Das hat Folgen. Laut der Internationalen Energieagentur (IAE) erreichten die CO2-Emissionen vergangenes Jahr einen neuen Rekord. Sie stiegen um 400 Millionen Tonnen oder 1,4 Prozent auf 31,6 Milliarden Tonnen. "Wir verlieren unser Ziel aus den Augen, die Erderwärmung auf höchstens zwei Grad zu begrenzen", warnt der IEA-Chefökonom, Faith Birol.
So flammt der Disput um die Nutzung der Kernenergie wieder auf – in neuem Gewand. Machten sich ihre Befürworter bisher mit den Argumenten billigen Stroms und hoher Versorgungssicherheit für sie stark, ziehen sie jetzt die Umweltkarte.
Selbst in Europa gewinnen die Atommeiler neue Freunde: Trotz des Vetos von Bundeskanzlerin Angela Merkel will die EU-Kommission die Förderung von Kernenergie wieder erlauben.
Ist die gefürchtete Atomenergie am Ende gar der Schlüssel für eine bezahlbare, sichere und klimaschonende Energieversorgung – von China bis Südafrika?
Tief sitzende Skepsis
Die Atombefürworter wissen genau, dass sie gute Argumente brauchen, um die tief sitzende Skepsis vieler Menschen gegenüber dieser Technologie auszuräumen. Denn der Reaktor-GAU im japanischen Kernkraftwerk Fukushima hat der Welt im Juli 2011 noch einmal drastisch vor Augen geführt, welche katastrophalen Folgen es hat, wenn die entfesselte atomare Spaltung außer Kontrolle gerät.
Genau an diesen Ängsten setzen die Atomkraftbefürworter an. Sie werben mit neuen Reaktorkonzepten um Vertrauen. Diese, versichern Experten wie Antonio Hurtado von der Uni Dresden, würden den Super-GAU einer Kernschmelze wie in Fukushima ausschließen. "Es ist möglich, sichere Kernkraftwerke zu bauen."
Und das ist nicht die einzige Verheißung. Die modernen Atommeiler wandeln – wie ihre Vorgänger – die bei der Kernspaltung entstehende Wärme in Dampf um, der wiederum eine Turbine für die Stromerzeugung antreibt. An diesem Prinzip hat sich nichts geändert. Sie sollen jedoch zugleich die Menge des Nuklearmülls reduzieren und ihn zu Teilen in weniger radioaktive Bestandteile umwandeln. Die ungelöste Endlager-Problematik würde auf diesem Weg entschärft; das nukleare Höllenfeuer verlöre einen Teil seines Schreckens.
Innovationen aus Deutschland
Doch sind solche Reaktoren der vierten Generation tatsächlich so sicher, wie ihre Erfinder behaupten? Was kostet ihre Entwicklung? Und: Wann wären sie frühestens einsatzbereit?
Eine der spektakulärsten Neuentwicklungen kommt ausgerechnet aus Deutschland: der Dual Fluid Reaktor (DFR). Ihm haben sich Physiker des privaten Instituts für Festkörper-Kernphysik (IFK) in Berlin verschrieben. Die Idee solcher Flüssigsalzreaktoren wurde in den Fünfzigerjahren Jahren geboren – und teilweise getestet.
Das Besondere an diesem Reaktortyp: Er wird nicht mit festen Brennstäben bestückt. Der Brennstoff, aufbereitete Uransalze, fließt stattdessen in einer Schmelze durch den Reaktorraum. Sie transportiert die Hitze von einigen Hundert Grad Celsius, die durch die Kernspaltung entsteht, zu einem Wärmetauscher, der heißen Dampf für die Stromproduktion erzeugt.