Fähigkeiten einschätzen Wie reduziert man die eigene Selbstüberschätzung?

Hochmut und Fall. Quelle: Getty Images

Die große Mehrheit unserer Entscheidungen beruht auf einer sehr optimistischen eigenen Einstellung gegenüber Ungewissheit. Das Ergebnis: Viele trauen sich selbst alles zu – gegen jede Wahrscheinlichkeit.

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Ohne gesundes Selbstvertrauen kommt man nicht weit. Wer sich eine Aufgabe gar nicht erst zutraut und sie lieber andere erledigen lässt, wird nie erfahren, ob er sie nicht doch mit Bravour gemeistert hätte. Wer stets verzagt und nie etwas wagt, bleibt ungesehen. Einerseits.

Andererseits sind gesunde Skepsis und eine realistische Einschätzung der eigenen Fähigkeiten wichtig, um sich nicht zu übernehmen. Wenn Menschen zu optimistisch sind, unbekannte Situationen bewältigen zu können, resultiert dies in übermäßigem Selbstvertrauen. Das hat eine großangelegte Studie mehrerer europäischer Universitäten herausgefunden, die in der Fachzeitschrift „Management Science“ erschienen ist. Und solch übersteigertes Selbstvertrauen hat für Manager und Unternehmen reale und messbare Folgen: Es führt zu unternehmerischen Fehlentscheidungen.

Mit Ungewissheit sind Menschen beinahe täglich konfrontiert, im Alltag, in der Ausbildung und im Job. Je höher in der arbeitsweltlichen Hierarchie, desto häufiger stehen Entscheidungen unter Unsicherheit an.

Ein Vorstandschef, der über die Übernahme eines anderen Unternehmens nachdenkt, sieht sich mit Unklarheit und Unsicherheit konfrontiert. Nicht ganz so weitreichend, aber doch mit Konsequenzen behaftet ist die Entscheidung einer Studentin, die sich überhaupt nicht auf eine Prüfung vorbereitet hat, trotzdem zum Termin zu erscheinen. „Sie ist vielleicht nicht sehr zuversichtlich, dass sie eine gute Note bekommen wird, aber aufgrund der optimistischen Einstellung, ist sie dennoch bereit, das Risiko einzugehen“, erläutert Studienleiter Mohammed Abdellaoui von der Wirtschaftshochschule HEC Paris.

Menschen überschätzen Wahrscheinlichkeiten

Das Gleiche gelte für „Menschen, die einen großen Bankkredit aufgenommen haben, den sie nach einer bestimmten Zeit zurückzahlen müssen, und auf sich selbst setzen, dass sie es schaffen werden“. In allen drei Beispielen könnten die überoptimistische Einstellung und die Missachtung von Fakten dazu führen, dass man seinen Verpflichtungen nicht nachkommt.

Der Vorstandschef hat schon mal eine Fusion gestemmt, hält sich für absolut im Stande, auch diese Übernahme zu einem Erfolg fürs eigene Unternehmen werden zu lassen – und verhebt sich. Die Studentin denkt sich, wird schon schiefgehen, obwohl sie überhaupt keine Ahnung hat – und muss wegen der verkorksten Klausur ein Semester länger studieren. Kreditnehmer sind der festen Überzeugung, die Zinsen schon bedienen zu können – anstatt den Kredit realistisch durchzurechnen und anzuerkennen, dass hier nicht Glück oder Können entscheidend ist, sondern Wahrscheinlichkeit.

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Abdellaoui und seine Kollegen zeigen anhand von zwei Experimenten mit mehr als 460 Teilnehmern, wie übermäßiges Selbstvertrauen durch eine Mischung aus tatsächlichen Überzeugungen und Einstellungen gegenüber Ungewissheit beeinflusst wird. Die Teilnehmer mussten etwa einen Test bestehend aus einem Fragebogen bewältigen und einschätzen, wie sie selbst abschneiden und im Vergleich zur Grundgesamtheit dastehen würden. Die Forscher stellten fest, dass 83 Prozent der Probanden ihre Testergebnisse sehr optimistisch einschätzten. Ein Ergebnis ihrer eigenen Überzeugungen und einer Überschätzung von Wahrscheinlichkeiten.

Selbstüberschätzung kann eine enorme Macht entfalten – und andere blenden. Extreme Formen schlagen sich in Arroganz oder Narzissmus nieder.

Wie reduziert man Selbstüberschätzung?

Der Dunning-Kruger-Effekt wiederum beschreibt das Phänomen, die eigenen Fähigkeiten zu überschätzen, um sich selbst als kompetent darstellen zu können. Zwei US-Psychologen fanden Ende der 1990er-Jahre heraus, dass inkompetente Menschen oft ihre eigenen Fähigkeiten überschätzen – um ebenjene Inkompetenz zu verschleiern. Gleichzeitig sind sie unfähig, ihre Inkompetenz zu erkennen. Bedingt durch diese Ignoranz tun sie nichts gegen ihre Inkompetenz, verharren darin. Und unterschätzen wiederum die überlegenen Fähigkeiten anderer.

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Wie aber rückt man die Fehleinschätzungen zurecht, wie dimmt man Selbstüberschätzung herunter? „Die eigene Haltung gegenüber noch unbekannten Ereignissen beeinflusst maßgeblich die Selbsteinschätzung“, sagt Management-Professor Abdellaoui. Wer Entscheidungen fälle, müsse dabei immer auch seine eigenen Überzeugungen und „möglicherweise verzerrte persönliche Einstellungen“ berücksichtigen und hinterfragen.

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