Die Zahlenfrau
Quelle: dpa

Diese 5 Themen werden massiv beschleunigt

Die Coronakrise ist ein Experiment, auch in der Arbeitswelt. Bis vor zwei Monaten hatten viele Firmen das dezentrale Arbeiten schon mal geübt, dann kam Corona – und auf einmal geht alles rasend schnell.

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Wer hätte vor zwei Monaten gedacht, dass Büroberufe fast flächendeckend aus dem Homeoffice erledigt werden können. Das Experimentieren mit Arbeitszeiten und Arbeitsorten zeigt, dass vieles geht, was nicht für möglich gehalten wurde, und dass Corona wenigstens mit Blick auf die Arbeitswelt keine Katastrophe ist.

Arbeitgeber und -nehmer stellen fest, dass es mit dem dezentralen Arbeiten eigentlich ganz gut klappt (mal abgesehen von der Kinderbetreuung im Homeoffice) und dass Mitarbeiter, die im Homeoffice gerne und produktiv arbeiten, auch in Zukunft mehr Flexibilität verdienen.

Durch Corona rückt nicht nur das „Was“, sondern auch das „Wie“ stärker in den Mittelpunkt. Gerade Unternehmen, in denen es mit der dezentralen Arbeit noch nicht so optimal läuft, stehen jetzt vor der dringenden Frage, wie ihr Plan zur Fortführung der Geschäftstätigkeit künftig aussehen wird. Viele Unternehmen stellen fest, dass vor allem digitale Themen kritisch für ihre Geschäftsfähigkeit sind.

Gemeinsam mit Chris Bartz, Vorsitzender des FinTechRats und CEO von Elinvar, habe ich fünf Punkte notiert, die durch Corona massiv beschleunigt werden und die eher früher als später von jedem Unternehmen bewältigt werden müssen.

1. Technische Infrastruktur und Ausstattung

Lokale Infrastrukturen sind das größte Hindernis beim dezentralen Arbeiten. Nur wenn alle von überall mit jedem Gerät auf dieselben Daten, Prozesse und Dienste zugreifen können, läuft das Geschäft auch außerhalb des Büros – Industrien wie das produzierende Gewerbe, der Handel oder die Gastronomie mal ausgenommen. Vielen Unternehmen war das schon vor Corona bewusst: Im letzten Jahr nutzten bereits 73 Prozent aller deutschen Firmen Cloud-Services.

Die Cloud ist der Schlüssel zum ortsunabhängigen Erfolg. Wie der Cloud-Monitor 2019 des Branchenverbands Bitkom zeigt, bezeichneten noch im letzten Jahr viele Unternehmen die „schnelle Skalierbarkeit ihrer IT-Leistungen“ als größten Vorteil von Public Clouds. Auf dem zweiten Platz steht der „ortsunabhängige Zugriff auf die IT“. Diese Reihenfolge dürfte sich inzwischen geändert haben.

Zum reibungslosen, dezentralen Arbeiten gehört auch die passende technische Ausstattung. Wir haben gerade erlebt, dass viele Firmen nicht genügend mobile Endgeräte für alle Mitarbeiter zur Verfügung stellen konnten. Der Desktop-PC lässt sich nur schwer vom Büro nach Hause schleppen.

2. Daten- und IT-Schnittstellen

Schon 2002 ließ Jeff Bezos seine Mitarbeiter wissen: Jeder Developer wird gefeuert, der seine Lösungen nicht so entwickelt, dass auch Dritte sie jederzeit nutzen können.

Damit der Austausch von Daten und Services reibungslos läuft – eine der Grundvoraussetzungen fürs dezentrale Arbeiten –, müssen alle Anwendungen mit Schnittstellen programmiert sein. Unternehmen, die in Schnittstellen oder Microservices denken, können einzelne Bauteile ihres Systems austauschen und müssen nicht immer wieder ans ganze System ran.

