Social-Media-Trend #DearIntern: Die Anfängerfehler der Manager

Nur nicht den Kopf in den Sand stecken: Bei Fehlern kommt es vor allem darauf an, wie man mit ihnen umgeht. Quelle: imago images

In sozialen Medien erzählen Berufstätige von ihren größten Patzern aus Praktikantenzeiten. Auch eine deutsche Top-Managerin macht mit. Was sie aus ihren Fehlern gelernt haben – und welche Rolle die Fehlerkultur spielt.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Eigentlich ist die Geschichte, die einen weltweiten Trend unter Berufstätigen ausgelöst hat, schon zwei Jahre alt. Im Juni 2021 ging eine leere Test-E-Mail an Tausende HBO-Max-Kunden. Der Streamingdienst entschuldigte sich via Twitter dafür – und schrieb außerdem: „Ja, es war der Praktikant.“ Man stehe dem Berufsanfänger als Unternehmen bei.

Seitdem gibt es den Hashtag #DearIntern, also „lieber Praktikant“. Und gerade erzählen wieder vor allem auf TikTok, Twitter und LinkedIn teils sehr erfolgreiche Berufstätige von ihren Patzern als Berufsanfänger. Auch große Unternehmen haben sich daran humorvoll beteiligt.

Die Geschichten der Nutzer sind oft skurril und meistens unterhaltsam. Viele, die ihre Flops aus der Praktikantenzeit teilen, haben mittlerweile viel Verantwortung, Unternehmen gegründet – und Nachwuchskräfte unter sich. Häufig geht es um peinliche Schreibfehler, falsche E-Mail-Anhänge und Infos, die nicht die richtigen Adressaten erreichten. Aber die Patzer gehen auch weiter. So erzählt der Mitgründer der App SoundMind, Travis Chen, bei LinkedIn von einem Sommerpraktikum bei einer Beratung. Demnach gab er sich zwei Monate Mühe, seinen Vorgesetzten zu beeindrucken – was gut gelang. Doch seine letzte wichtige Aufgabe vergeigte er: Chen sollte ein Unternehmen analysieren und danach in einer wichtigen Sitzung präsentieren. Kurz vor dem Meeting stellte sich jedoch heraus: Er hatte die falsche Firma untersucht.

Ein anderer berichtet, als 19-jähriger Praktikant in der Öffentlichkeit über streng vertrauliche Details einer Kampagne gesprochen zu haben. Eine Nutzerin erzählt, 100.000 Flugblätter für ein Hotel gedruckt und verteilt zu haben. Dumm nur: Sie gab als Kontaktmöglichkeit versehentlich die Telefonnummer der Eltern an statt die des Hotels – woraufhin sie wochenlang den heimischen Anrufbeantworter abhören und Anfragen mitschreiben musste. Wieder eine andere LinkedIn-Nutzerin, mittlerweile Managerin an der New York University, berichtet, wie sie Dokumente per Fax verschicken wollte – und durch eine falsche Zahlenkombination eine Notrufzentrale erreichte, die dann auf dem Faxgerät anrief. Später tauchten gar Polizisten im Büro auf, um nach dem Rechten zu sehen.

#DearIntern: Der Umgang mit Fehlern ist entscheidend

Was viele Berufstätigen eint, die unter #DearIntern ihre Geschichten aus Anfangstagen teilen: Sie berichten, was sie daraus gelernt haben. Gründlich sein beispielsweise, auf Details achten. Wie wichtig die Reaktion der damaligen Führungskraft war – und wie sie den eigenen Führungsstil noch heut prägt. So unterhaltsam der Trend sein mag, so zeigt er vor allem, wie wichtig eine gute Fehlerkultur ist.

Frank Kübler berät Unternehmen in Kulturfragen und coacht Führungskräfte. „Gesunde Organisationen fördern eine offene Fehlerkultur“, sagt er, „in der Fehler als Lernchance betrachtet werden und Mitarbeiter Verantwortung übernehmen“. Zudem herrsche dann eine unterstützende Umgebung, auch Führungskräfte sprechen bestenfalls über ihre Fehler und was sie daraus mitnehmen. In Unternehmen, in denen eine „toxische Kultur“ der Schuldzuweisung herrsche, würden Fehler versteckt – aus Angst vor Strafe. Das führe außerdem dazu, dass sich Beschäftigte passiver verhielten.

