Wiwo.de: Frau Hofert, beim Wort "Guerilla" denke ich an Kämpfer und verdeckte Operationen im Untergrund. Was hat das mit Bewerbungen zu tun?
Hofert: Ein Guerilla-Kämpfer mischt sich nicht unter Hunderte und stürmt mit Ihnen an die Front. So ist das nämlich ungefähr, wenn eine gute Stelle ausgeschrieben wird. Der Guerilla-Kämpfer geht strategisch, kreativ und nachhaltig vor. Was ich damit meine: Er überlegt sich in aller Ruhe einen Plan, wie er an seinen Traumjob herankommt, macht mit kreativen Ideen auf sich aufmerksam und klappt es nicht beim ersten "Angriff", gibt er nicht direkt auf, sondern probiert es wieder und wieder.
Sie haben in Ihrem Buch 16 verschiedene Bewerbungsstrategien herausgearbeitet. Was haben die alle gemeinsam?
Sie drehen das Rollenverhältnis eines gewöhnlichen Bewerbungsverfahrens um. Normalerweise schreibt ein Unternehmen eine Stelle aus und wird damit aktiv. Sie schicken Ihre Bewerbungsmappe an die Personalabteilung und reagieren bloß. Drehen Sie den Spieß um, gehen Sie gezielt auf Ihren Traumarbeitgeber zu und lassen Sie ihn reagieren.
Bewerbungsstrategien für den Traumjob
Analysieren Sie, was Ihrem Traumarbeitgeber fehlt. „Das kann alles Mögliche sein, vom Youtube-Werbevideo über neue Vertriebsmethoden bis hinzu Beziehungen in einen interessanten Auslandsmarkt“, schreibt Karriereexpertin Svenja Hofert in Ihrem Buch „Die Guerilla Bewerbung“, das im Campus Verlag erschienen ist. Die Kunst ist, das Defizit vor dem Arbeitgeber zu erkennen und ihn davon zu überzeugen, dass er es mit Ihrer Hilfe beheben kann.
Schlagen Sie Ihr Adressbuch auf und suchen Sie zehn Kontakte heraus, die Ihnen bei der Suche nach Ihrem neuen Job behilflich sein könnten. Wichtig sind nicht nur Menschen, die direkt einen Arbeitsplatz für Sie haben könnten, sondern auch Personen, die viele interessante Kontakte haben. Schreiben Sie ein prägnantes Kurzprofil, schicken Sie es an Ihre Kontakte mit der Bitte es wiederum an zehn Kontakte weiterzuleiten.
Persönlich miteinander in Kontakt kommen, das ist die Idee hinter dieser Strategie. Suchen Sie sich Ihren Wunscharbeitgeber und überlegen Sie, wer vor Ort der beste Ansprechpartner sein könnte. Rufen Sie einfach an, erklären Sie Ihr großes Interesse an dem Unternehmen und bitten Sie um einen kurzen Termin zum Kaffeetrinken. So ist der erste Kontakt hergestellt.
Suchen Sie sich eine Aufgabe, die Ihrem Alter entspricht. Das hört sich erstmal hart an, ist aber ganz plausibel. Bewerben Sie sich nicht auf Inserate, die mindestens zwei bis drei Jahre Berufserfahrung voraussetzen, denn hier liegen nicht Ihre Stärken. Für viele ältere Führungskräfte, die es am Ende der beruflichen Laufbahn nochmal wissen wollen, ist die Position des Interimsmanager eine geeignete Aufgabe. Die Arbeitsagentur oder private Vermittler helfen gerne weiter.
Oftmals ist Projektarbeit der Einstieg in die Festanstellung. Deshalb überlegen Sie sich genau, erstens welches Projekt Sie realisieren könnten und zweitens für welche Institutionen oder Firmen es interessant sein könnte. Treten Sie an die potentiellen Interessenten heran und überzeugen Sie sie von Ihrer Idee. Die Bereitschaft in ein Projekt einzuwilligen ist höher, als eine neue Stelle zu schaffen. So können beide Seiten herausfinden, ob es passt.
