Den Algorithmus verstehen So lernen Sie, wie Algorithmen funktionieren – in drei Schritten

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Schritt 3: Page Ranking

3. Beispiel Page Ranking: Wenn man bei Google einen Begriff eingibt und dazu einschlägige Informationen erwartet – wie sortiert der „Google-Algorithmus“ die Seiten, die für diesen Begriff relevant sind? Welche Seite wird als Erste aufgeführt, welche als zweite usw., wie wird die Reihenfolge festgelegt? Natürlich kennen wir den Google-Algorithmus nicht in seinen spezifischen Details, er ist ein wohlgehütetes Geheimnis. Aber einiges ist bekannt und auch sehr plausibel – so plausibel, dass man durchaus selbst darauf kommen kann. Zunächst ist plausibel, dass eine Seite umso wichtiger ist, je mehr andere Seiten auf sie verweisen, mit anderen Worten: die Anzahl der „in-links“ ist relevant. Nun sind aber sicher nicht alle in-links gleich wichtig, sondern wiederum sind die links als wichtiger zu bewerten, die  ihrerseits von einer „wichtigen“ Seite ausgehen.

Hier kommt eine Art „Rekursion“ ins Spiel, wodurch die Geschichte unübersichtlich wird: Die Wichtigkeiten, die man natürlich auch quantitativ erfassen möchte, hängen voneinander ab und werden von den Wichtigkeiten einer möglicherweise riesigen Anzahl vernetzter Seiten mitbestimmt. Beachtet man, dass es mittlerweile viele Milliarden von in Frage kommenden Seiten gibt, dann erkennt man, dass man es mit einem extrem großen System von quantitativ bewerteten links zu tun hat. Mit diesem System, das sich zudem wegen der Dynamik der Einträge im Internet dauernd verändert, muss ein sinnvoller  Algorithmus fertig werden.

Die Annahmen, die wir hier gemacht haben, sind gegenüber den tatsächlichen Verhältnissen, stark vereinfachend. Sie geben trotzdem – im Sinne des algorithmischen Denkens - einen Eindruck von den Ansprüchen und Bedingungen,  die ein geeigneter Algorithmus erfüllen muss. Und tatsächlich sind die realen, von Google eingesetzten Algorithmen in der Tat numerisch höchst anspruchsvoll und erfordern die schnellsten verfügbaren Rechner.

Algorithmen haben derzeit keinen guten Ruf: Sie sind Schuld an der Verbreitung von Fake-News und vielleicht auch am Ausgang der US-Wahl. Trotzdem kann die Wirtschaft nicht mehr ohne sie.
von Kerstin Dämon

Ich möchte Ihnen mit den drei Beispielen eine Idee davon geben, was wir unter algorithmischem Denken verstehen. Es bedeutet zunächst, ein Problem präzise zu formulieren und Lösungsphantasie zu entwickeln. Es bedeutet dann auch, lösungsorientiert zu agieren, den Lösungsprozess in einzelne Schritte zu zerlegen – und technisch ein Verständnis  zum Beispiel für Schleifen, Rekursionen, Verzweigungen zu entwickeln. Auch solche algorithmischen Prinzipien lassen sich gut an Beispielen demonstrieren.

Beim Erlernen einer Programmiersprache, sei es Python, Java, eine C-Variante, oder auch eines Tools wie Matlab (für numerische und ingenieurwissenschaftliche Anwendungen) erwirbt man eine  formale digitale Qualifikation. Das ist mehr als der Erwerb einer Kompetenz im bloßen Umgang mit einem digitalen Gerät oder Medium. Das Programmieren erfordert und schult strukturiertes, logisches Denken. Eine spezielle mathematische Begabung dagegen benötigt der Programmierer nicht. Doch natürlich gibt es Begabungen und Minderbegabungen für das Erlernen einer Programmiersprache. Die Unterschiede in der Qualifikation professioneller Programmierer sind enorm, was etwa das effiziente, elegante, fehlervermeidende  Programmieren angeht.

Warum sollten wir Programmieren als Schulfach einführen?

Wer programmieren kann, ist in der Lage, einen Algorithmus auf einen Rechner zu bringen und damit den Rechner anzuweisen, was zu tun ist. Dazu muss er den Algorithmus allerdings verstanden haben.

Nur mit algorithmischem Verständnis können schließlich die Unsicherheiten und Ängste überwunden werden, die durch unqualifizierte Presse- und Medienberichte eher verstärkt als relativiert werden. Algorithmen als solche sind so wertfrei wie mathematische Formeln. Erst durch ihre Anwendung, ihr Einsatzfeld entscheidet sich, ob sie von Nutzen sind und unser Leben erleichtern – oder ob sie Risiken, Gefahren und unerwünschte, womöglich inhumane Effekte nach sich ziehen.

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