Manche Ihrer Helden vermitteln den Eindruck, als würden sie am liebsten ganz auf den Urlaub verzichten. Was ist für den Manager so abschreckend an einer dreiwöchigen Auszeit in den Bergen?
Die Vorstellung, dass man nicht mehr im Mittelpunkt der Party steht. Dass man nicht gebraucht wird. Dass die Firma auch ohne einen gut zurechtkommt. Vielleicht sogar besser. Plötzlich könnten die Kollegen ja herauskriegen, dass man gar nicht so wichtig ist, wie man gern vorgibt oder sich einbildet. Da spielt immer auch die Angst vor der Konkurrenz im eigenen Haus hinein: Was passiert, wenn mein Revier von einem anderen Rüden markiert wird? Außerdem kann Urlaub für einen Top-Entscheider stressiger sein als der stressigste Job. Vor allem, wenn er mit der Familie unterwegs ist.
Weil er dann zum Familienvater degradiert wird und das alltägliche Chaos des Familienlebens ertragen muss?
Ja, er erlebt den Familienurlaub als Kontrollverlust. Die Familie verlangt von ihm ein ganz anderes Rollenverhalten als die Chefetage. Plötzlich muss er auf seine Frau Rücksicht nehmen, soll seine Kinder, die ihn wie einen halbfremden Menschen ansehen, in seine Entscheidungen einbeziehen, darf nicht mehr Chef spielen. Und wenn er es doch tut, hängt der Haussegen gleich schief. Natürlich kann er nebenbei noch die eine oder andere Entscheidung treffen, die sich partout nicht delegieren lässt, aber es fehlt ihm doch etwas ganz Wesentliches – das große Publikum. Vergessen wir nicht: Der Manager ist immer auch Manager-Darsteller, er braucht den Applaus seiner Bewunderer, den Neid seiner Gegner. Auf beides muss er im Urlaub verzichten. Ein hartes Los.
Auszüge aus Martin Suters Buch "Abschalten"
Auch wenn Nievergelt den Tag am Strand mit nassen Hosen überstehen würde, wenn der Moment käme, sich wieder anzuziehen, müsste er die Badehose gegen die mitgebrachte Unterhose tauschen, darauf würde Sandra beharren. Sandra, seine zweite Frau, hat bereits das Bikinioberteil abgelegt, den Sonnenschirm zugemacht und begonnen, einen möglichst augenfälligen Kontrast zu ihm zu bilden. Das fällt ihr leicht, weil sie fünfzehn Jahre jünger ist und einen Teil seines Einkommens darauf verwendet, diesen Abstand zu vergrößern. Ich hätte auf dem Engadin bestehen sollen, dort hätte ich den Hotelfrotteemantel anbehalten bis zur Treppe des Hallen-Pools und ihn nach meinen zwei Längen sofort wieder angezogen.
Wie er einem Fachartikel zu diesem Thema entnimmt, existieren Methoden, Managerqualitäten durch regelmäßige Evaluation der Managementkompetenzen und der psycho-physischen Leistungsfähigkeit zu messen. Der Gedanke, seine Burschen diesem Verfahren auszusetzen, gefällt ihm so gut, dass er trotz der frühen Stunde einen Fruchtsaft mit einem Sonnenschirmchen und etwas Alkohol bestellt.
Ein Mann in Wanderausrüstung schreitet gemessen über den Alpweg. Er trägt ein Rucksäckchen, aus dessen Außentasche der Kopf eines Plüschtierdinosauriers ragt, und presst ein Handy an sein rechtes Ohr. "...der nächste Schritt wäre dann die Umsetzung empirisch entwickelter Kundentypologien als interaktives Feedbacksystem. – Mhm, mhm. Klar, beide: die funktionalen und die emotionalen Benefits."
Stattdessen muss er, wie Sie es beschreiben, um seine Würde als Respektsperson kämpfen, zum Beispiel beim Badehosenwechsel am Strand...
…und wurmt sich deshalb, dass er nicht auf dem Engadin als Urlaubsziel bestanden hat. Ja, für den Bankvorstand ist es naturgemäß eine schwere Demütigung, dem Gespött, schlimmer noch, dem heimlichen Gespött der Leute ausgeliefert zu sein. Das ist für ihn ein Desaster.
Es heißt, dass Manager 80 Prozent ihrer Zeit damit verbringen, ihren Status zu sichern.
Das könnte von mir stammen. Jedenfalls beschreibe ich in meinen Kolumnen Manager, deren Hauptaufgabe darin besteht, für ihre eigene Karriere zu sorgen – also mögliche Konkurrenten bloßzustellen, zum Beispiel indem sie im Gespräch neue, unverständliche Fachausdrücke aus der Managementliteratur platzieren, um zu testen, wie ihr Gegenüber reagiert. Inzwischen haben sich die Dinge ein bisschen geändert. Der Erfolg einer Firma soll, wie ich höre, immer häufiger von der Qualität ihrer Führung abhängen. Das war zu meiner Zeit als Werber anders, da konnte man den größten Trottel an die Spitze setzen und das Unternehmen lief trotzdem weiter. Aber das Motiv der Statussicherung ist natürlich zentral geblieben.