Krisengewinner? Nein, nein. Corona-Profiteur? Erst recht nicht. Viele Unternehmen aus der boomenden Pharmabranche hadern seit dem Ausbruch der Pandemie mit solchen Titeln. Wer will sich schon damit brüsten, an einer Pandemie zu verdienen, die Millionen Menschenleben forderte? Bloß: Blickt man ganz nüchtern auf die Geschäftszahlen von Unternehmen, die Laborausrüstung herstellen, Kliniken ausstatten oder Arzneimittel erforschen und produzieren, erkennt man, dass sie eben durchaus von der Pandemie profitieren. Dafür müssen die Firmen nicht mal die so dringend benötigten Impfstoffe herstellen. Der Göttinger Laborausrüster Sartorius oder der Darmstädter Konzern Merck etwa präsentierten zuletzt beachtliche Geschäftszahlen.
Und von der guten geschäftlichen Lage der gesamten Branche profitieren auch die Arbeitnehmer: Akademische Berufseinsteiger und Facharbeiter sowie Führungskräfte im mittleren Management und erfahrene Experten erhalten in keiner anderen Branche mehr Gehalt als in der Pharmaindustrie. In diesem Jahr stiegen die Gehälter im mittleren Management bei den Unternehmen, die etwa Arzneimittel produzieren, zudem so stark wie in keinem anderen Wirtschaftszweig. Wer als Arbeitnehmer also ausschließlich auf der Suche nach dem besten Gehalt ist, findet es in dem Geschäft mit der menschlichen Gesundheit.
Das zeigt der aktuelle Gehaltsreport der WirtschaftsWoche: Über alle Berufe hinweg verdienten die Pharma-Beschäftigten im mittleren Management in diesem Jahr fast 136.000 Euro (inklusive Boni). Mit zehn Prozent mehr Gehalt im Vergleich zum Vorjahr ist es das größte Plus im Gehaltsreport. Bei akademischen Berufseinsteigern und Facharbeitern in leitender Funktion stieg das Gehalt um vier Prozent. Diese Arbeitnehmer verdienten im Schnitt fast 91.000 Euro (inklusive Boni). Christine Seibel, Vergütungsexpertin der Personalberatung Korn Ferry, überrascht das nicht: Die Pharmaindustrie sei eine der Branchen, die von der Pandemie nicht wirklich getroffen wurden. „In einigen Bereichen“, sagt Seibel, „wurde das Geschäft sogar beflügelt“.
Seibels Arbeitgeber, die Personalberatung Korn Ferry, die im Auftrag verschiedenster Firmen Gehälter vergleicht, hat für den Gehaltsreport exklusiv 220.000 Datensätze aus etwa 500 Unternehmen analysiert. Die Zahlen beruhen also nicht auf Befragungen von Angestellten, sondern auf einer Auswertung von Gehaltszetteln von Dax-, MDax- und SDax-Firmen sowie bedeutenden Mittelständlern. Erfasst wurden sie in den Branchen Automobil, Chemie, Konsumgüter, Maschinenbau/Industrie sowie Pharma/Gesundheit in je neun Unternehmensbereichen vom Finanzwesen über Marketing und Logistik bis hin zum Vertrieb.
In der Pharmabranche fielen die Gehaltssprünge vor allem bei den Ingenieuren (plus 15 Prozent), den Mitarbeitern in der Produktion (plus 14 Prozent) und bei den Logistikern (plus 12 Prozent) besonders üppig aus.
Weiteres Wachstum in Sicht
Die Gehaltsentwicklung passt zur guten wirtschaftlichen Lage: Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln legte das Wachstum in der Pharmaindustrie nach einem „moderaten Anstieg im vierten Quartal 2020“ vor allem im ersten Quartal 2021 nochmals deutlich zu. Nicht umsonst beschreibt Han Steutel, der den Verband der forschenden Pharma-Unternehmen in Deutschland (vfa) leitet, den Wirtschaftszweig als „Zukunftsbranche“. „Bei der Pharma-Produktion in Deutschland“, sagt Steutel, „war die Impfstoffproduktion seit Ende 2020 zweifellos ein starker Wachstumstreiber“.
Sein Verband erwarte, „dass dieser Effekt mittelfristig anhalten und auch bei der Beschäftigtenzahl erkennbar sein wird“, sagt Steutel, der seine Karriere 1987 bei AstraZeneca begann. Im weiteren Verlauf des Jahres sei zu erwarten, „dass sich die positive ökonomische Entwicklung der pharmazeutischen Industrie weiter verstetigt“, schreiben auch die Forscher des IW Köln. Gute Aussichten also für ein gutes Gehalt im nächsten Jahr.
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