
Deutschland macht Überstunden: Allein im vergangenen Jahr waren es mehr als 1,8 Milliarden Extrastunden, rund eine Milliarde davon unbezahlt. Das geht aus einer Erhebung des zur Bundesagentur gehörendenden Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IBA) hervor.
Der Löwenanteil geht laut einer Untersuchung auf männliche Unternehmensberater zurück - und auf Mitarbeiter, die zu Hause sitzen. Die Wirtschaftswissenschaftler Michael Beckmann und Kira Rupietta von der Universität Basel haben herausgefunden, dass Mitarbeiter im Home Office im Schnitt 2,5 Stunden pro Woche mehr arbeiten als die Kollegen vor Ort. Und wer nicht nur ab und an, sondern täglich zu Hause arbeitet, schenkt seinem Unternehmen pro Woche ganze sechs Stunden seiner Arbeitskraft.
Zu einem ganz ähnlichen Ergebnis kam vor Kurzem auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung. Demnach machen Heimarbeiter fast doppelt so viele Überstunden wie Mitarbeiter, die im Büro sitzen.
Homeoffice: 10 Regeln für Arbeitnehmer
Feierabend und Ferien gelten auch bei flexiblen Arbeitsplatzmodellen.
Feierabend, Wochenende, Urlaube und Krankschreibungen gelten auch bei flexiblen Arbeitsplätzen und sollten respektiert werden. Wer keine klaren Grenzen setzt, darf sich nicht wundern, wenn die Kollegen darauf keine Rücksicht nehmen. Mitarbeiter müssen Eigenverantwortung für ihre Zeiteinteilung übernehmen und Überlastung frühzeitig signalisieren.
Eigene Eignung für flexible Arbeitsmodelle kritisch überprüfen.
Nicht jeder eignet sich für flexible Arbeitsmodelle. Mitarbeiter, die diese Möglichkeiten austesten, müssen ehrlich zu sich selbst und ihrem Arbeitgeber sein. Wer sich zu Hause schnell ablenken lässt oder den regelmäßigen Austausch mit Kollegen benötigt, wird sich damit eher schwer tun. Ebenso können beispielsweise persönliche Rahmenbedingungen wie ein lautes Umfeld für unliebsame Störungen sorgen. Dies wirkt sich nicht nur negativ auf die Arbeit, sondern auch auf das eigene Wohlbefinden und die Motivation aus.
Auch bei flexiblen Arbeitsplatzmodelle hat der Arbeitgeber keinen Anspruch auf ständige Rufbereitschaft.
Eine ständige Rufbereitschaft ist nicht nötig und sogar kontraproduktiv. Auch im Home-Office müssen ungestörte Phasen für konzentriertes Arbeiten eingeplant werden, um effektiv Aufgaben zu erledigen. Eine permanente Erreichbarkeit erzeugt nicht nur zusätzlichen Stress, sondern führt durch Ablenkungen auch zu schlechten Ergebnissen. Mitarbeiter im Home-Office müssen deshalb ihre Bedürfnisse klar und offen äußern können.
Der Mitarbeiter muss unternehmerischer denken.
Jeder Arbeitnehmer im virtuellen Office ist dem Arbeitgeber und seinen Kollegen gegenüber verantwortlich. Flexible Arbeitsmodelle entbinden den Mitarbeiter nicht von seinen Aufgaben. Durch eindeutige Zielvorgaben werden Aufgaben klar definiert und für alle Beteiligten messbar.
Flexible Arbeitsmodelle sind kein Abstellgleis, aber sie erfordern mehr Durchsetzungswillen.
Mitarbeiter, die flexibel oder in Teilzeit arbeiten, werden häufig nicht als Leistungsträger gesehen. Hingegen gelten die ständig anwesenden Kollegen als Top-Performer, die „hart arbeiten“. Um dies zu ändern, muss der flexible Mitarbeiter mehr Durchsetzungswillen und Präsenz gegenüber seinen Vorgesetzen zeigen. Regelmäßige Feedbackgespräche verhindern eine Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung. Mitarbeiter, die flexibel arbeiten, sollten Maßnahmen zur Weiterbildung einfordern. Oftmals ist hier mehr Nachdruck nötig als bei jemandem, der vor Ort im Büro arbeitet.
Die eigenen Aufgaben, Prozesse und Termine klar kommunizieren.
