Und was ist mit Aspekten wie Empathie oder gar Mitleid?
Wenn es darum geht, den Betroffenen zuzuhören und Ängste und Sorgen zu verstehen, ist Empathie natürlich ganz wichtig, also sich in die Situation hineinzuversetzen und sich zu überlegen, wie es einem selbst erginge. Deshalb halte ich auch nichts von den gängigen Empfehlung aus der Praxis: „Sagen Sie auf keinen Fall, es tue Ihnen leid!“
Warum nicht?
Gerade wenn die Beziehung zwischen Chef und Mitarbeiter langjährig und gut war, würde ich als Mitarbeiter genau das erwarten: Mitgefühl und Verständnis. Mit Mitleid wäre ich vorsichtig, das kann schnell unaufrichtig wirken und hilft dem Betroffenen nicht wirklich weiter, die Kündigung zu verarbeiten und in die Zukunft zu schauen.
Tipps für das Kündigungsgespräch
Verwenden Sie keinesfalls Sätze wie: „Es wird schon nicht so schlimm werden!“, „Mach Dir keine Sorgen!“ oder „Das Leben geht doch weiter!“
Floskeln vermitteln dem Gekündigten nur, dass Sie mit seinen Emotionen nicht zurechtkommen. Sie wirken dadurch verunsichert. Ihre möglicherweise gute Absicht, Trost zu spenden, wird jedenfalls nicht erreicht.
Sagen Sie nicht: „Wenn ich hätte wählen können, hätte ich den Müller rausgeworfen, nicht Dich!“ oder „Was soll ich denn machen? Ich habe das ja nicht entschieden!“
So vermitteln Sie nur Hilflosigkeit und verdrehen das Geschehen auf eine fast unlautere Art und Weise: Sie zwingen den Anderen, Sie als „Opfer“ mit seinem berechtigten Schmerz zu verschonen. Außerdem müssten Sie damit rechnen, dass der betroffene Mitarbeiter seinen Gefühlen bei den Kollegen freien Lauf lässt.
Gehen Sie nicht lax oder fahrlässig mit den Gefühlen Ihrer verbliebenen Mitarbeiter um! Sparen Sie sich scheinbare Aufmunterungen wie „Ihr könnt Euch freuen, Euch betrifft es ja nicht!“
Erkennen Sie stattdessen deren Emotionen an. Es ist für niemanden einfach, wenn Kollegen entlassen werden – die Gefühle bewegen sich von Hilflosigkeit, Scham und schlechtem Gewissen gegenüber den gekündigten Kollegen bis hin zu Sorge und Ärger aufgrund der neuen Mehrarbeit.
Machen Sie grundsätzlich keine Aussagen über anstehende Entlassungen. Falls aber einer Ihrer Mitarbeiter nachfragen sollte, geben Sie ihm kleine Bissen Information. So vermeiden Sie, dass die Gerüchteküche erst richtig brodelt und möglicherweise unter den Mitarbeitern ein Hauen und Stechen beginnt.
Bleiben Sie bei der Wahrheit! Geben Sie den Bleibenden keine anderen Begründungen für die Kündigung als dem Gekündigten. Wenn auch nur einer der entlassenen Kollegen über die wahren Hintergründe spricht, haben Sie Ihr Image nachhaltig geschädigt. Das Vertrauen in Sie als Vorgesetzter ist dann verloren. In so einem Fall ist es sehr schwer, eine Mannschaft wieder in die Spur zu bringen.
Kritiker werden sich fragen, ob solche Rollenspiele mit ein paar Dutzend Teilnehmern für das echte Leben relevant sind. Was entgegnen Sie?
Über die Praxistauglichkeit haben wir uns ebenfalls Gedanken gemacht und sowohl das Training als auch die aufgezeichneten Rollenspiele Personalexperten vorgelegt. Diese attestierten uns den Nutzen des Trainings, insbesondere weil der Fairnessaspekt in der Praxis bislang zu fehlen scheint. Auch die Rollenspiele beurteilten die Experten als realistisch und vor allem die „unfair“ verlaufenden als sehr nahe an echten Kündigungsgesprächen.
Der Bedarf von Praktikern scheint also vorhanden zu sein …
… ja. Dennoch können unsere Studien natürlich nur ein erster Schritt sein. Es ist mehr Forschung, vor allem in Kooperation mit der Praxis nötig, um unsere Ergebnisse abzusichern.
Aber Sie können ja kaum echte Kündigungsgespräche beobachten.
Eben, daher sehe ich keine wirkliche Alternative zu Rollenspielen. Echte Kündigungsgespräche zu beobachten, wäre sowohl aus datenschutzrechtlichen als auch ethischen und moralischen Gründen unangemessen. Und welches Unternehmen möchte schon Wissenschaftler während eines Personalabbaus um sich haben? Außerdem sind unsere Ergebnisse eigentlich gerade deshalb so relevant, weil es nur Rollenspiele waren: Obwohl es keine realen Situationen und unsere Teilnehmer „naiv“ waren, hatte ein einmaliges, kurzes Training schon große Effekte. Das gibt Anlass zu hoffen, dass echte Führungskräfte in echten Kündigungssituationen noch stärker von diesem Wissen profitieren können.
Wissenschaftlich fundierte Gesprächsleitfäden für Trennungsgespräche gibt es in vielen Unternehmen aber nicht. Wenn Sie einen formulieren müssten, was gehört neben dem Punkt „Fairness“ auf die Liste?
Da ist er wieder, der Leitfaden. Ein Gesprächsleitfaden, der den Führungskräften eine Orientierung gibt, was im Kündigungsgespräch gesagt und welche Struktur eingehalten werden muss sollte, ist sicherlich wichtig, um ihnen eine gewisse Grundsicherheit zu geben. Aber Leitfäden ersetzen eben nicht, sich mit dem Mitarbeiter und seiner individuellen Situation auseinandersetzen. Und sie ersetzen schon gar nicht die Zeit, die Chef und Mitarbeiter vorher zusammengearbeitet haben.
„Fairness“ und „Empathie“ auf den Leitfaden zu setzen, reicht also nicht.
Genau, vor allem dann nicht, wenn die Beziehung schon vorher nicht gestimmt hat. Fairness funktioniert nur, wenn sie authentisch ist. Und das ist sie nur, wenn die Zusammenarbeit zwischen Chef und Mitarbeiter konstant durch eine faire und respektvolle Beziehung gekennzeichnet war.
Das Training muss also viel früher ansetzen als unmittelbar vor der Trennung. Es sollte ein Teil der regulären Führungskräfteentwicklung sein, um ein faires Miteinander im alltäglichen Umgang zu etablieren – und nicht nur dann, wenn Kündigungen anstehen.