Karriereleiter

„Schon geimpft?“ – Darf ich Kollegen die Frage stellen?

Seite 2/2

„Lass uns darüber reden, wenn das Virus besiegt ist“

Wie also fragen, ohne übergriffig rüberzukommen?

Ich halte es so: Ich frage es munter fast jede und jeden, kombiniere es aber je nach Konstellation mit weiteren Botschaften. Sodass immer alle wissen, was meine Frage soll. So beuge ich vor, dass der oder die andere Person denkt: „Was geht den das an?“

1. Einer Kollegin, von der ich weiß, dass sie vorerkrankt ist, habe ich vor einigen Wochen signalisiert, dass ich mich um ihr Wohl sorge: „Du hast mir vor einiger Zeit ja mal erzählt, dass es dir nicht so gut geht gesundheitlich. Ich hoffe wirklich für dich, dass du den Pieks schon bekommen hast.“ Woraufhin sie mir ihr Leid geklagt hat. Denn dem war nicht so.

2. Eine Maskenbildnerin habe ich nach ihrer Impfung gefragt mit dem Hinweis, wenn es bei uns allen mit dem Impfen vorangehe, brauchten wir beim Schminken bald nicht mehr solch einen Durchzug zu machen. Letztendlich fände ich es auch legitim zu sagen: „Wenn ich wüsste, dass du geimpft bist, würde ich mich wohler fühlen“, etwa bei Kolleginnen und Kollegen im Großraumbüro oder bei denen, mit denen man im selben Auto fährt.

3. Und wenn ich unsicher bin, ob mein Gegenüber von der Impfung erzählen möchte (etwa bei einem Interviewpartner), erwähne ich meine eigene Erfahrung: „Ach, ist es nicht schön, dass es langsam aufwärtsgeht? In ein paar Wochen kriege ich meine zweite Spritze. Ich hatte bei der ersten gar keine Nebenwirkungen.“
Erkenne ich freudige Zustimmung im Blick, frage ich nach: „Und bei Ihnen?“ Erkenne ich hingegen Teilnahmslosigkeit, halte ich mich mit der Frage zurück. Meistens sprudelt der oder die Andere aber ohnehin gleich los und schwärmt oder beklagt sich über die eigenen Erfahrungen zu Impfterminen und Schmerzen an der Einstichstelle.

4. Antwortet jemand mit "Nein!", Antennen raus: Warum nicht? Terminmangel oder Weltanschauung? Fragen Sie „Warum nicht?“, droht noch am ehesten schlechte Laune, falls der oder die Andere sich in eine Rechtfertigungsposition manövriert fühlt. Ein Hinweis Ihrerseits wie: „Ja, hätte die EU mal früher bestellt“, geht immer. Steigt Ihr Gegenüber nicht drauf ein und sind Sie an eitel Sonnenschein interessiert, lassen Sie es an dieser Stelle gut sein.



Doch was wird passieren, wenn bald die allermeisten geimpft sind, und Nichtgeimpfte zu Außenseitern werden, vielleicht sogar immer mehr spürbare Nachteile in ihrem Alltag hinzunehmen haben werden, weil immer mehr Cafés, Theater, Restaurants oder Fluggesellschaften sagen: Zutritt nur noch mit elektronischem EU-Impfnachweis?

Die wenigsten Menschen werden sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können. Nicht geimpft zu sein trotz der Chance dazu, das wird voraussichtlich ab Herbst als Impfverweigerung auffallen. Also als Ausdruck einer bestimmten kritischen Haltung zu Wissenschaft und Gesellschaft oder zumindest einer Angst, die die meisten nicht teilen. Gleichzeitig geht von Ungeimpften eine Gefahr aus. Denn gerade in den Reihen der Ungeimpften droht das Virus zu mutieren, was dann wiederum die Wirksamkeit der Impfung bei den anderen Menschen bedrohen könnte. Die Erfahrung der Ungeimpften, im Alltag als unbelehrbar zu gelten und ausgegrenzt zu werden, dürfte bei ihnen am Arbeitsplatz nicht gerade die Lust steigern, sich entspannt zur Frage einzulassen, wie sie es denn mit der Impfung halten.

Je mehr Zeit im Jahr verstreicht, desto mehr wird sich beim Empfänger die Wahrnehmung der Frage wandeln von einer neugierigen empathischen Erkundigung hin zu einer Kontrollfrage mit impliziertem Vorwurf. Ob Sie Impfgegner für den gefühlten Sozialdruck bemitleiden möchten, ist allein Ihre Entscheidung. Aber machen wir uns klar, dass die Frage nach der Impfung im Herbst nochmals an Brisanz gewinnen wird.
Möchten Sie es diplomatisch angehen, wird es umso wichtiger sein vorauszuschicken, dass mit der Frage keine Erwartungshaltung verbunden ist (wenn dem denn so ist, denn sonst würden Sie lügen): „Ich frage nur aus Neugier und kann mit jeder Antwort leben …“

Das interessiert WiWo-Leser heute besonders

Geldanlage Das Russland-Risiko: Diese deutschen Aktien leiden besonders unter dem Ukraine-Krieg

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine belastet die Börsen. Welche deutschen Aktien besonders betroffen sind, zeigt unsere Analyse.

Krisenversicherung Warum Anleger spätestens jetzt Gold kaufen sollten

Der Krieg in der Ukraine und die Abkopplung Russlands von der Weltwirtschaft sind extreme Inflationsbeschleuniger. Mit Gold wollen Anleger sich davor schützen – und einer neuerlichen Euro-Krise entgehen.

Flüssigerdgas Diese LNG-Aktien bieten die besten Rendite-Chancen

Mit verflüssigtem Erdgas aus den USA und Katar will die Bundesregierung die Abhängigkeit von Gaslieferungen aus Russland mindern. Über Nacht wird das nicht klappen. Doch LNG-Aktien bieten nun gute Chancen.

 Was heute noch wichtig ist, lesen Sie hier

Fazit: Die Frage „Und? Bist du geimpft?“ – auch kombiniert mit der Frage nach Impfstoff, Abstand zwischen Impfung 1 und 2 und nach Nebenwirkungen – ist zeitgemäß und relevant und meistens auch ein Eisbrecher. Weil es aber im Arbeitsumfeld zu dieser Frage eine gewisse rechtliche Normung gibt und diese Frage gefühlt an ihrem Rande entlang schrappt, preisen Sie das mit ein und erklären Sie den Hintergrund der Frage.

Und wenn Sie selber zu den Gefragten gehören, und nicht antworten möchten, sagen Sie einfach: „Lass uns später drüber reden, wenn das Virus besiegt ist.“ Denn das könnte Jahrzehnte dauern.

Unseren Autor erreichen Sie auch über LinkedIn.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%