




WirtschaftsWoche: Mieses Gehalt, langweilige Aufgaben, unfairer Chef, gemeine Kollegen: Wann sollte ich über einen Jobwechsel nachdenken?
Jürgen Hesse: Der wichtigste Jobzufriedenheitsfaktor ist der Vorgesetzte und nicht, wie man vielleicht denken könnte, das Geld. Ich finde es schon frappierend, dass wir so stark angewiesen sind auf die Zustimmung, auf das Freundliche und auf das Gestreichelt werden durch unseren Vorgesetzten.
Aber nicht jeder will gehätschelt werden, manche müssen gefördert werden…
Ich war kürzlich auf einer Veranstaltung, bei der mir Lehrer gesagt haben, dass sie ihre Bestätigung aus den Leistungen ihrer Schüler ziehen und Ärzte, die sagten, die Heilung ihrer Patienten sei ihnen Wertschätzung genug. Das glaube ich auch alles, aber wenn ein Arzt einen Oberarzt hat, der nie auf dessen Wünsche eingeht oder ein Lehrer einen Direktor, der ihn immer kritisiert, ist das auf Dauer nicht gut.

Wir brauchen die Anerkennung von Oben?
Das kennen wir ja von Mama und Papa, dann vielleicht von älteren Freunden oder dem Lehrer und so setzt sich das ganz einfach fort. Und ich glaube auch, dass der Vorgesetzte da eine ganz wichtige Funktion hat. Deshalb ist der Chef natürlich auch ein wichtiger Faktor für einen Jobwechsel.
Bei einem schlechten Chef hilft also auch das höchste Schmerzensgeld nichts.
Ganz genau.
Gibt es eine Faustformel, welche Faktoren unbedingt stimmen müssen?
Wenn ich mit meinem Vorgesetzten Probleme habe und ich mich nicht wertgeschätzt fühle, wird es Zeit über einen Wechsel nachzudenken. Das ist das eine. Sicherlich trifft das an zweiter Stelle auch auf die Kollegen und die Kunden zu. Erst an dritter Stelle kommt die Identifikation mit der Aufgabe, also ob ich einen tieferen Sinn in dem sehe, was ich tue und ob mir das Spaß macht. Erst ganz zum Schluss kommen die Konditionen: Muss ich pendeln und brauche eine Stunde oder länger bis zum Arbeitsplatz, muss ich schon um fünf Uhr aufstehen, habe ich eine gewisse Flexibilität und last but not least die Bezahlung.
Das klingt, als wäre es uns fast egal, für welches Gehalt und was wir arbeiten, so lange nur die Kollegen und der Chef nett sind.
Wie Sigmund Freud gesagt hat: Geld war kein Wunsch in den Kindertagen. Deswegen wird Geld als Motivationsfaktor gnadenlos überschätzt.
Worauf die Deutschen bei einem neuen Job Wert legen
97 Prozent der 2014 von forsa befragten 2.001 Bundesbürger sagten, dass sie bei einem neuen Job sehr viel Wert auf angenehme Kollegen legen.
Nur knapp dahinter folgt der sichere Arbeitsplatz, den 96 Prozent als sehr wichtig erachten.
95 Prozent wünschen sich Respekt und Anerkennung durch die Vorgesetzten.
Ein gutes Gehalt ist 93 Prozent wichtig beziehungsweise sehr wichtig.
90 Prozent wünschen sich von der neuen Stelle, dass sie abwechslungsreiche Tätigkeiten mit sich bringt.
Für 89 Prozent ist es wichtig bis sehr wichtig, dass der neue Job unbefristet ist.
88 Prozent der Befragten sagten, dass ihnen die Moralvorstellungen und das Leitbild des Unternehmens wichtig sind. Ebenfalls 88 Prozent legen sehr großen Wert darauf, dass sie Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten im neuen Unternehmen haben.
Flexible Arbeitszeiten wünschen sich 70 Prozent im neuen Job.
Wichtig beziehungsweise sehr wichtig finden 65 Prozent Mehrwertleistungen des Unternehmens wie beispielsweise eine Betriebsrente, Mitarbeiterrabatte oder einen Dienstwagen.
64 Prozent wünschen sich, im neuen Unternehmen für besonders gute Leistungen auch Bonuszahlungen zu bekommen.
59 Prozent wünschen sich im neuen Job Führungsverantwortung zu übernehmen, zumindest aber, Projektleiter zu werden.
Wenn die Motivation nicht mehr stimmt und mein Chef mich nicht wertschätzt, soll ich also nicht nach einer Gehaltserhöhung fragen, sondern die Kündigung einreichen.
Wenn ich schon spätestens am Sonntag ungute Gefühle habe, weil der Montag kommt und es mich davor graut oder wenn ich Schlafstörungen entwickele oder sogar richtig Angst davor habe, zur Arbeit zu gehen, sind das eindeutige Indikatoren dafür, dass man sich nach einem neuen Job umschauen muss. Da hat man einfach etwas Besseres verdient.
Wenn die Unzufriedenheit mit dem Job sich schon in körperlichen Symptomen niederschlägt, ist es aber auch höchste Eisenbahn…
Viele Menschen sind nicht so entscheidungsfreudig und gehen mit diesen Wechsel-Gedanken ziemlich lange schwanger.