Schaffen Sie sich Ihren Traumjob einfach selbst. Entdecken Sie den Bedarf an einer bestimmten Dienstleistung oder einem Produkt und schlagen Sie einem Träger vor, sich darum zu kümmern. Das funktioniert besonders gut im öffentlichen Bereich. Sind Sie von der Idee restlos überzeugt, können Sie es sogar wagen, einen eigenen Verein oder eine Stiftung zu gründen.
Schreiben Sie eine E-Mail, die der Leser nicht ignorieren kann. Finden Sie heraus, an welchen Stellen Ihr Lieblingsunternehmen Nachholbedarf hat und präsentieren Sie sich als Lösung. Das funktioniert natürlich nur, wenn Sie in der Branche schon Erfahrungen und Kontakte haben. Für diese Variante muss „Ihr Können und Ihr Hintergrund“ sehr interessant sein.
Sie kennen sich mit einer speziellen Aufgabe oder einem Themengebiet gut aus und haben mindestens fünf Jahre Berufserfahrung in diesem Bereich? Dann könnte die Expertenstrategie die richtige sein. Wichtig ist, ihr Spezialgebiet so umfassend zu definieren, dass sie auf viele Angebote passen, aber gleichzeitig so viel Expertise zu besitzen, dass nicht viele mit Ihnen konkurrieren können. Die Autorin nennt sich zum Beispiel Expertin für neue Karrieren und nicht Spezialistin für MBA-Programme.
Eine Initiativbewerbung also?
Nein, eine gewöhnliche Initiativbewerbung ist meist zu wenig. Die flattert auf den Schreibtisch des Personalers und geht dann unter. Die Strategien müssen ausgefeilter, kreativer und nachhaltiger sein.
Geben Sie uns doch mal ein oder zwei Beispiele.
Die Angebotsstrategie zum Beispiel kann in vielen Fällen helfen. Suchen Sie sich Ihren Traumarbeitgeber aus und schauen Sie sich das Unternehmen genau an. Was fehlt der Firma noch, was Sie anbieten können? Das kann alles Mögliche sein vom Youtube-Werbevideo über neue Vertriebsmethoden bis hinzu Beziehungen in einen interessanten Auslandsmarkt. Besprechen Sie Ihre Idee mit dem Zuständigen. Erwähnen Sie an dieser Stelle noch nicht, dass Sie einen Job möchten. Zeigen Sie nur Interesse an der Firma. So kommen Sie ins Gespräch und zeigen gleichzeitig, was Sie können.
Hartnäckigkeit zahlt sich aus
Eine andere Strategie ist die Terminstrategie. Hier geht es um persönlichen Kontakt zum Wunscharbeitgeber. Es ist eine Art systematisches Kaffeetrinken. Suchen Sie nach dem perfekten Ansprechpartner im Unternehmen und rufen Sie ihn an. Sagen Sie, dass Sie sich für das Unternehmen interessieren und gerne mehr erfahren würden. Schaffen Sie es einen Termin zu vereinbaren, überlegen Sie sich, was Sie wissen wollen und bringen Sie sich erst mal ins Gespräch. Halten Sie den Kontakt.
Und das soll funktionieren?
Sie müssen in dem Gespräch natürlich auch ein bisschen was von sich erzählen, damit Ihr Gegenüber weiß, mit wem er es zu tun hat und wobei Sie ihm behilflich sein könnten. Persönlicher Kontakt wird oftmals unterschätzt.
Fünf Tipps für den Lebenslauf
Korrekte Sprache ist Pflicht: Eine Studie von 2009 hatte ergeben, dass deutsche CFOs im Durchschnitt bei 1,8 Tippfehlern einen Lebenslauf aussortieren.
Bereiten Sie bei internationalen Stellen Ihre Dokumente immer auf Deutsch und Englisch vor. Lassen Sie sie von einem Muttersprachler gegenlesen.
In der Kürze liegt die Würze: Präsentieren Sie Ihren Lebenslauf auf zwei, höchstens drei Seiten.
Lücken im Lebenslauf fallen auf. Gehen Sie offensiv mit den Lücken um und punkten Sie durch nachvollziehbare Argumente.
