Bewerbung mit Gewissensfrage Wie umstrittene Unternehmen Talente finden

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Rüstungskonzerne müssen Stellenanzeigen anonymisieren

Diageo, Hersteller hochprozentiger Alkoholika, wurde in der Vergangenheit sogar von Absolventenmessen ausgeladen, Rüstungshersteller Diehl Defence erging es ähnlich. Die Bundeswehr muss mitunter die Teilnahme an solchen Veranstaltungen absagen, weil Studenten Proteste ankündigen.

Entsprechend schwierig ist die Ansprache junger Talente. Anonymisierte Stellenanzeigen sind immer noch verbreitet – hinter dem Traineeprogramm eines „großen deutschen Fahrzeugherstellers“ steckt gerne mal ein Rüstungskonzern.

Die beliebtesten Arbeitgeber von Managern

Auch Headhunter Gemmeke nennt die Namen seiner Auftraggeber meist erst beim direkten Treffen mit den Kandidaten. Dann aber diskutiert er offen, auch über ethische Fragen: Sind Waffen per se schlecht? Ist die wachsende Weltbevölkerung ohne gentechnisch verändertes Saatgut zu ernähren? Sind Tierversuche vertretbar, wenn es um die Herstellung von potenziell lebensrettenden Medikamenten geht? „Ich muss auf beiden Seiten werben“, sagt der Personalexperte. „Die Talente müssen sich neuen Sichtweisen öffnen. Und die Unternehmen müssen zulassen, dass auch über die Schattenseiten ihrer Branche geredet wird.“

Die Waffenindustrie wird beliebter

Das fällt beiden Seiten immer noch schwer. Auch gegenüber der WirtschaftsWoche reagieren viele Konzerne schmallippig. Die Personalerin eines Zulieferbetriebs der Rüstungsindustrie zum Beispiel würde gerne über ihre Erfahrungen berichten. Doch die Pressesprecher untersagen das Gespräch.

Tatsächlich gelingt es aber gerade der Waffenindustrie, viele Absolventen zu faszinieren: Sie punktet mit guter Bezahlung und einer Tätigkeit im Hightechbereich. Konzerne wie Rheinmetall – Hersteller von Automobiltechnik, aber auch von Panzern, Waffen und Munition – klettern deshalb seit Jahren in den Beliebtheitsrankings nach oben. Die Beratungsgesellschaft Universum etwa listet das Unternehmen bei den Studenten der Ingenieurwissenschaften bereits auf Platz 55 – binnen drei Jahren ein Sprung um zehn Plätze. Bei den Berufserfahrenen erringt Rheinmetall sogar Rang 29.

Vor zwei Jahren hat Rheinmetall Defence seine Strategie im Personalmarketing überarbeitet und ist seitdem offener, auch gegenüber den Bedenken der Interessenten. „Wir wollen keine Waffennarren beschäftigen“, sagt Unternehmenssprecher Oliver Hoffmann, „genauso wenig wie Mitarbeiter, die sich als reine Techniker sehen, die also an unseren Produkten herumschrauben, ohne sich zu fragen, welche Verantwortung sie tragen.“

Auch Buchhalter tragen moralische Verantwortung

Auf Jobmessen diskutieren die Personaler seit der Öffnung viel mit Absolventen. Die interessiert vor allem, in welche Länder Rheinmetall Defence exportiert, aber auch, welche persönliche Einstellung die Mitarbeiter am Infostand zur Rüstung haben. Gleichzeitig stehen Ingenieure bereit, die Absolventen für die technischen Aspekte des Jobs faszinieren wollen oder sie zu Probefahrten in Spezialfahrzeugen und einem Training im Simulator einladen.

Rheinmetall suche gezielt Absolventen, die sich bewusst mit dem Thema Rüstung auseinandersetzen, so Hoffmann. „Sie sollten prüfen, ob sie die Arbeit für sich verantworten und auch damit umgehen können, dass manche Menschen die Branche kritisch sehen.“ Das sei wichtig, damit die Mitarbeiter das Unternehmen auch nach außen vertreten können. „Wer sich da unsicher fühlt, deckt vielleicht im Freundeskreis den Mantel des Schweigens über seinen Job – damit wird niemand glücklich.“

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