Betriebe, die jetzt überlegen, wie sie ihre IT schneller als geplant digitalisieren, sollten dennoch Ruhe bewahren und überlegen, wie sie eine saubere Organisation der IT-Architektur sicherstellen können, anstatt einfach am alten System weiterzubasteln. Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch die Frage: Was will ich selbst machen und für was suche ich mir Partner, die mein Baukastensystem mit eigenen Lösungen komplettieren?

3. Datenschutz

Keine Daten ohne Datenschutz. Im Cloud-Monitor geben 90 Prozent der befragten Unternehmen an, dass die „Konformität mit DSGVO“ für sie das wichtigste Kriterium bei der Auswahl eines Cloud-Providers ist.

Bei der Digitalisierung deutscher Unternehmen spielen Datenschutzbedenken eine zentrale Rolle, nicht nur in Bezug auf Cloudlösungen. Obwohl die DSGVO nun schon zwei Jahre alt ist, sind sich viele Entscheider unsicher, was genau zu berücksichtigen und beherzigen ist.

Derzeit wird die DSGVO noch zu uneinheitlich umgesetzt. Sechzehn verschiedene Landesdatenschutzbeauftragten liefern sechzehn verschiedene Auslegungen. Das ist nicht sinnvoll oder zeitgemäß und muss sich dringend ändern, um die Unsicherheit in Unternehmen nicht noch stärker zu schüren. Meist ist mehr erlaubt, als man denkt.

von Konrad Fischer, Jürgen Salz, Nora Schareika, Christian Schlesiger, Saskia Eversloh

4. Digitalkompetenz der Mitarbeiter

Vor Corona hieß es oft „Wir haben zwar Geld, aber keine Zeit für eine Weiterbildung“. Viele Unternehmen erkennen jetzt, wie kritisch die Digitalkenntnisse ihrer Mitarbeiter für den Geschäftserfolg sind. Eine moderne IT-Infrastruktur ist schön und gut, aber wenig wert ohne Mitarbeiter mit ausreichender Digitalkompetenz.

Kollegen, die momentan nicht im gewohnten Umfang arbeiten können, bietet sich die Chance, die Krisenzeit gezielt zur Weiterqualifizierung zu nutzen. Betriebe und Beschäftigte ohne dickes Weiterbildungsbudget können auf Förderungsmöglichkeiten zurückgreifen, etwa im Rahmen des Qualifizierungschancengesetzes. Viele Weiterbildungsmaßnahmen werden als Online-Trainings angeboten und können aus dem Homeoffice erledigt werden.

5. Führungs- und Unternehmenskultur

„Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“, das inoffizielle Homeoffice-Motto vieler Chefs vor der Coronakrise. Als Führungskräfte von Technologieunternehmen wissen wir, dass sich das fachliche Know-how in den Teams bündelt, nicht im Chefbüro. Dementsprechend sollte den Teams zuzutrauen sein, ihre Arbeitszeit und Arbeitsweise größtenteils selbst zu organisieren. Um mit der Digitalisierung Schritt zu halten, müssen vertikale Management-Strukturen durch kollaboratives Arbeiten abgelöst werden.

Wie praktisch: Kollaborationstools wie Slack oder Microsoft Teams sind auf einmal in jedem Haushalt bekannt. Videokonferenzen via WebEx oder Skype erweisen sich als zeitsparende Alternativen zu endlosen Büromeetings. Das wird auch nach Corona nicht in Vergessenheit geraten und die ein oder andere Unternehmenskultur im Schnellverfahren modernisieren.

Auch in der Eile einen kühlen Kopf bewahren

Zweifellos werden viele Prozesse und Themen durch Corona stark beschleunigt. Trotzdem sollten Entscheidungen jetzt nicht überhastet getroffen werden, damit später niemand bereut, was er nun beschließt. Der Fahrplan für eine digitale Zukunft sollte in „guten Zeiten“ ausgearbeitet werden und nicht erst in Extremsituationen, die einem keine andere Wahl lassen. Es wäre schön, wenn diese Erkenntnis künftig in deutlich mehr Unternehmen ankommt.

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