Deutschlands größte Universität Fernuni Hagen braucht mehr Geld

Mehr Studenten als die Fernuniversität Hagen hat keine deutsche Hochschule: 88.000 Studenten sitzen in allen Winkeln Deutschlands. Rektor Helmut Hoyer fordert Finanzhilfen von Bund und Ländern.

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Der Campus der Fernuniversität Hagen. Quelle: dpa

Eines haben Ex-Außenminister Guido Westerwelle, die frühere Skirennläuferin Katja Seizinger und Fußball-Manager Oliver Bierhoff gemeinsam: Sie haben alle an der Fernuniversität in Hagen (Nordrhein-Westfalen) studiert oder promoviert. Der Kreis der Studenten, die meist fernab vom Campus lernen, ist groß. 88.000 Studierende zählt die Fernuni - so viele wie keine andere deutsche Hochschule. In den vergangenen sieben Jahren hat sich die Studentenzahl damit verdoppelt. Und die Uni erwartet weiteren Zuwachs. Die Fernuni macht Angebote auch über das Bundesgebiet hinaus. Neben Studienzentren in fast allen Bundesländern unterhält sie kleinere Zentren in Österreich, der Schweiz, Ungarn und Russland. Studierende sitzen darüber hinaus in weiteren rund 100 Länden.

Schafft ein Überflieger mit 15 oder 16 Jahren sein Abitur und geht an die Uni, ist das oft eine Schlagzeile wert. An der einzigen öffentlich-rechtlichen Fernuniversität geht es auch jünger: Gleich drei Zwölfjährige gehen dort ihren Studien nach. Es gibt sogar Schulen in Krefeld oder im sauerländischen Kierspe, in denen sich Lehrer speziell um diese Schüler-Studenten kümmern.

Manche machen schon vorm Abitur ihren Abschluss

Neben den regulären Studiengängen wie Jura, Betriebswirtschaft oder Psychologie können Interessenten sich auch im Akademiestudium anmelden. Da kann Jung oder Alt - der Älteste ist 93 - querbeet Kurse belegen. Die kann man sich auch für einen späteren Studiengang anrechnen lassen. „Wir hatten schon Schüler, die vor dem Abitur ihren Abschluss geschafft haben. Das Hochschulzeugnis haben wir ihnen dann nach dem Abitur ausgehändigt“, sagt Uni-Sprecherin Susanne Bossemeyer.

Der durchschnittliche Student ist aber zwischen 25 und 35 Jahren alt und studiert neben seinem Beruf in einem ordentlichen Studiengang. Und das tut er oder sie von zu Hause aus. Die Voraussetzungen für einen Studiengang sind simpel: Entweder Abitur, Berufsausbildung samt drei Jahren Berufserfahrung oder im Fall Jugendlicher eine Begabtenprüfung. Einen Numerus Clausus (NC) gibt es nicht. Weil das Studieren neben der Arbeit absolviert wird, dauert es länger als an einer Präsenz-Hochschule. „Der Schnitt liegt bei dem eineinhalbfachen Wert“, sagt Bossemeyer.

Wer es darauf anlegt, braucht sich kaum sehen zu lassen. Die Anmeldung geht online, wie fast das ganze Studium. Nur in wenigen Seminaren in den Regionalzentren besteht Anwesenheitspflicht. Seminare oder Vorlesungen werden zusätzlich im Netz live oder als Konserve angeboten. Live geht es sogar interaktiv.

"NRW bezahlt, und die anderen profitieren"

Helmut Hoyer, Rektor der Fernuni Hagen, auf dem Balkon des Verwaltungsgebäudes. Quelle: dpa

Und dann sind da noch die Prüfungen. Da muss sich der Student schon auf den Weg in die nächstgelegene Dependance machen. Die Regel lautet: 75 Prozent der Studenten müssen ein großes Regional- oder ein kleineres Studienzentrum in höchstens 75 Kilometer Entfernung erreichen können.

Wer im fernen Ausland studiert, kann schriftliche Prüfungen in der Botschaft oder dem Goethe-Institut ablegen. Mündliche Prüfungen gehen notfalls auch mal per Videokonferenz. Dann ist eine Aufsicht dabei. Immerhin studieren 6700 der 88.000 Studenten im Ausland, davon 750 außerhalb Europas. In wenigen Fällen unterhält die Fernuni Studienzentren im Ausland, das entfernteste ist in St. Petersburg.

Gleich kiloweise versendet die Uni Päckchen mit Kursunterlagen. Die meisten Studenten wollen nämlich ihre Studieneinheiten auch auf Papier. Aber es geht auch per App auf dem Tablet-PC oder Smartphone. Bücher aus der Präsenzbibliothek in Hagen kann man sich zusätzlich noch zuschicken lassen. Und wenn man mit dem Auto anreist, gibt es kaum Parkprobleme: Die Veranstaltungen sind meist abends und an Wochenenden.

Kostspieliger als an einer Präsenzuni ist das Fernstudium für die Studenten nicht. 12,50 Euro kostet pauschal eine Semesterwochenstunde, inklusive Kursmaterial. Dazu kommen 50 Euro pro Semester Grundgebühr und 11 Euro für die Studentenvertretung. So kommen für Teilzeitstudierende durchschnittlich 160 Euro je Semester zusammen, für Vollzeitstudenten 286 Euro.

Dazu benötige die Universität zusätzliche Mittel, sagt Rektor Helmut Hoyer. Bund und Länder müssten sich über die Finanzierung Nordrhein-Westfalens hinaus an den Kosten beteiligen. „Zwei Drittel der Kosten der Fernuniversität werden von NRW getragen, obwohl zwei Drittel der Studierenden nicht in Nordrhein-Westfalen wohnen. Das Land NRW bezahlt, die anderen profitieren“, sagte Hoyer.

Einen weiteren ungebremsten Zuwachs an Studenten könne die Fernuniversität nur mit zusätzlichen Mitteln verkraften, sagte Hoyer. Sonst müsse der freie Zugang zu den Studienfächern eingeschränkt werden. Bislang können sich Interessenten mit Abitur oder Ausbildung plus drei Jahren Berufserfahrung ohne Einschränkung für ein Studienfach eintragen. Darüber hinaus ermöglicht ein sogenanntes Akademiestudium allen Interessenten den Zugang zu einzelnen Kursen.

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