Essen unter Druck "Viele Menschen leiden an Nasch-Demenz"

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"Sport kann auch dick machen"

Die Kollegen bevorzugen in der Mittagspause den Imbiss um die Ecke. Muss man strikt auf Pommes und Currywurst verzichten ?

Das Leben ist keine Härtetest, der Bauch aber auch kein Mülleimer. Wir müssen uns nichts vor machen: Pommes und Currywurst sind Nahrungsmüll – dieser Imbiss beinhaltet so viele Inhaltsstoffe, die dem Körper schaden. Wenn es wichtig für den sozialen Frieden ist und der Mitarbeiter nicht zum Außenseiter werden will, sind meiner Meinung nach auch mal Pommes und Currywurst erlaubt. Aber nicht viermal die Woche, sondern maximal ein- bis zweimal.

Angenommen, es gibt keine Kantine und nur den Imbiss um die Ecke. Was kann der Mitarbeiter tun, um sich trotzdem ausgewogen zu ernähren?

Er sollte vorsorgen, indem er sich die Lebensmittel von zu Hause mitbringt. Denn wer irgendwann dermaßen unterzuckert, dass er kurz davor ist, das Lavendelsäckchen aus dem Büroschrank auszulutschen, der isst alles, was nicht schnell genug weglaufen kann. Er hat keine Kontrollfunktion mehr – und genau diesen Verlust muss er unterbinden.

Und dann bringen die Kollegen die köstlichen Kalorienbomben mit...

Wenn Schokolade da ist, sollte sie mindestens zwei Meter vom eigenen Arbeitsplatz entfernt stehen, damit der Mitarbeiter erst einmal den Impuls zum Aufstehen aufwenden muss, um die Schokolade zu essen. Viele Menschen leiden an Nasch-Demenz. Sie kriegen gar nicht mit, was sie den ganzen Tag in sich hineinstopfen. Da kommen einige Kalorien zusammen.

Ein paar Gummibärchen sollten doch nicht so schlimm sein.

20 Gummibärchen haben zum Beispiel 100 Kalorien, ein Rippchen Schokolade auch. Isst man nur eine dieser Süßigkeiten pro Tag, macht das bei 230 Arbeitstagen im Jahr 23.000 Kalorien extra. Das entspricht ungefähr drei Kilogramm Extra-Matsch im Feinkost-Gewölbe.

Die beliebtesten Süßigkeiten der Deutschen

Sie sagen ja selbst, dass das Leben kein Härtest ist. Kann ich diese Extra-Kalorien durch Sport nach Feierabend ausgleichen?

Ja. Außerdem ist Sport genial, um Stress, also das Hormon Cortisol, abzubauen. Das muss nicht einmal Hochleistungssport sein, sondern es genügt, wenn man nach dem stressigen Wochen-Einkauf einen strammen Spaziergang um den Block macht. Dann hat man einen deutlich niedrigeren Stresspegel – und genießt das anschließende Essen anstatt es herunter zu schlingen wie es bei Stress-Kompensation häufig der Fall ist. Doch auch der Sport hat seine Tücken.

Wie bitte?

Sport macht manche Menschen dick, weil sie dadurch ihren Kalorienverbrauch überschätzen. Wenn manche Menschen Sport machen, erlauben sie sich unbewusst, mehr zu essen. Nach dem Motto: "Ach, dann kann ich ja mal den Schoko-Riegel essen." Aber der hat auch schon eine Menge Kalorien.

Man rennt eine halbe Stunde und verbraucht dabei ungefähr 400 Kalorien. Das ist etwas mehr als eine halbe Tafel Schokolade – es ist also nicht wirklich viel. Wenn man sich dann einen Schoko-Riegel genehmigt, hat man vermutlich noch nicht eingerechnet, was man den ganzen Tag über so nebenbei getrunken und gegessen hat. Dadurch wird man langsam dick – und ist gestresst, wenn man nackig vor dem Spiegel steht und es ein bisschen wackelt.

Aber diejenigen, die abnehmen wollen, verzichten doch bewusst auf Schokoriegel und Snacks.

Aber auch sie nehmen zu, wenn sie sich zu harten Vorsätzen unterwerfen und sehr viel Sport machen. Wer sich unter enormen Druck setzt, zu viel laufen geht, Krafttraining macht und Stress auf der Arbeit hat, wird langfristig wieder zu Schokoriegeln und Co. greifen. Denn der Zucker, der sich in den Muskeln befindet, wird verbraucht, sodass die Energie-Versorgung des Gehirns knapp wird, obwohl diese Versorgung zum Überleben höchste Priorität hat. In diesen Fällen treibt uns das Gehirn wie ein Zombie zum nächsten Süßigkeiten-Regal im Supermarkt – und wir können nichts dagegen tun, wir verlieren diesen Kampf.

Gibt es eine Alternative, um die Extra-Kilos loszuwerden?

In meinen Büchern und bei Firmenvorträgen oder in meinem Bühnenprogramm vermittle ich den Menschen, dass bei aller Verantwortung für Projekte, für Teams, für den Arbeitgeber, für die Familie die Eigenverantwortung nicht auf der Strecke bleiben darf, um stressfrei und gesund durch den Alltag zu kommen. Dabei sollte man unbedingt vermeiden, neuen Stress durch zu harte Ernährungsumstellungen zu erzeugen. Daher empfehle ich den so genannten „perfekten Tag“: Nur einen Tag pro Woche, an dem man sich bewusst um seine Ernährung und Bewegung kümmert. An diesem einen Tag geht man eben nicht mit den Kollegen zur Currywurst-Bude. Man fühlt sich konzentrierter während der Arbeit, hat vielleicht sogar noch Restenergie für andere Dinge, wenn man nach Hause kommt und schläft die darauffolgende Nacht besser.

Ein Tag soll helfen?

Wenn man diesen Tag Woche für Woche wiederholt, spürt man spätestens nach der vierten Woche den Unterschied zwischen dem perfekten Tag und den anderen, nicht-perfekten Tagen. Es wird einem bewusst, wie gut man sich durch bewusste Ernährung und Bewegung fühlt. Diese positiven Emotionen sind die einzige Möglichkeit, festgefahrene Gewohnheiten abzulegen und unbewusst die guten des perfekten Tages auch an anderen Wochentagen zu übernehmen. So nimmt man ohne Kontrolle und Disziplin ab, die wiederum Energie fordern.

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