Karriereleiter

Warum Sie im Job mit Ich-Botschaften punkten

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Der Effekt: Meist Abwehrhaltung

Der Effekt bei den Adressaten ist meist einheitlich: Abwehrhaltung. Kein Wunder. Schließlich sieht der Andere sich selbst und sein Handeln weniger kritisch. Denn er hat sein Verhalten ja zu verantworten und hat es im Zweifel selbst so gewollt. Mit Ihrer Du-Botschaft haben Sie den Anderen im Zweifel erst einmal gegen sich. Das ist meist nicht in Ihrem Interesse.

Ich-Botschaften hingegen zeigen erst einmal nur Ihren persönlichen Blickwinkel auf die Situation. Damit begegnen Sie Ihrem Gegenüber auf Augenhöhe. So werden Sie bei ihm am ehesten die Bereitschaft erzeugen, den Konflikt zu lösen. Und Konfliktlösung ist ja das, was alle weiterbringt. Dazu gehört auch, von seinen eigenen Gefühlen, Befürchtungen und Kränkungen zu sprechen. Geben Sie etwas von sich preis. Das zeugt nicht von Schwäche, sondern wirkt sympathisch und kompetent.

Statt „immer bist du unpünktlich“ könnten Sie zum Beispiel sagen: „Wenn ich auf dich warten muss, komme ich mir blöd vor.“

Statt „du verrennst dich“ sprechen Sie von sich: „Ich würde das echt ganz anders angehen.“

Aber Vorsicht vor Schein-Ich-Botschaften. Wer statt „Sie sind ein Egoist“ sagt: „Ich halte Sie für einen Egoisten“ kommt auch nicht weiter.

Bei Ich-Botschaften bewährt sich im Groben folgender Aufbau (nicht erschrecken: Das ist nur eine schematische Aufdröselung zur Anschauung. Keiner muss mit einem Spickzettel losziehen):

Element 1: Legen Sie ganz emotionslos die Situation aus Ihrer Sicht dar und nennen Sie die drohenden Nachteile.

Element 2: Jetzt wird es emotional: Schildern Sie Ihre Gefühle, etwa Befürchtungen oder Ihre Kränkung.

Am Beispiel meines Erlebnisses beim Kinderfernsehen wäre es wohl besser gelaufen, ich hätte nicht gesagt: „Also, offenbar wissen Sie einfach nicht, worauf es hier ankommt“, sondern irgendwie so etwas wie:

„Wenn wir kooperieren wollen, müssen wir uns natürlich über die Stoßrichtung einig sein. Im Moment habe ich allerdings den Eindruck, dass wir weit auseinander liegen (Element 1). Ich hatte ja die Hoffnung, dass Sie uns bei einem Fernsehthema für Kinder da mehr vertrauen, und fühle mich durch Ihre unumstößliche Haltung in meinem Selbstverständnis als Experte auf meinem Gebiet erschüttert. Das nagt jetzt etwas an mir (Element 2). Ich glaube, dass wir uns erstmal darüber unterhalten müssen, welche Kompetenzen wir uns gegenseitig zutrauen.“

Der letzte Satz führt die Diskussion zu einem Lösungsvorschlag. Vor der Definition der Inhalte müssen erst die Rollen der Partner geklärt werden. Kann man so machen, finde ich.

Jetzt ist natürlich klar, dass es im Alltag immer wieder auch Du-Botschaften hageln wird. Sicher auch aus Ihrem Mund. Denn zum einen können in bestimmten Situationen Ich-Botschaften auch als abgehoben und schnöselig rüber kommen. Und einige Botschaften dürfen ja auch gerne mal ein bisschen reinzwiebeln: „Wow, du siehst aus, als hättest du gestern lange gefeiert.“ Oder: „Die Präsi hast du wohl in 10 Minuten zusammengekloppt, wa?“

Aber grundsätzlich gilt: Ich-Botschaften öffnen den Anderen und helfen enorm, Krisen im Job zu lösen. Und Ich-Botschaften haben noch einen anderen Vorteil: Wer von sich spricht, denkt über sich selber nach. Wir erkennen dann, was in uns selber vorgeht. Wer denkt: „Dieser Typ aus der Buchhaltung nervt echt“,  der verschenkt die Chance, sich selber zu überprüfen: „Warum bin ich eigentlich genervt?“

Mit Ich-Botschaften räumen wir ganz nebenbei also auch noch ein bisschen in unserem eigenen Seelenleben auf. Alles während der bezahlten Arbeitszeit. Da kann man nichts sagen, finde ich, du.

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