Karriereleiter
Durch Ich-Botschaften klingt die eigene Rhetorik gleich viel zugänglicher. Quelle: imago images

Warum Sie im Job mit Ich-Botschaften punkten

„Du bist einfach unzuverlässig“: Du-Botschaften wirken autoritär und schlagkräftig. Im Berufsalltag vergreifen sich deshalb viele an ihnen. Dabei wirken Sie mit Ich-Botschaften viel zugänglicher.

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Unser Kolumnist Marcus Werner ist Fernsehmoderator und Buchautor und arbeitet als Berater für Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung.

In meiner Zeit als junger Programmentwickler im privaten Kinderfernsehen hatte ich vor einigen Jahren die Aufgabe, mir eine werbewirksame Fernseh-Aktion für eine neue Zeichentrickserie auszudenken. Es ging in der Serie um ein freches Mädchen und ihre Alltagsabenteuer in der Schule.

In einer Konferenz gemeinsam mit einem Kooperationspartner, nämlich einem deutschen Verein, der sich für die Rechte von Kindern einsetzt, stellte ich die Ideen vor, die unserem Sender so vorschwebten. Grobe Stoßrichtung: „Schule macht mir Spaß, wenn...“. Mit dieser Ausrichtung wähnte ich die Geschäftsführerin des Vereins voll auf meiner Seite. Doch zu meinem Entsetzen sagte die spöttisch lachend: „Naja, Schule ist doch nicht dafür da, Spaß zu haben, sondern immer noch dazu, was zu lernen.“

Um Gottes Willen! Ich redete mir den Mund fusselig, dass Kinder doch erst dann gerne lernen, wenn sie Freude daran haben und so weiter. Aber nichts zu machen. Der Führung des Vereins fehlte offenbar die Leichtigkeit und Unverkrampftheit aus Kindersicht. In mir brodelte die Enttäuschung so sehr, dass ich irgendwann sagte: „Also, offenbar wissen Sie einfach nicht, worauf es hier ankommt.“

Da war Schweigen. Mit dieser Du-Botschaft (Sie-Botschaften sind auch Du-Botschaften) hatte ich meiner festen Überzeugung nach zwar hundertprozentig recht und mein Einwurf klang auch ziemlich selbstbewusst, allerdings hatte danach keiner mehr die Lust auf weitere inhaltliche Beratung. Im Raum lag das Gefühl: Der Sender und der Verein passen irgendwie nicht zusammen. Für eine Kooperation keine gute Voraussetzung.

Du-Botschaften haben es an sich, den anderen herabzusetzen. Denn wer eine Du-Botschaft abgibt, der nimmt für sich ja auch in Anspruch, über den anderen urteilen zu können und zu dürfen. Manchmal sind Du-Botschaften gar nicht so schlecht. Es kommt immer auf die Zielsetzung des Gesprächs an. Geht es Ihnen darum, auf den Tisch zu hauen und klare Linien zu ziehen, wählen Sie Du-Botschaften, wenn Sie es sich leisten können, das persönliche Verhältnis anzuknacksen. Oder zumindest dann, wenn wenig Diplomatie gefordert ist.

Zum Beispiel nach einem enttäuschenden Restaurantbesuch: „Sie hier können echt nicht kochen. Auf Nimmerwiedersehen!“ Hier zählt es allein, dem Gastronom am Ende noch einen mitzugeben. Zack und raus.

Sind Sie etwa Bundestagsabgeordneter und fest davon überzeugt, Ihr Gegenspieler sagt zu Ihrem Nachteil öffentlich die Unwahrheit, dann wäre eine Möglichkeit, im Plenum ins Mikrofon zu rufen: „Sie lügen!“

Förderlich für eine vertrauensvolle freundschaftliche Zusammenarbeit ist dies wohl nicht. Es kann natürlich Ihren Ruf als harter Hund unterstreichen.

Geht es Ihnen aber darum, in Ihrer Firma etwa als Leiter von Projekten im Team gemeinsam inhaltliche Erfolge zu erarbeiten, sollten Sie in Diskussionen auf Ich-Botschaften setzen. Auch wenn Du-Botschaften oftmals so wunderbar leicht von den Lippen gehen:

„Immer bist du unpünktlich.“

„Mach dich doch nicht lächerlich.“

„Du verrennst dich.“

„Du denkst echt nur an die Kohle.“

Der Effekt: Meist Abwehrhaltung

Der Effekt bei den Adressaten ist meist einheitlich: Abwehrhaltung. Kein Wunder. Schließlich sieht der Andere sich selbst und sein Handeln weniger kritisch. Denn er hat sein Verhalten ja zu verantworten und hat es im Zweifel selbst so gewollt. Mit Ihrer Du-Botschaft haben Sie den Anderen im Zweifel erst einmal gegen sich. Das ist meist nicht in Ihrem Interesse.