Eine enge Abstimmung mit Kollegen und Vorgesetzten erleichtert die Kommunikation und sorgt für Verständnis. Wenn für die Kollegen nachvollziehbar ist, wo sich der Kollege gerade aufhält und mit welchen Aufgaben er beschäftigt ist, wächst das Vertrauen. Stundensplittings (z.B. am Nachmittag drei freie Stunden für die Kinder), Mittagspausen und externe Termine sollten daher klar kommuniziert werden. So geht man Missverständnissen und Gerüchten aus dem Weg. Moderne IT kann dabei eine wichtige Hilfestellung sein. Unified Communication-Systeme zeigen an, wann und wie man erreichbar ist.
Der Arbeitsrhythmus sollte an die eigene Produktivität und die persönlichen Bedürfnisse angepasst werden, ohne dabei die Prozesse im Team zu missachten.
Studien zeigen, dass die Produktivität dann am höchsten ist, wenn zwischen zwei und zweieinhalb Tagen im Home-Office gearbeitet und der Rest der Woche für Tätigkeiten und Abstimmungen im Büro genutzt wird. Auch die eigenen Produktivitätszyklen können bei flexiblen Arbeitsmodellen stärker berücksichtigt werden. So arbeiten manche Menschen früh morgens am besten, andere eher am Abend. Aber das erfordert auch Abstimmung: Die Kollegen müssen wissen, wann man erreichbar ist.
Networking ist Pflicht: Die virtuelle Präsenz entbindet den Mitarbeiter nicht von seinen Aufgaben als Teammitglied, dazu zählen nicht nur die reinen Jobkriterien, sondern auch die Sozialkompetenz.
Der Austausch mit den Kollegen sollte sich nicht nur auf das fachliche beschränken. Freundlichkeit, Offenheit, Aufmerksamkeit, Respekt und Hilfsbereitschaft dienen nicht nur dem eigenen Wohlbefinden, sondern unterstützen das ganze Team. Nur in einem Umfeld aus Miteinander und Vertrauen lassen sich virtuelle Teams erfolgreich umsetzen.
Bei virtuellen Teams ist Wissensmanagement mit einem eindeutigen Ablagesystem Pflicht.
Die systematische Speicherung und Aufbereitung von Wissen erleichtert die Arbeit und die Kommunikation in virtuellen Teams. Der aktuelle Stand von Unterlagen muss zentral – die Cloud macht es möglich – abgelegt werden. Alle relevanten Mitarbeiter brauchen Zugriff auf die Ordner. Diese Systeme sichern die Freizeit, denn nur Kollegen, die Zugriff auf alle Unterlagen haben, können auch bei Bedarf füreinander einspringen.
Flexible Arbeitsmodelle verlangen ein hohes Maß an Selbstorganisation.
Wer in flexiblen Arbeitsmodellen arbeitet, muss sich auch zuhause ein produktives Umfeld schaffen (Raum, Technik, Rahmenbedingungen) Um in flexiblen Arbeitsmodellen erfolgreich zu arbeiten, müssen sich Mitarbeiter mit ihren eigenen Stärken und Schwächen auseinandersetzen: Wer gut organisiert und diszipliniert ist, wird in solchen Strukturen bessere Leistungen erzielen.
Die Erkenntnisse sind ein gutes Argument gegen all diejenigen, die ihren Leuten das Home Office verbieten, weil sie Faulenzerei unterstellen. Und das scheinen eine ganze Menge zu sein: In Deutschland arbeiten nur zwölf Prozent aller abhängig Beschäftigten gelegentlich oder überwiegend im Home Office. Dabei wäre es bei 40 Prozent der Jobs problemlos möglich. So heißt es auch im Fachaufsatz aus Basel, dass das Hauptargument gegen den Einsatz von Home Office sei, dass "Arbeitnehmer ihren gewonnenen Handlungsspielraum außerhalb der direkten Kontrolle des Arbeitgebers missbrauchen, indem Leistung zurückgehalten wird."
Derzeit arbeiten vor allem Männer im Home Office, wie Beckmanns und Rupiettas Auswertung von mehr als 5000 Datensätzen aus dem Sozio-oekonomischen Panel von 2009 zeigt. In der Regel seien Heimarbeiter Vollzeitangestellte, Beschäftigte mit höherer Bildung, Führungsposition und höherem Einkommen. Home-Office-Mitarbeiter übten also insgesamt "anspruchsvolle Tätigkeiten bei einem hohen Grad an Autonomie" aus, so die Forscher.
Die Studienergebnisse sind auch Wasser auf die Mühlen derjenigen, die zu Recht vor der Selbstausbeutung der Heimarbeiter warnen. "Beschäftigte, die ihre Arbeitszeiten selbst festlegen, arbeiteten häufig länger und haben eine schlechtere Work-Life-Balance", sagt zum Beispiel Yvonne Lott, Arbeitsmarktforscherin bei der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.
