Um in Deutschland etwa Medizin studieren zu dürfen, brauchen Abiturienten einen Spitzenabschluss - und selbst dann unter Umständen Geduld. Grund dafür ist die Studienplatzbegrenzung durch den Numerus Clausus. Denn der Weg zu einem der begehrten Studienplätze führt über die Stiftung für Hochschulzulassung. Ob diese Vergabebedingungen mit dem Grundgesetz vereinbar sind, überprüft jetzt das Bundesverfassungsgericht.
Der Erste Senat verhandelt über Richtervorlagen des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen. Bewerber mit langer Wartezeit hatten geklagt. - und in erster Instanz gewonnen: Nach Ansicht der Gelsenkirchener Kammer darf die Wartezeit auf einen Studienplatz nicht zu lang sein. Auch Bewerber mit einer schwächeren Abiturnote müssten eine realistische Chance auf Zulassung haben. Der Verzicht auf Landesquoten sei ungerecht, weil die Abiturnoten nicht vergleichbar seien. Hinter allem stehe das Grundrecht der freien Berufswahl. Das Gelsenkirchener Gericht ist bundesweit zuständig für alle Verfahren gegen die Stiftung für Hochschulzulassung.
Seit 2008 ist die Stiftung für Hochschulzulassung für die Vergabe zuständig, die damals die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) ablöste. Bei ihr müssen sich künftige Studenten bewerben, um einen Studienplatz in den Fächern Human-, Zahn- und Tiermedizin sowie Pharmazie bekommen zu können. Grundlage für die bundesweite Vergabe sind Grundsatzurteile des Bundesverfassungsgerichts aus den 1970er Jahren, in denen das Teilhaberecht von Bewerbern an Studienplätzen und das Prinzip gleicher und sachgerechter Kriterien festgeschrieben worden waren.
Wo die Hürden für Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften besonders hoch sind - und wo nicht
Zum Wintersemester 2016/2017 sind deutschlandweit 52,9 Prozent aller Studiengänge aus dem Fachbereich Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften zulassungsbeschränkt. Heißt: Ohne einen bestimmten NC wird es mit dem Jura- oder BWL-Studium nichts.
Wer in Baden-Württemberg ein Fach aus dem Bereich Ingenieurswissenschaften studieren möchte, braucht ein gutes Abiturzeugnis: 65,9 Prozent der Fächer haben einen NC.
Im Freistaat sind die Universitäten schon deutlich entspannter, wie die Daten des CHE zeigen: Nur 40,4 Prozent der Fächer haben einen NC.
Überdurchschnittlich hoch sind die Zulassungsbeschränkungen für angehende Juristen, Wirtschafts- oder Sozialwissenschaftler in der Bundeshauptstadt. In Berlin haben 55 Prozent der entsprechenden Studienfächer einen NC.
In Brandenburg ist NC-Quote mit 52,2 Prozent nur unwesentlich geringer.
Überdurchschnittlich hoch ist der Anteil an Fächern mit NC in Bremen: 80,8 Prozent sind zulassungsbeschränkt. Einen höheren Anteil gibt es nur noch im Saarland.
In Hamburg müssen angehende Juristen & Co. bei 51,6 Prozent der Fächer mit einem Numerus Clausus rechnen.
Wer in Hessen Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften studieren möchte, sollte wissen, dass an den dortigen Unis 50 Prozent der entsprechenden Fächer zulassungsbeschränkt sind.
In Mecklenburg-Vorpommern ist die NC-Quote in diesem Fachbereich bundesweit am niedrigsten: 28,8 Prozent der Fächer haben einen NC.
75,6 Prozent der Fächer aus dem Bereich Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sind in Niedersachsen zulassungsbeschränkt.
An den Unis in Nordrhein-Westfalen haben 45,2 Prozent der Fächer einen Numerus Clausus.
In Rheinland-Pfalz ist der Zugang zu einem entsprechenden Studienfach etwas höher. Der Anteil an Zulassungsbeschränkungen liegt bei 49 Prozent.
Am größten sind die Hürden im Saarland: Hier gibt es auf 81,3 Prozent der Fächer einen NC.
In Sachsen beträgt der Anteil dagegen 49,1 Prozent.
Auch Sachsen-Anhalt ist mit 46,1 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt.
In Schleswig-Holstein beträgt der Anteil zulassungsbeschränkter Fächer 59,6 Prozent.
In Thüringen haben 37,2 Prozent der Fächer einen NC.
Doch bei diesem Verfahren gehen mehr und mehr Bewerber leer aus: Auf jeden Studienplatz für Humanmedizin in Deutschland kommen mehrere Bewerber. Zum Wintersemester 2014/2015 gab es gut 9000 Studienplätze und knapp 43.000 Interessenten. 20 Jahre zuvor war das Verhältnis mit rund 7400 Studienplätzen für knapp 15.800 Bewerber noch deutlich entspannter.
Ein sehr gutes Abitur ist ein Weg, wie Bewerber sich eines Studienplatzes sicher sein können. Nach den aktuellen Regeln werden 20 Prozent der Plätze nach diesem Kriterium vergeben. Ein weiteres Fünftel wird nach einer Wartezeit vergeben. Dafür ist aber viel Geduld erforderlich - inzwischen sind es bis zu 15 Semester. Die übrigen 60 Prozent der Studienplätze können die Hochschulen in einem eigenständigen Auswahlverfahren vergeben. Dabei sind sie innerhalb bestimmter Grenzen weitgehend frei - zumeist spielt aber auch dabei die Abiturnote eine wichtige Rolle. Bewerber können ihre Chancen durch zusätzliche Qualifikationen verbessern. Dazu gehört etwa eine Ausbildung zum Rettungsassistenten.
Tipps für Studienplatzbewerber
Abiturienten, die örtlich oder deutschlandweit zulassungsbeschränkte Fächer studieren wollen, sollten sich schon vor der Bewerbung bei der Hochschule oder der Stiftung Hochschulzulassung (hochschulstart.de) über die Chancen einer Kapazitätsklage informieren.
Die Widerrufsfrist auf dem Ablehnungsbescheid von Hochschulstart ist nicht maßgeblich für eine Kapazitätsklage. Hier gelten eigene Fristen, die sich je nach Bundesland und Fach unterscheiden und sich oft ändern.
Ein "regulärer" Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid von Hochschulstart hat sehr viel geringere Aussichten als Kapazitätsklagen. Denn beim Widerspruch geht es nur um die gemeldeten Studienplätze. Eine Kapazitätsklage versucht, zusätzliche Plätze ausfindig zu machen.
Das Gelsenkirchener Verwaltungsgericht hält diese Art des Auswahlverfahrens für teilweise verfassungswidrig, leitet daraus aber keinen direkten Zulassungsanspruch für den Kläger ab. Es sieht eine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Korrektur. Sollten die Verfassungsrichter dem folgen und ihre Rechtssprechung weiterentwickeln, müssten die Regeln für die Vergabe möglicherweise überarbeitet werden.