Eine ansprechende Aufbereitung fällt positiv auf. Dennoch sollten sie auf die Inhalte mehr achten.
Passiert es bei solchen Strategien nicht auch, dass der potentielle Bewerber, der sich immer wieder meldet und Vorschläge macht, den Abteilungsleitern und Personalern auf den Geist geht?
In der Regel zahlt sich Hartnäckigkeit eher aus. Ein sehr kleiner Prozentsatz nervt vielleicht wirklich. Das sind aber Menschen, die sich selbst falsch einschätzen und sich zum Beispiel für das größte Vertriebsgenie halten, aber eigentlich gar keine Ahnung haben. Deren Anbiederung ist dann mitunter peinlich. Meistens ist es aber umgekehrt. Der Bewerber denkt: "Oh die melden sich nicht auf meinen Anruf. Die haben kein Interesse an mir." Das ist fast immer falsch. Es liegt vielmehr daran, dass im Unternehmen andere Sachen gerade wichtiger sind. Also rufen Sie ruhig nochmal an und nochmal. Stecken Sie erst zurück, wenn vom Unternehmen ein klares "Nein!" kommt.
Wer ist denn der richtige Ansprechpartner für solche Anrufe und Angebote?
Idealerweise wenden Sie sich nicht an die Personalabteilung. Die arbeitet nur Ihre Checkliste ab und sortiert Sie womöglich ziemlich früh aus. Die Fachabteilungen sind die richtigen Ansprechpartner. Achten Sie darauf, dass es mit den Hierarchieebenen ungefähr passt. Ein Uni-Absolvent sollte nicht direkt beim CEO vorsprechen. Es sollte sich beim Gesprächspartner um einen möglichen Vorgesetzten handeln.
Passende Bewerbungsstrategie finden
Wie finde ich heraus, welche Strategie für mich die Richtige ist?
Das findet der Leser ziemlich schnell heraus, wenn er sich die verschiedenen Strategien anschaut. Das ist sehr individuell. Das einzige, was man sagen kann ist, dass extrovertierte Persönlichkeiten eher Strategien, wie die Terminstrategie mit persönlichem Kontakt anwenden sollten und introvertierte Menschen sich lieber von Ihrer kreativen Seite zeigen sollten.
Kann ich die verschiedenen Strategien auch miteinander vermischen oder wirkt das unorganisiert?
Kombinieren ist meistens sogar notwendig. Die Netzwerkstrategie ist zum Beispiel Grundlage für jede weitere.
Bevor ich mir jetzt die passende Bewerbungsstrategie heraussuche, brauche ich erstmal das richtige Unternehmen. Wie finde ich den passenden Arbeitgeber?
Arbeitgeberbewertungsportale wie kununu.de sind zwar gute Anhaltspunkte. Einen besseren Einblick in das Unternehmen bekommt man natürlich, wenn Bekannte, Familienangehörige oder Freunde schon dort arbeiten. Allgemein ist es natürlich schwierig bei den ganz Großen, wie Porsche, Audi und BMW zu landen. Auch Start-Ups können interessant sein, vor allem für Menschen die wissen, dass sie eher der Typ sind, der gerne Neues aufbaut und vorantreibt. Brauchen Sie genaue Vorgaben und wollen die vorhandene Ordnung erhalten, sind Sie bei Konzernen oder Mittelständlern an der richtigen Adresse.
Helfen all diese Strategien auch bei der kurzfristigen Jobsuche weiter?
Prinzipiell schon, aber wenn man nur irgendeinen Arbeitsplatz sucht, sind sie viel zu aufwendig. Sucht man aber einen ganz speziellen Job oder will man eine ganz neue berufliche Richtung einschlagen, sind diese Strategien sehr nützlich. Denn mit Ihnen umgehen Sie das herkömmliche Bewerbungsverfahren, bei dem Sie sowieso durchs Raster fallen würden, wenn Sie sich zum Beispiel als ehemaliger Lehrer auf eine Marketingstelle bewerben. Oder Sie steigen lange in das Bewerbungsverfahren ein, bevor es eigentlich begonnen hat und verschaffen sich dadurch einen uneinholbaren Vorsprung im Kampf um den Traumjob.