Sicher, ein Fortschritt. Aber die Probleme bei der Integration reichen noch weiter. So lässt sich das Erfolgsrezept von Scania, aktuell der profitabelste Lkw-Hersteller der Welt, nicht einfach auf MAN übertragen. Das Produktportfolio der Münchner ist deutlich breiter. Sie stellen auch mittelschwere Lkws her, die weniger Marge abwerfen. Das Busgeschäft, in dem MAN stärker ist als Scania, schwächelt obendrein seit fünf Jahren.
Scania hat bei Trucks ab zwölf Tonnen seine profitable Nische auf dem europäischen Markt gefunden. Mit dem Claim „König der Straße“ ziehen die Schweden vor allem die klassischen Ein-Mann-Betriebe an, die im eigenen Truck für mehrere Kunden auf Achse sind. Wer selbst fährt, gönnt sich mehr. Scania kann daher höhere Preise durchsetzen. Doch das Wachstum in diesem Segment ist begrenzt.
Die Marktanteile der fünf größten Lkw-Marken
Daimler-Freightliner: 29 Prozent
Navistar International: 16 Prozent
Ford: 15 Prozent
Paccar Kenworth: 11 Prozent
Paccar Peterbilt: 8 Prozent
Sonstige: 21 Prozent
Werte gerundet und inklusive erwarteter Marktanteile für 2014
Quelle: IHS Automotive
Volkswagen: 20 Prozent
Mercedes-Benz: 20 Prozent
Volvo: 12 Prozent
Ford: 12 Prozent
VW-Scania: 10 Prozent
Sonstige: 26 Prozent
Werte gerundet und inklusive erwarteter Marktanteile für 2014
Quelle: IHS Automotive
Mercedes-Benz: 23 Prozent
VW MAN: 17 Prozent
Paccar DAF: 15 Prozent
Volvo: 11 Prozent
Iveco: 11 Prozent
Sonstige: 23 Prozent
Werte gerundet und inklusive erwarteter Marktanteile für 2014
Quelle: IHS Automotive
Mercedes-Benz: 15 Prozent
Kamaz: 15 Prozent
VW MAN: 9 Prozent
Volvo: 9 Prozent
VW-Scania: 8 Prozent
Sonstige: 44 Prozent
Werte gerundet und inklusive erwarteter Marktanteile für 2014
Quelle: IHS Automotive
Dongfeng: 16 Prozent
FAW Jiefang: 11 Prozent
CNHTC: 10 Prozent
Foton-Daimler: 9 Prozent
Tata: 8 Prozent
Sonstige: 46 Prozent
Werte gerundet und inklusive erwarteter Marktanteile für 2014
Quelle: IHS Automotive
Denn der weitaus größere Teil der Lkws geht an Flotten riesiger Logistikunternehmen. Für sie ist beim Kauf in erster Linie wichtig, wie viel ein Fahrzeug über seinen gesamten Nutzungszeitraum pro Kilometer oder pro Tonne Nutzlast kostet. Jörg Gnamm, Partner und Nutzfahrzeugexperte beim Beratungshaus Bain & Company: „Das Image der Lkw-Marke beeinflusst im Vergleich zu Nutzwert oder Service immer weniger die Kaufentscheidung.“ Das sei in den vergangenen 20 Jahren klar zu erkennen, in denen die Berater regelmäßig Geschäftsführer, Trucker und Einkaufsmanager zu Kaufentscheidungen befragt haben.
Der Trend geht von Hard- zu Software
Für die Lkw-Hersteller wird daher das Geschäft nach dem Verkauf immer wichtiger. Scania und Daimler ist es besonders gut gelungen, Kunden über umfassende Rundum-sorglos-Pakete an sich zu binden. Dazu zählen nicht nur Inspektionen oder die Versorgung mit Originalersatzteilen, sondern weitreichende technische Lösungen, mit denen Logistikunternehmer bares Geld sparen. Für Sebastian Gundermann, Partner bei der Beratung Roland Berger in München, geht der Trend von der Hard- zur Software: „Integrierte Telematiksysteme und Flottenlösungen sind die Dienstleistungen, über die Lkw-Hersteller ihren Kunden echten Mehrwert bieten und sich damit von anderen Hersteller abgrenzen können.“
Östling sieht das ähnlich. Seiner Schätzung nach könne sich der Umsatzanteil des Dienstleistungsgeschäfts in der VW-Nutzfahrzeugsparte „von heute 20 bis 25 Prozent in zehn Jahren auf etwa 35 Prozent erhöhen“. MAN habe in dem Bereich noch Potenzial, umschreibt der scheidende Chef diplomatisch den Rückstand des Münchner Konzerns.
Damit nicht genug. Die VW-Leute müssen dringend Lücken auf der Weltkarte schließen, wenn sie schneller wachsen wollen. So führt kein Weg an einer Akquisition auf dem nordamerikanischen Markt vorbei. Denn auch hier ist Daimler den Wettbewerbern mit Marken wie Western Star und Freightliner weit voraus (siehe Grafik Seite 78). Gerüchte, nach denen VW sich den US-Konzern Paccar – zu dem in Europa die Marke DAF zählt – einverleiben will, wurden dementiert. Die Risiken einer solchen Übernahme sind VW bewusst, denn der amerikanische Markt tickt völlig anders als der europäische. Die US-Trucker bevorzugen Laster mit langer Motorhaube.
Aufgrund der Limitierung der Gesamtlänge sind die Langhauber in Europa selten, die Fronthauber Standard: Fahrerkabine und Motor sind hier eine Einheit. Und über die technischen Details der Lkws bestimmen auf dem US-Markt weniger die Hersteller als große Leasing- und Mietfirmen, die die Hälfte aller Trucks einkaufen.