Ich-Botschaften hingegen zeigen erst einmal nur Ihren persönlichen Blickwinkel auf die Situation. Damit begegnen Sie Ihrem Gegenüber auf Augenhöhe. So werden Sie bei ihm am ehesten die Bereitschaft erzeugen, den Konflikt zu lösen. Und Konfliktlösung ist ja das, was alle weiterbringt. Dazu gehört auch, von seinen eigenen Gefühlen, Befürchtungen und Kränkungen zu sprechen. Geben Sie etwas von sich preis. Das zeugt nicht von Schwäche, sondern wirkt sympathisch und kompetent.

Statt „immer bist du unpünktlich“ könnten Sie zum Beispiel sagen: „Wenn ich auf dich warten muss, komme ich mir blöd vor.“

Statt „du verrennst dich“ sprechen Sie von sich: „Ich würde das echt ganz anders angehen.“

Aber Vorsicht vor Schein-Ich-Botschaften. Wer statt „Sie sind ein Egoist“ sagt: „Ich halte Sie für einen Egoisten“ kommt auch nicht weiter.

Bei Ich-Botschaften bewährt sich im Groben folgender Aufbau (nicht erschrecken: Das ist nur eine schematische Aufdröselung zur Anschauung. Keiner muss mit einem Spickzettel losziehen):

Element 1: Legen Sie ganz emotionslos die Situation aus Ihrer Sicht dar und nennen Sie die drohenden Nachteile.

Element 2: Jetzt wird es emotional: Schildern Sie Ihre Gefühle, etwa Befürchtungen oder Ihre Kränkung.

Am Beispiel meines Erlebnisses beim Kinderfernsehen wäre es wohl besser gelaufen, ich hätte nicht gesagt: „Also, offenbar wissen Sie einfach nicht, worauf es hier ankommt“, sondern irgendwie so etwas wie:

„Wenn wir kooperieren wollen, müssen wir uns natürlich über die Stoßrichtung einig sein. Im Moment habe ich allerdings den Eindruck, dass wir weit auseinander liegen (Element 1). Ich hatte ja die Hoffnung, dass Sie uns bei einem Fernsehthema für Kinder da mehr vertrauen, und fühle mich durch Ihre unumstößliche Haltung in meinem Selbstverständnis als Experte auf meinem Gebiet erschüttert. Das nagt jetzt etwas an mir (Element 2). Ich glaube, dass wir uns erstmal darüber unterhalten müssen, welche Kompetenzen wir uns gegenseitig zutrauen.“

Der letzte Satz führt die Diskussion zu einem Lösungsvorschlag. Vor der Definition der Inhalte müssen erst die Rollen der Partner geklärt werden. Kann man so machen, finde ich.

Jetzt ist natürlich klar, dass es im Alltag immer wieder auch Du-Botschaften hageln wird. Sicher auch aus Ihrem Mund. Denn zum einen können in bestimmten Situationen Ich-Botschaften auch als abgehoben und schnöselig rüber kommen. Und einige Botschaften dürfen ja auch gerne mal ein bisschen reinzwiebeln: „Wow, du siehst aus, als hättest du gestern lange gefeiert.“ Oder: „Die Präsi hast du wohl in 10 Minuten zusammengekloppt, wa?“

Aber grundsätzlich gilt: Ich-Botschaften öffnen den Anderen und helfen enorm, Krisen im Job zu lösen. Und Ich-Botschaften haben noch einen anderen Vorteil: Wer von sich spricht, denkt über sich selber nach. Wir erkennen dann, was in uns selber vorgeht. Wer denkt: „Dieser Typ aus der Buchhaltung nervt echt“,  der verschenkt die Chance, sich selber zu überprüfen: „Warum bin ich eigentlich genervt?“

Mit Ich-Botschaften räumen wir ganz nebenbei also auch noch ein bisschen in unserem eigenen Seelenleben auf. Alles während der bezahlten Arbeitszeit. Da kann man nichts sagen, finde ich, du.

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