: Nahrungsmittel, Autos oder Häuser. Wissenschaftler des MIT und der Singapore University of Technology and Design (SUTD) gehen jetzt noch einen Schritt weiter, beziehungsweise eine Dimension.

Der 4D-Druck könnte ein großer Fortschritt sein – und die Solar-Branche entscheidend verändern. Die Forschergruppe hat ein Verfahren entwickelt, bei dem sich 3D-gedruckte Objekte ihre ursprüngliche Form sozusagen merken. Jede Formänderung wird so durch Hitze zwischen 40 und 180 Grad Celsius rückgängig gemacht.

Zeit als vierte Dimension

Deshalb auch 4D-Druck: Über die vierte Dimension der Zeit verändert sich die Form der Objekte. Die Objekte haben sozusagen zwei sich abwechselnde Zustände: einen härteren, amorphen bei niedrigen Temperaturen und einen weichen, gummiartigen bei höheren. Die Druckerzeugnisse können in einer veränderten Form bei Zimmertemperatur „eingefroren“ werden und nehmen bei Erwärmung ihre ursprüngliche Form wieder an.

Die Technologie ist so sensibel, dass sie auf Mikrometer genau komplexe Formen drucken kann. Das ist ein Zehntel der bisher gedruckten kleinsten Objekte. Bei dieser Größe läuft die Formänderung im Bruchteil einer Sekunde ab, hofft Nicholas X. Fang, Professor für Maschinenbau am MIT: „Wenn wir in immer kleinere Dimensionen vordringen, könnten wir bald Reaktionszeiten von wenigen Millisekunden beobachten.

Möglich wird das durch die sogenannte Mikrostereolithografie. Dabei werden während der Auftragung der einzelnen Polymer-Schichten per Licht bestimmte Muster in diese eingebrannt. Fang erklärt das so: „Wir drucken mit Licht, Schicht um Schicht. Es ist fast wie beim Zahnarzt, wenn Abbildungen der Zähne gemacht und Löcher gefüllt werden, bis auf die Tatsache, dass wir hochauflösende Linsen verwenden, die aus der Halbleiterindustrie stammen." Daraus resultieren komplizierte Teile in Größen, die mit dem Durchmesser eines menschlichen Haars vergleichbar sind.

Ansätze für speichernde Polymere

„Unsere Methode ermöglicht nicht nur 4D-Druck auf einer Mikrometerskala“, sagt Qi Ge, einer der beteiligten Wissenschaftler. „Sie bietet auch Ansätze, um Form speichernde Polymere zu drucken, die bis auf das zehnfache der Größe von mit herkömmlichen 3D-Druckern gedruckten Objekten gestreckt werden können.“

Dadurch öffnet der 4D-Druck eine Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten. Zum Beispiel gedruckte medizinische Geräte, die, einmal in den Körper eingesetzt, bei Anzeichen eines Fiebers ihre ursprüngliche Form einnehmen und eine Dosis eines bestimmten Medikaments im Körperinneren freisetzen.

Oder eben in Solaranlagen, die sich nach der Sonneneinstrahlung richten und über die Zeit ihre Ursprungsform wieder einnehmen. Nach Osten ausgerichtet fangen sie so schon bei Sonnenaufgang das erste Licht ein und drehen sich mit zunehmender Hitze dem Lauf der Sonne entsprechend bis zu deren Untergang nach Westen.

Erste Tests vielversprechend

Die ersten gedruckten Objekte, zum Beispiel ein Mini-Eiffelturm, konnten in Tests bis auf das dreifache ihrer Größe gestreckt werden. Anschließend verharrten sie in dieser Form und nahmen bei Erwärmung die ursprüngliche Kontur an. Das Team aus Wissenschaftlern hat für das Projekt das richtige Material eigens entwickelt: einen Misch-Kunststoff, der aus Komponenten mit verschiedener Polymerlänge besteht.

Der 4D-Druck muss seine Vorteile selbstverständlich erst noch in der Praxis beweisen. Die Fortschritte, die die Forscher von MIT und SUTD gemacht haben, klingen jedoch vielversprechend und brechen die bisherigen Grenzen des 3D-Drucks. Mit anderen Worten: Sie verbessern den 3D-Druck – um eine weitere Dimension.

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