Zahl geht immer weiter zurück Ausländische Studenten in Amerika: Nicht immer willkommen

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Witze über Sprengstoffwesten

Doch selbst in einem als progressiv geltenden Bundesstaat wie Kalifornien ist man nicht vor Diskriminierung und Rassismus gefeit, wie Salehs Erfahrungen zeigen. In Napa Valley, wo die Weine gut schmecken und die Ideenfabrik Silicon Valley nicht weit entfernt ist, war der pakistanische Student vor nicht allzu langer Zeit auf einer Hochzeit eingeladen. Im Laufe des Abends lernte er einen der Gäste kennen. Der hatte ein bisschen was getrunken, und so lehnte sich der Mann irgendwann vertrauensvoll hinüber und forderte Saleh auf, er müsse doch zugeben, dass die USA „ein Muslim-Problem“ hätten und dass nur Donald Trump diese Situation lösen könne.

Ein paar Autostunden weiter östlich, in Park City im Bundesstaat Utah, wo 2002 während der Olympischen Winterspiele 78 Nationen gegeneinander antraten, witzelten die Besitzer einer Ferienwohnung, die Saleh mit seiner Freundin mietete: Bestimmt trage er eine Sprengstoffweste unter der Jacke, damit er ihr Apartment in die Luft sprengen könne.

So mancher ausländische Student muss sich in den USA also nicht nur damit beschäftigen, wie er die hohen Studiengebühren bewältigt, sondern sich gleichzeitig die Frage stellen: Bin ich hier überhaupt willkommen?

Und wer die Hürden meistert, einen Studienplatz und ein entsprechendes Visum bekommt, sich in den zwei Jahren Studium ein Netzwerk aufbaut, Berufserfahrung sammelt und sich trotz gelegentlicher Diskriminierung in den USA dennoch im Großen und Ganzen wohlfühlt, sieht sich wie Saleh früher oder später mit der nächsten Entscheidung konfrontiert: Kann ich noch etwas länger bleiben, Erfahrung sammeln und von Chancen profitieren, die in einem Land wie Pakistan nicht selbstverständlich sind?

Als Student eines sogenannten STEM-Fachs (science, technology, engineering, mathematics) sieht das ganz gut aus. Hier darf man bis zu 24 Monate nach dem abgeschlossenen Studium Berufserfahrung in den USA sammeln. Für alle anderen Fächer läuft die Frist bereits nach zwölf Monaten ab. Dann heißt es: ausreisen. Es sei denn, man findet in der Zwischenzeit einen permanenten Job samt Firma, die sich bereit erklärt, das Visum für eine Arbeitserlaubnis zu sponsern.

Saleh, der seinen richtigen Namen nicht in der Presse wiederfinden möchte, weil Einwanderungsfragen ein heikles Thema sind, hat sich diesen Status erarbeitet. Sechs Monate nach seinem Studienabschluss in Berkeley hatte er ein Jobangebot in der Tasche, die Firma kümmerte sich um die Arbeitserlaubnis.

Also Ende gut, alles gut? Nicht ganz. Denn es gibt da noch ein Problem.

Wenn Amerika die im eigenen Land gut ausgebildeten internationalen Studenten im Arbeitsmarkt übernimmt, hält die Bürokratie eine zusätzliche Tücke bereit: Saleh darf zwar in den USA angestellt werden, jedoch nicht so einfach ein- und ausreisen. Neben der Arbeitserlaubnis muss er dafür nämlich den Status seines Visums ändern. Doch das geht nur im Ausland. Er müsste also wieder zur US-Botschaft in Pakistan. Ob diese ihm ein Visum ausstellt, nur weil er eine Arbeitserlaubnis hat, ist längst nicht garantiert. Ein Freund von ihm, erzählt Saleh, war in Harvard, fand nach dem Master eine Stelle und flog zurück, um sich um das entsprechende Visum zu kümmern. Der ganze Prozess zog sich so lang, dass er mehr als ein Jahr auf die Papiere warten musste. Die Firma konnte oder wollte nicht so lange warten – sie zog das Jobangebot zurück.

Saleh möchte nicht, dass ihm das gleiche Schicksal widerfährt. Zuviel hat er investiert, zu hart hat er gearbeitet, zu riskant erscheint es ihm, für diesen einen Behördengang mit unvorhersehbarem Ausgang alles aufzugeben. Seit fast drei Jahren hat er die USA deshalb nicht verlassen, seine Eltern in Pakistan bisher nicht wiedergesehen. Er vermisst seine Familie und seine Freunde, berichtet Saleh. Seine Arbeitserlaubnis gilt für drei Jahre, zweieinhalb hat er noch, dann kann sie verlängert werden. Ob er es in der Zwischenzeit wagt, nach Pakistan zurückzukehren, um den Visa-Antrag auszufüllen – er weiß es noch nicht.

Nach Amerika zu kommen, ist nicht einfach. Dort Fuß zu fassen, ist noch viel schwieriger.

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