Lohnunterschiede Frausein darf kein Armutsrisiko sein

Finanzielle Emanzipation: Noch immer werden Frauen im Schnitt schlechter bezahlt als Männer - womöglich auch, weil der Staat ökonomische Fehlanreize setzt. Quelle: imago images

Emanzipiert ja – aber finanziell unabhängig? Noch immer sind die Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern groß. Das liegt auch an falschen Rollenbildern und ökonomischen Fehlanreizen. Fünf Thesen für mehr Freiheit.

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Katja Suding ist stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende im Bundestag und Vizechefin der FDP.  

Es ist 2021 – und noch immer gibt es in Deutschland – teils erhebliche – Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen. Der Wert (um strukturelle Faktoren bereinigt) ist Ausdruck echter Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Darüber hinaus sind es aber vor allem sozial geprägte Rollenbilder und ökonomische Fehlanreize, die zu diesen Lohnunterschieden führen. Das ist inakzeptabel.

Wir müssen es als gesellschaftliche Pflicht begreifen, diese Benachteiligung abzubauen. In einer liberalen Gesellschaft kann und darf der Staat seinen Individuen keine Rollen aufdrängen. Vielmehr muss Politik echte Wahlfreiheit für alle ermöglichen. Wie also kann verhindert werden, dass Frausein ein Armutsrisiko ist? Fünf Thesen zu entscheidenden Faktoren: 

Katja Suding ist stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende im Bundestag und stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende.  Quelle: dpa

1. Stereotype verzerren die Wirklichkeit und beeinflussen die Vorstellung über das eigene Potenzial.
„Mädchen können kein Mathe“ hält sich beharrlich als Vorurteil – und prägt so die Selbstwahrnehmung junger Frauen und Mädchen. Internationale Vergleichsstudien zeigen längst, dass die mathematische Leistungsfähigkeit keine Frage des Geschlechts ist. Trotzdem vertrauen selbst die leistungsstarken Mädchen weniger in ihre Mathe-Fähigkeiten als Jungen auf vergleichbarem Leistungsniveau. Damit Mädchen ihre Potenziale wirklich frei entfalten können, müssen wir solche Stereotypen aufbrechen. Wenn Mädchen über eine MINT-Karriere nachdenken und sich die Tür zu gut bezahlten Jobs erschließen wollen, dann darf ihnen die Lust daran weder von Eltern noch von gesellschaftlichen Klischees genommen werden. Darum braucht es aufgeklärte Erzieher und Lehrerinnen, die einfältige Rollenbilder nicht schon im Kindesalter (un-)bewusst verstärken. Kooperationen zwischen Schulen und Unternehmen können die vielfältigen Möglichkeiten in der Berufsorientierung aufzeigen.

2. Der Staat setzt ökonomische Fehlanreize für die Reproduktion überholter Geschlechterrollen.
Wir wissen um die Lenkungskraft steuerlicher Anreize. Darum muss sich Leistung auch finanziell lohnen – und zwar gleichermaßen für Männer und Frauen. Die Realität aber sieht anders aus: Die Aufteilung in Steuerklasse III und V, das konservative Elterngeld oder auch – in Zeiten geschlossener Schulen und Kitas besonders aktuell – der Ausschluss der (mehrheitlich männlichen) Privatversicherten vom Kinderkrankengeld zementieren mit Milliardenbeträgen eine Erwerbsverteilung aus dem letzten Jahrhundert. Der Staat muss seinem verfassungsrechtlichen Auftrag zur Gleichstellung der Geschlechter endlich auch fiskalisch nachkommen.



3. Sorgearbeit, die noch immer mehrheitlich weiblich ist, hat einen Preis.
Fehlende Kita-Plätze, Pflegebedürftige, die zuhause und überwiegend von Angehörigen versorgt werden – die größte Last dabei tragen üblicherweise Frauen. Und zwar unbezahlt. Frauen reduzieren häufiger als ihre Partner ihre Erwerbsarbeit, wenn Kinder geboren sind oder (Groß-)Eltern die Unterstützung ihrer Familie brauchen. Die Coronakrise hat hier viele der Emanzipationserfolge von Jahrzehnten zunichte gemacht. Frauen sichern den Zusammenhalt unserer Gesellschaft und opfern dafür einen Teil ihrer finanziellen Unabhängigkeit. Der massive staatliche Ausbau der Betreuung von Jung und Alt, bessere Bezahlung von Berufen, die mehrheitlich von Frauen ergriffen werden, ein höherer Entlastungsbetrag für Alleinerziehende oder auch die Erleichterung des Rentensplittings hätten ohne Frage einen hohen Preis. Dieser dürfte aber weit unterhalb dessen liegen, was Frauen bislang die Einschränkung ihrer finanziellen Selbstbestimmung kostet.

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4. Weibliche Karrieren brauchen einen Kulturwandel in Unternehmen.
Immer wieder zeigen Studien, dass Frauen bessere Bildungsabschlüsse als Männer erwerben. Der Weg ins Top-Management ist für sie aber dennoch oft viel steiniger als für ihre männlichen Kollegen. Unternehmen brauchen eine neue Offenheit für atypische Unternehmenskarrieren. Weder Geburt eines Kindes noch Elternzeit dürfen für Frauen auf dem Weg zur nächsten Beförderung zum Malus werden. Dafür braucht es ein faires Wiedereinstiegs-Management im Job. Eine neue Kultur der Führung in Teilzeit eröffnet zudem Frauen wie Männern gleichermaßen neue Flexibilität und bricht alte Rollenbilder. So werden weibliche (Top-)Karrieren in der Wirtschaft endlich zur Normalität.

5. Echte Selbstbestimmung braucht finanzielle Unabhängigkeit.
Zur letzten Erhebung in 2019 sank der Gender Pay Gap erstmals unter 20 Prozent. Das ist gut. Aber solange das Lebenserwerbseinkommen von Frauen nur halb so hoch ist wie von Männern, gibt es weder Leistungsgerechtigkeit noch echte Gleichstellung. Um Freiheit für jedes Individuum zu verwirklichen, braucht es aber finanzielle Unabhängigkeit für die und den Einzelnen. Mit einem Kulturwandel in der Köpfen – in Unternehmen wie in der Gesellschaft – und einer ökonomischen Gleichstellung durch den Staat. Es muss unsere gemeinsame Verpflichtung sein, weibliche Benachteiligung endlich zu beenden.

Mehr zum Thema: Die geplante Frauenquote löst schon jetzt Nervosität unter Deutschlands Headhuntern aus. Denn Managerinnen für Spitzenjobs sind rar.

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