Viel hänge dabei von der Ausgestaltung ab. Sei zumindest ein Zeitrahmen vorgegeben, wie etwa bei der Gleitzeit, funktioniere das meist ganz gut, sagt Lott. "Werden dagegen Bonuszahlungen für das Erreichen bestimmter Ziele gezahlt und gibt es keine Arbeitszeitgrenze, ist das Risiko für Überstunden besonders hoch." Entsprechend wichtig sei eine Sensibilisierung von Führungskräften für dieses Thema. "Sie müssen darauf achten, dass sich die Beschäftigten nicht selbst ausbeuten", so Lott.
Homeoffice: 10 Regeln für Arbeitgeber
Flexible Arbeitsmodelle erfordern klare Vereinbarungen. Nur wenn die Rahmenbedingungen transparent und Erwartungen eindeutig formuliert sind, kann daraus eine vertrauensvolle neue Arbeitskultur entstehen.
Flexible Arbeitsmodelle eignen sich nicht für alle Aufgaben. Firmen müssen deshalb klare Regeln für den Rahmen für die Nutzung (wer kann flexibel arbeiten) und die Umsetzung (Anwesenheitspflichten, Arbeitsumfang, Verfügbarkeit) vorgeben. Gallup hat in verschiedenen Studien herausgefunden, dass gerade Mitarbeiter im Home-Office häufig nicht genau wissen, was von ihnen erwartet wird. Deshalb müssen Führungskräfte ihre Erwartungen und die Aufgaben besonders deutlich formulieren.
Nicht für jeden Mitarbeiter eignet sich Arbeiten im Home-Office: Jedem Mitarbeiter sollte freigestellt sein, diese Angebote im Unternehmen zu nutzen.
Die Ausschöpfung des vollen Leistungspotenzials hängt stark von der Motivation und persönlichen Stärken ab. Für Personen, die ein sehr großes Bedürfnis nach sozialer Interaktion haben, ist die Arbeit im Home-Office nicht ideal. Ein häufiger Fehler ist, flexible Arbeitsmodelle als „Belohnung“ für besondere Leistungen einzusetzen. Das schafft falsche Anreize. Daher sollte aufgrund der Stärken oder Arbeitsweisen des einzelnen Mitarbeiters entschieden werden, ob dieser Home-Office oder mobiles Arbeiten nutzen kann und darf.
Als Arbeitgeber sollte man seinen Mitarbeitern vertrauen und „loslassen“ können.
Die bloße Anwesenheit ist kein Indikator für die Qualität der Arbeit. Schafft ein Mitarbeiter seine Arbeit zu Hause schneller als im Büro, sollte sich die Führungskraft darüber freuen – und nicht aus Prinzip auf das Erfüllen von Zeitkontingenten bestehen. Generell sollte eine Führungskraft den Rahmen für die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter schaffen, sich selbst einbringen zu können.
Die Leistung von Mitarbeitern muss objektiv definiert und gemessen werden.
Jeder Mensch entwickelt seine eigene Arbeitsweise. Gleiches gilt für die Zeitplanung bei flexiblen Arbeitsmodellen. Starre Zeitkorsetts demotivieren und behindern eine produktive Arbeitseinteilung. Der Mitarbeiter muss an seinen Leistungen gemessen werden. Dies erfordert ein grundlegendes Performance Management im Unternehmen, das Leistungen objektiv definiert und misst.
Aus den Augen, aber nicht aus dem Sinn: Auch Mitarbeiter ohne permanente Anwesenheit brauchen Führung.
Bei Heimarbeitern sollte das Feedback bewusster und regelmäßiger erfolgen als bei den Kollegen vor Ort. Wenn Führungskräfte ein ehrliches Interesse an ihren Mitarbeitern zeigen, deren Arbeit regelmäßig bewerten und über die persönliche Weiterentwicklung sprechen, können sie die Mitarbeiter auch über große Distanzen hinweg binden.
Arbeitgeber haben eine Fürsorgepflicht. Das gilt insbesondere für flexible Arbeitsplatzmodelle.
