Energieverbrauch Transparenz schafft Effizienz

Eine Heizkostenabrechnung in Echtzeit? Die Energiewende würde es voranbringen, wie Dena-Chef Stephan Kohler und Ista-CEO Walter Schmidt schreiben.

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Ein Gastbeitrag von Stephan Kohler, Chef der Deutschen Energie-Agentur (Dena), und Walter Schmidt, CEO von Ista International, Dienstleister für die Erfassung und Abrechnung des Energieverbrauchs mit Sitz in Essen.

Auch im dritten Jahr nach Fukushima bestimmt das Thema „Strom“ die Diskussion zur Energiewende: Die Politik debattiert intensiv über den Ausbau der erneuerbaren Energien, die damit verbundenen Kosten, die Notwendigkeit des Netzausbaus und die Zukunft fossiler Kraftwerke. Dabei wird aber oft vernachlässigt, dass das Großprojekt Energiewende nur dann gelingen kann, wenn die Verbraucher parallel zum Ausbau neuer Erzeugungsarten auch nachhaltig und in großem Stil Energie eingesparen.

Die Energiewende muss deshalb insbesondere auch eine Wärmewende sein, denn allein die Erzeugung von Heizwärme und Warmwasser in Gebäuden macht rund 35 Prozent des gesamten Endenergieverbrauchs in Deutschland aus. Hier liegt ein immenses Effizienzpotenzial brach, das nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich erschlossen werden muss: Denn ein geringerer Energieverbrauch lohnt sich für Eigentümer und Mieter sowie für die Volkswirtschaft insgesamt.

Dass die Wärmewende insbesondere die privaten Haushalte betrifft, machen folgende Zahlen deutlich: Der Anteil von Heizung und Warmwasser am Gesamtenergieverbrauch privater Haushalte liegt bei 80 Prozent. Seit Mitte der 1990er Jahre sind die Kosten für Heizenergie aber um fast 160 Prozent gestiegen. Die Kosten für Heizung und Warmwasser können damit völlig zu Recht als „zweite Miete“ bezeichnet werden.

Dabei sind vor allem die Möglichkeiten für Mieter begrenzt, etwas gegen die steigenden Preise zu tun. Sie können nur schwerlich in eine dichte Gebäudehülle oder effiziente Anlagentechnik investieren. In der Optimierung des eigenen Heizverhaltens liegt aber ein bislang zu wenig beachtetes Effizienzpotenzial, das es auszuschöpfen gilt.

Verbraucher wollen mehr InformationenNur logisch ist es, dass Mieter ihren Energieverbrauch und die Kosten nur senken können, wenn sie genau wissen, wie viel Energie sie verbrauchen. Die bisherige Praxis der jährlich übermittelten Heizkostenabrechnung ist für ein eigenes Energiemanagement der Mieter nur bedingt geeignet.

Das belegt auch eine aktuelle Forsa-Umfrage im Auftrag von Ista. Demnach mangelt es drei Viertel der deutschen Verbraucher an exaktem Wissen über das eigene Heizverhalten und den damit verbundenen Kosten. Zugleich wünschen sich 65 Prozent der Verbraucher mehr als einmal im Jahr Informationen zu ihrem Wärmeverbrauch.

Auf politischer Ebene ist dieser Wunsch auch schon angekommen. Eine Ausweitung der Verbraucherinformation sieht die 2012 in Kraft getretene EU-Energieeffizienzrichtlinie vor, wonach Mieter neben der jährlichen Abrechnung der Energiekosten mehrmals pro Jahr in nachvollziehbarer Weise Informationen über ihr individuelles Wärmeverhalten erhalten sollen.

Pilotprojekt für mehr TransparenzGenau hier setzt das Modellvorhaben “Bewusst heizen, Kosten sparen“ an, das die Dena und Ista gemeinsam mit dem Deutschen Mieterbund und dem Bundeministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) im Herbst 2013 gestartet haben. Im Mittelpunkt des Projekts steht die Überprüfung der Einsparmöglichkeiten für Wärmeenergie durch Nutzung eines Energiedatenmanagements in Mietwohnungen in den drei Modellregionen Essen, Berlin und München.

Bei dem von Ista entwickelten Energiedatenmanagement handelt es sich um eine Dienstleistung, bei der die Nutzer über ein Online-Portal jederzeit Einblick in ihren aktuellen Wärmeverbrauch nehmen können. Es basiert auf der Erfassung des individuellen Verbrauchs über speziell installierte Zähler, die Daten per Funk an Ista übermitteln.

Die Nutzer erhalten über ein Webportal oder per Post Zugang zu ihren Verbrauchsdaten, die auch die unterschiedlichen Wetterverhältnisse einberechnen und monatlich aktualisiert werden. Damit können die Mieter ihren aktuellen Verbrauch mit dem Verbrauch aus dem Vormonat oder auch mit dem Durchschnittsverbrauch der Wohnungen im Haus vergleichen.

Derzeit nutzen mehr als 140 Mieterhaushalte in drei Modellregionen das Angebot. Das Projekt gibt den Mietern in München, Berlin und Essen auch die Möglichkeit, eine Heizkostenberatung in Anspruch zu nehmen. Die Auswertung der Verbrauchsdaten der Teilnehmer zum Ende der ersten Heizperiode (Oktober 2013 bis April 2014) kann sich sehen lassen: Gegenüber den nicht-teilnehmenden Mietern sparten sie im Durchschnitt neun Prozent Heizenergie ein – und das allein aufgrund eines veränderten Nutzerverhaltens. Manche drehen die Heizung weniger hoch, lüften anders oder stellen sie ab, wenn sie die Wohnung verlassen.

Mieter haben MehrwertEine Teilnehmerumfrage bestätigte die Werte: 80 Prozent der Haushalte sind demnach davon überzeugt, dass sie selbst durch ihr Verhalten zu Einsparungen beitragen können. Zugleich belasten die Heizkosten in zwei Dritteln der Fälle die Haushaltskasse mittel bis stark und damit mit mehr als fünf Prozent des Einkommens. Entsprechend sind die meisten Nutzer sowohl mit dem Projekt als auch mit dem Energiedatenmanagement sehr zufrieden. So wollen 94 Prozent der Befragten grundsätzlich die Nutzung des Energiedatenmanagements ihren Freunden, Kollegen oder Bekannten empfehlen.

Nahezu alle Teilnehmer geben an, dass die Nutzung des Energiedatenmanagements zu mehr Wissen und zu einer besseren Kontrolle über Verbrauch und Kosten geführt hat. Fast zwei Drittel sind davon überzeugt, dass sie ihren Wärmeverbrauch dadurch gesenkt haben. Dieses Ergebnis spiegelt sich auch in den realen Verbrauchswerten wider, da 60 Prozent der Teilnehmer ihren Verbrauch sogar um mehr als zehn Prozent verringern konnten.

Die Ergebnisse zeigen: Wer mehr über seinen Energieverbrauch weiß, spart Energie. Transparenz und Effizienz gehen also Hand in Hand. Um die Langzeitwirkung von mehr Transparenz beim Verbrauch zu überprüfen, läuft das Modellvorhaben noch bis Mitte 2016. Wir sind zuversichtlich, dass sich das erste Zwischenergebnis in den kommenden zwei Jahren bestätigen wird. Ein Plus an Transparenz scheint angesichts der weiter steigenden Energiepreise unverzichtbar. Ein schöner Nebeneffekt: Die Verbraucher erhalten mit den Informationen zum eigenen Heizverhalten die Chance, aktiv zum Erfolg der Energiewende beizutragen.

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