Daher rät Kübler Unternehmen zu Mentoringprogrammen, Feedbackstrukturen sowie Weiterbildungen zum Thema Fehlerkultur. Unterstützen könnten auch Beispiele von erfolgreichen Managern, deren Karrieren auch mit Fehlern begannen.

Was die deutsche Managerin Esther Bahne als Praktikantin gelernt hat

Auch Esther Bahne schloss sich dem Trend an: Die Managerin – früher unter anderem Marketingchefin der Automarke Mini und nun Mitglied in der Geschäftsführung des Cleantech-Unternehmens Rock Tech Lithium – berichtete ebenfalls von ihrem größten Flop als Berufsanfängerin. Die Geschichte geht so: Bahne war 21 Jahre alt, Praktikantin bei einer PR-Agentur in New York und unterstützte ein Team dabei, den Auftrag eines Medikamentenherstellers zu gewinnen. Nach einem Pitch für das Pharmaunternehmen entstand die Idee, eine kleine Espe – auch Zitterpappel genannt – als Geschenk nachzusenden: Eine Aufmerksamkeit, um im Gedächtnis zu bleiben. Bahne beschreibt ihn ihrem LinkedIn-Post, wie sie herumtelefonierte, mit der Firmenlimousine schließlich zu einem weit entfernten Gartencenter fuhr, einen zweieinhalb Meter großen Baum kaufte und diesen dann lädiert bei einer perplexen Produktmanagerin ablieferte. „Die Idee war offensichtlich ein Miniaturbäumchen“, erzählt sie im Gespräch mit der WirtschaftsWoche und lacht.

Was ihr damals half: Bahnes Chefin reagierte entspannt. Auf das Missgeschick folgte direkt das nächste große Projekt. Diesen Führungsstil habe sich Bahne zum Vorbild genommen. Sie findet: Wie Führungskräfte mit Fehlern von Berufsanfängern umgehen, sei für Letztere richtungsweisend. „Gerade die frühen Chefinnen und Chefs prägen Berufsanfänger total.“

Sie sieht den #DearIntern-Trend deshalb vor allem als einen, der Führungskräfte daran erinnern soll, wie wichtig ihre Haltung für Anfänger ist. „Praktikanten sollen möglichst viel lernen und viele Erfahrungen sammeln“, sagt Bahne. „Und da passieren auch Fehler.“ Dafür brauche es Freiräume und ein gewisses Maß an Verantwortung. Sie findet es deshalb schade, dass in manchen Unternehmen Personen, die ein Praktikum absolvieren, lediglich recherchieren dürfen. Das sei das Pendant zum Kopieren.

WiWo Coach Gesetzliche Rente oder Versorgungswerk – was ist besser?

Als Anwalt kann unser Leser bei der gesetzlichen Rentenversicherung oder einem Versorgungswerk einzahlen. Was lohnt eher? Rentenberater Markus Vogts antwortet.

Abwanderungswelle bei Sixt „Es beiden recht zu machen, ist eine unlösbare Aufgabe“

Der robuste Führungsstil von Sixt-Gründer Erich Sixt war legendär. Seine Söhne übertreffen ihn wohl noch. Die Abgänge häufen sich. Der Digitalvorstand ist schon weg, ein Finanzchef wird mal wieder gesucht.

Biontech „Das würde ein neues Zeitalter in der Krebstherapie einleiten“

Biontech arbeitet an über zwanzig Medikamenten gegen Krebs. Der Mediziner und Fondsmanager Markus Manns erklärt, wo es Hoffnung gibt, welche Präparate die besten Chancen haben – und wo es noch hakt.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Die Managerin hat mittlerweile selbst viele Berufsanfänger bei ihren ersten Schritten begleitet. Sie rät, auf Fehler gelassen zu reagieren. Im Normalfall passiere schließlich nichts, was einem Unternehmen ernsthaft schaden könne. Bei einem Missgeschick sollte man sich als Führungskraft vor die Nachwuchskräfte stellen, sagt sie – und ihnen vermitteln, dass Fehler nicht tragisch sind. Zu einem späteren Zeitpunkt könnte man dann in Ruhe besprechen, was schiefgelaufen ist. Und direkt die nächste Aufgabe mitgeben.

Lesen Sie auch: Diesen Mitarbeitern können Chefs im Homeoffice blind vertrauen

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%