Niedergang des Medienriesen Bertelsmann droht der Abstieg

Europas größter Medienkonzern Bertelsmann hat die digitale Wende noch nicht geschafft. Bei der Suche nach neuen Wachstumsbringern läuft Vorstandschef Thomas Rabe die Zeit davon.

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Dem Medienriesen Bertelsmann droht der Abstieg in die zweite Liga. Quelle: AP/dpa

Krasser könnte der Kontrast kaum sein. Auf der einen Seite der Koloss Bertelsmann mit einem Umsatz von mehr als 16 Milliarden Euro, fast 112 000 Mitarbeitern, 180 Jahren Historie auf dem Buckel und Herr über Medienhäuser wie RTL, Gruner + Jahr und Penguin Random House, den größten Buchverlag der Welt.

Auf der anderen Seite Vice Media, ein Name, den Menschen über 30 nur in Ausnahmefällen kennen. Vice Media veröffentlicht ein Szene-Magazin mit Ablegern in fast 40 Ländern, bespielt ein Dutzend Online-Portale, produziert Filme, betreibt eine Werbeagentur, ein Musiklabel und kooperiert mit dem US-Bezahlsender HBO. Hauptquartier ist ein altes Lagergebäude in Williamsburg, einem Stadtteil von Brooklyn, New York.

Bertelsmann in Zahlen

Das kleine Imperium in Sichtweite der Hochhaustürme von Manhattan formte Gründer Shane Smith innerhalb von 20 Jahren aus einer Punk-Postille. Die Schöpfung des 45-Jährigen ist heute 2,5 Milliarden Dollar wert. Während Bertelsmann den Umsatz zuletzt um zwei Prozent steigern konnte, gehört Vice zu den am schnellsten wachsenden Medienunternehmen der Welt.

Mit einer überraschenden Mischung aus Reportagen über Wall-Street-Banker und Nordkoreas Diktator Kim, Nachrichten und Lifestyle lockt Vice im Monat 150 Millionen junge Leser und Zuschauer an – eine begehrte Werbe-Zielgruppe für Konsumgüterkonzerne. Den Umsatz beflügelte das auf eine halbe Milliarde Dollar. Vor Kurzem füllten Investoren Smiths Kriegskasse mit 500 Millionen. „Wir werden ein paar große Deals erleben“, sagte Smith, ein Börsengang ist möglich.

Der Erfolg des Kanadiers lockt die Großen der Branche: News Corp. ist bereits mit fünf Prozent beteiligt, Time Warner und Disney umkreisten Vice wie Haie. Und auch Bertelsmann machte Vice offenbar Avancen: „Alle sind sie hinter uns her“, tönte Smith.

Vice hat, was Bertelsmann fehlt

Doch das Großmaul aus dem Hipster-Viertel, das gern über die Langsamkeit traditioneller Medienhäuser herzieht, nach eigenem Bekunden früher soff wie ein Loch und keiner Party aus dem Weg ging, und das nüchterne, aus einer Gesangbuch-Druckerei hervorgegangene Traditionsunternehmen aus Gütersloh – es gibt kaum zwei Welten, die einander fremder wären. Dabei hätte der tätowierte Ex-Punk Smith Bertelsmann gutgetan. Er hat, was den Ostwestfalen fehlt: Momentum. Smith reitet auf einer Erfolgswelle.

Umsätze der größten Medienkonzerne der Welt

Bertelsmann dagegen sucht unter dem Zahlenartisten Thomas Rabe nach Wachstumstreibern, nach Geschäften, die den Umsatz auf die 20 Milliarden Euro hieven könnten, die der ehrgeizige Vorstandschef bis 2017 als Ziel ausgerufen hatte. Mittlerweile peilt Rabe 2019 an.

Denn Versäumnisse aus der Vergangenheit und die Sorge der Eigner-Familie Mohn, die Kontrolle über ihren Konzern zu verlieren, setzen ihm beim Umsteuern auf den Digitalisierungskurs Grenzen. Bislang agiert der gebürtige Luxemburger eher im Stil eines geschickten Portfolio-Managers, der optimiert und sortiert. Was Rabe für die verbleibenden zwei Jahre seiner Vertragslaufzeit aber braucht, sind Stimmungsaufheller, Stimulanzien, die dem Konzern zeigen, dass es vorangeht.

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