Wenn der Mitarbeiter spätabends noch E-Mails schreibt, ist er dann überlastet? Oder ist das nur sein persönlicher Arbeitsstil? Um diese Frage zu beantworten, müssen sich Führungskräfte auch für den Mitarbeiter als Menschen interessieren und dessen Stärken, Routinen und familiäres Umfeld kennen. Gallup hat über 10 Millionen Menschen weltweit zum Thema »Mein Vorgesetzter/ Meine Vorgesetzte oder eine andere Person bei der Arbeit interessiert sich für mich als Mensch« befragt. Personen, die diesem Satz zustimmen, bleiben häufiger in ihrem Unternehmen, haben mehr emotional gebundene Kunden, sind erheblich produktiver und erwirtschaften mehr Gewinn.
Neue Meetingkulturen erleichtern effiziente Arbeitsprozesse innerhalb der Teams.
Für ein gemeinsames Verständnis der Ziele und Aufgaben ist ein enger Austausch im Team notwendig. Auch und gerade bei flexiblen Arbeitsmodellen. Häufig sorgen jedoch schwierige Terminabstimmungen oder ungenügende Kommunikationswege für Reibung. Regelmäßige Statusmeetings ermöglichen allen Beteiligten, Projektstände auszutauschen, Ideen vorzustellen, Aufgaben zu besprechen und frühzeitig Schwächen aufzuzeigen.
Den direkten Austausch fördern, sich gegenseitig schätzen – und so das Gemeinschaftsgefühl stärken.
Der Mensch benötigt täglich 6 Stunden soziale Interaktion, um sich wohl zu fühlen und gesund zu bleiben. Wenn Kollegen und Vorgesetzte sich auch über das Berufliche hinaus schätzen, entsteht ein positives Arbeitsumfeld und ein stärkeres Gemeinschaftsgefühl. Für die zwischenmenschlichen Beziehungen sind regelmäßige persönliche Treffen unverzichtbar.
Mitarbeiter müssen sich im Unternehmen willkommen fühlen und haben ein Anrecht auf einen Arbeitsplatz.
Die Anforderungen an Arbeitsplätze haben sich in den vergangenen Jahren aufgrund neuer Informationstechnologien und Arbeitsmodelle stark verändert. Doch noch immer gilt: Mitarbeiter brauchen eine Arbeitsumgebung, in der sie produktiv arbeiten können, in der sie sich wohlfühlen und willkommen sind. Das gilt ebenso für flexible Arbeitsmodelle. Maximale Flexibilität bedeutet auch, dass ein Mitarbeiter neben dem Arbeitsplatz z.B. im Home-Office auch Zugriff auf einen Arbeitsplatz im Team hat. Wie dieser gestaltet ist (z.B. durch Tablesharing oder Rollcontainer) muss vorab geklärt sein und dem Bedarf angepasst sein.
Neue Arbeitsstrukturen können nur erfolgreich sein, wenn sie mit der Unternehmenskultur und den Unternehmenszielen vereinbar sind.
Mitarbeiter, die der Aussage zustimmen „Die Ziele und die Unternehmensphilosophie meiner Firma geben mir das Gefühl, dass meine Arbeit wichtig ist“, sind produktiver und bleiben ihrem Unternehmen länger treu. Umso wichtiger ist es, dass Unternehmenskultur und flexible Arbeitsmodelle aneinander angepasst werden: In Unternehmen, in denen ein Kontrollzwang herrscht, werden Home-Office und mobiles Arbeiten nicht zum Erfolg führen. Und wer von der Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder von Flexibilität spricht, muss dies auch in der Praxis einlösen.
Denn wöchentliche Arbeitszeiten von deutlich mehr als 40 Stunden - da sind sich Arbeitsmediziner einig - schaden der Gesundheit und auch der Arbeitssicherheit. Zahlreiche Studien hätten Zusammenhänge zwischen langen Arbeitszeiten und gesundheitlichen Problemen wie Magen-Darm-Beschwerden, Rückenschmerzen oder Stressempfinden ermittelt, heißt es bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA).
So kommen auch die beiden Basler Wissenschaftler Beckmann und Rupietta zu dem Schluss, dass das Home Office, wie eigentlich alle personalpolitischen Instrumente, sowohl Chancen als auch Risiken birgt. So seien die Mitarbeiter zum einen durch die verstärkte Autonomie sehr motiviert, leistungsbereit und entsprechend produktiv. Sie sparen Kosten für die Anreise, stehen nicht im Stau oder am Bahnsteig und werden bei der Arbeit weniger häufig unterbrochen.
Auf der anderen Seite steht die Gefahr der sozialen Isolation, der Selbstausbeutung und dass "Home-Office-Arbeitnehmer leicht aus dem Blickfeld des Arbeitgebers verschwinden, wodurch ihnen Nachteile bei der Verteilung von Arbeitsaufgaben oder im Karrierewettbewerb entstehen können."