Betriebsratsbezahlung Ein Karriereverbot für Betriebsräte wäre fatal für die Unternehmen

Vergütung für Betriebsräte: Werden ArbeitnehmervertreterInnen künftig von der Gehaltsentwicklung ausgeklammert? Quelle: imago images

Werden Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter künftig von der Job- und Gehaltsentwicklung ausgeschlossen? Dann kandidieren nur noch Frustrierte, die mit Karriere und beruflicher Zukunft abgeschlossen haben. Ein Kommentar.

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Eine fiktive Karriere ist keine Begründung für das hohe Gehalt eines Betriebsrats. Das ist die neue Linie, mit der das Urteil des Landgerichts Braunschweig kürzlich für Aufsehen gesorgt hat. Im konkreten Fall ging es um den überbezahlten Ex-VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh, dessen Salär die Richter auf finanzielles Normalmaß zurechtgestutzt haben. Osterloh hätte demnach nicht bis zu 750.000 Euro, sondern wie vor seiner Betriebsratszeit nur 50.000 Euro pro Jahr verdienen dürfen. Und die VW-Manager, die ihm über fiktive Beförderungen so viel mehr gewährten, haben sich demnach der Untreue strafbar gemacht.

Fürs Bauchgefühl mag das noch nicht rechtskräftige Urteil gut sein. Für die Unternehmen in Deutschland wäre es langfristig schlecht, wenn sie sich an diese Vorgabe halten müssten.

Denn im Interesse der Unternehmen und ihrer Belegschaften ist es, dass sich für den Betriebsrat Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Wahl stellen, die im eigenen Berufsweg und im Unternehmen noch Entwicklungsmöglichkeiten sehen – und nutzen wollen. Also zuversichtliche und dynamische Persönlichkeiten. Auf die nämlich sind Unternehmer und Manager angewiesen, wenn sie mit den Arbeitnehmervertretungen über die Umsetzung strategischer Entscheidungen in oft existenziell schwieriger Lage verhandeln.

Würde das Urteil aus Braunschweig konsequent in der gesamten deutschen Wirtschaft angewandt, dann dürfte der positiv denkende Typus aus den Arbeitnehmervertretungen nach und nach verschwinden. Dann zahlen Unternehmen ihren Betriebsräten nur noch Tarifsteigerungen, ermöglichen ihnen darüber hinaus aber keinerlei Karriere- und Gehaltsentwicklung, weil es unter Strafandrohung verboten ist. Vorzugsweise stellen sich dann Frustrierte zur Wahl, die mit Karriere, Chancen und beruflicher Zukunft abgeschlossen haben, ihre Besitzstände schützen und sie mit dem erweiterten Kündigungsschutz für Betriebsräte zusätzlich absichern.

Fatal wäre das nicht für ein paar Großkonzerne in Auto- und Montanindustrie. Fatal wäre das bis weit in den gehobenen Mittelstand hinein, weil auch dort der frühere Schlosser nach 20 Jahren Betriebsratsführung nicht mehr wie ein Schlosser bezahlt wird. Auch dort bleiben Betriebsräte nicht jahrzehntelang auf ihren ursprünglichen Gehältern kleben. Fiktive Karriereentwicklungen als Grundlage für die Bezahlung führender Betriebsräte sind seit Jahrzehnten ein bewährtes und gut begründetes Instrument in der deutschen Wirtschaft. Mit Augenmaß angewandt, sind sie nicht so fragwürdig wie im Extremfall Osterloh.

Bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die Revisionsanträge warten nun erst einmal alle ab und halten still. Kein Personalverantwortlicher will eine weitere Klage wegen Untreue riskieren. Erst einmal herrscht also Unsicherheit in den Unternehmen. Das muss nicht einmal schlecht sein, weil Übertreibungen wie bei VW dem Sinn der Sache schaden. Das Pendel jetzt aber ins andere Extrem ausschlagen zu lassen, ist kontraproduktiv.

Gebraucht werden gerade jetzt in Krisenzeiten Maß und Pragmatismus – keine BR-Gremien, in denen sich perspektivlos-defensive Mann- und Frauschaften versammeln.

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