Verhandlungsgeschick „Viele Männer sind zu sehr mit sich selbst beschäftigt“

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Frauen verhandeln schlechter als Männer? Für den Experten Thorsten Hofmann ist das nur ein Klischee. Ein Interview über die richtige Vorbereitung, echte Härte – und den Wert des aufmerksamen Zuhörens.

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Frauen verdienen in Deutschland 18 Prozent weniger als Männer - über alle Branchen und Bereiche hinweg. Ein Grund dafür liegt auch darin, dass sie in Gehaltsverhandlungen schlechter abschneiden als ihre männlichen Kollegen. Dabei ist Verhandlungsgeschick ein Handwerk, das jede und jeder erlernen kann, sagt Thorsten Hofmann. Er leitet das Center for Negotiation an der Quadriga Hochschule Berlin. Als Ermittler des Bundeskriminalamts und Interpol hat er lange mit Erpressern und Geiselnehmern verhandelt. Heute berät er Unternehmen, Verbände und Politik.

WirtschaftsWoche: Sie sagen, verhandeln ist vor allem ein Handwerk. Wer beherrscht es denn besonders gut? An wem können wir uns orientieren?
Thorsten Hofmann: Im internationalen Kontext galt etwa der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger als ein besonders versierter Verhandler. Er schaute sich immer genau sein Gegenüber und deren Persönlichkeitsstil an, um den richtigen Ansatz zu wählen. Selbstbezogene Persönlichkeiten wie zum Beispiel Donald Trump etwa muss man loben. Wenn man einer wachsamen Persönlichkeit wie Angela Merkel gegenübersitzt, dann bringt das wenig, schlimmer noch: Es führt sogar zu Misstrauen. Außerdem galt Kissinger als begnadeter Zuhörer.

Dass es bei einer Verhandlung wichtig sein sollte zuzuhören, klingt erst einmal überraschend.
Es ist ein Irrglaube, dass ein guter Verhandler ein guter Rhetoriker ist. Erfolgreiche Verhandler bestreiten statistisch gesehen gerade mal 35 bis 40 Prozent der Zeit mit ihren eigenen Worten. Nur wer zuhört, erfährt etwas. Wenn wir unter Stress geraten, neigen wir dazu, mehr zu reden – und bilden uns ein, die Situation so zu kontrollieren. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Übrigens ist das aufmerksame Zuhören genau die Fähigkeit, die auch Angela Merkel mitbrachte. Sie galt nicht zuletzt deshalb als so gute Verhandlerin, weil sie sich selbst zurücknehmen konnte.

von Varinia Bernau, Henryk Hielscher, Christian Schlesiger

Eine typisch weibliche Stärke?
Vielleicht. Jedenfalls gibt es einige äußerst erfolgreiche Verhandlerinnen. Falls Sie sich im Fußball auskennen, sagt Ihnen der Name Marina Granowskaja vielleicht etwas.

Ich gebe zu: Von Fußball habe ich keine Ahnung.
Marina Granowskaja ist Direktorin vom FC Chelsea. Und sie gilt als knallharte Verhandlerin.

Was zeichnet sie aus?
Die Fähigkeit, genau zu beobachten und zuzuhören. Ein Satz ist von ihr überliefert aus den Verhandlungen um den Transfer des seinerzeit sehr begehrten Spielers John Terry. Die Sache war ziemlich ins Stocken geraten – bis sie irgendwann zu Terry sagte: Take it – or fucking leave it. Terry unterschrieb.

Nicht gerade die Art von Kommunikation, die wir klassischerweise einer Frau zutrauen würden.
Sie hat das natürlich nicht einfach so rausgehauen. Sie hat die Motive von Terry, die Rahmenbedingungen, seine Stimmung permanent beobachtet. Und irgendwann, als die Situation für sie optimal war, hat sie diesen Punkt gesetzt. Man muss den anderen beobachten, und permanent analysieren um ihn steuern zu können. Und das können Frauen vielleicht wirklich etwas besser. Viele Männer sind in der Verhandlung zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Dabei kann man diese Aufmerksamkeit durchaus trainieren.

Wie denn?
Viele machen sich vor der Verhandlung ihre Gedanken: Was will der andere? Was wird er tun? Wie wird die Verhandlung laufen? Man baut sich also ein Gerüst aus Vorannahmen auf.

Gute Vorbereitung eben.
Stimmt. Und das ist auch wichtig. Das Problem ist nur: Wir suchen, teilweise unbewusst, nach all dem, was die Vorannahmen bestätigt. Das ist wie ein Filter. Vieles andere, was da sonst so passiert, fließt daran vorbei.

Wie geht’s besser?
Indem wir danach suchen, was gegen unsere Annahmen spricht - und nicht dafür. Das ist der erste Schritt, damit ich in der Verhandlung wirklich aufmerksam bleibe. Der zweite: Ich muss meinen Stress am Verhandlungstisch kontrollieren können. Wer unter Stress steht, kriegt einen Tunnelblick.

Gibt es typisch weibliche oder typisch männliche Handlungsmuster?
Das, was ich gerade beschrieben habe, ist ein Handwerkszeug. Das kann jeder und jede lernen. Was zwischen Mann und Frau manchmal ein bisschen unrund läuft, ist das Dekodieren.

Also wenn ein Mann und eine Frau miteinander verhandeln, kann es eher mal haken, als wenn zwei Männer miteinander verhandeln?
Wir dekodieren die nonverbalen Signale manchmal falsch. Wenn eine Frau freundlich ist, kann das als zu weich gedeutet werden. Und dann wundert man sich, dass diese Frau trotzdem etwas haben möchte. Wir alle sind von bestimmten Rollenmustern geprägt – und erliegen häufig der Annahme, ein Mann müsse ein harter und starker Verhandler sein und eine Frau könne das nicht. Das Missverständnis, das dem zugrunde liegt, ist unsere Vorstellung davon, was eigentlich hart und stark ist. Bei seiner Position zu bleiben? Das ist das Einfachste. Nein sagen kann jeder. Mit der Folge, dass die Sache irgendwann voll gegen die Wand kracht. Aber den anderen zu lenken, ihn zu einem Punkt zu bekommen, an dem er zu Konzessionen bereit ist, mit ihm eine Lösung kreieren - das ist wirklich hart. Und dabei muss ich hart zu mir selbst sein, weil ich meine Emotionen und meine Sprache disziplinieren muss.

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