Bildsprache bei den Dax-Konzernen Wo sind die selbstbestimmten Macherinnen?

Ein typisches Stock-Foto von einer Teamsitzung, wie man sie auch auf den Seiten der großen Unternehmen finden kann: Mann erklärt Frauen eine Grafik. Quelle: imago images

Auf der eigenen Website wollen sich die Dax-Unternehmen als tolle Arbeitgeber junger, diverser Teams präsentieren. Eine Auswertung der Internetpräsenzen zeigt allerdings, dass dieser Versuch nur selten gelingt.

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Die Karriereseiten von Unternehmen sind der Ort, wo diese sich die Welt genau so malen können, wie sie sich das vorstellen: Modern, digital, divers. Hier sollen die Wunschbewerber überzeugt werden, die Website sollte ein Werbefeuerwerk in eigener Sache sein, gelebte Unternehmenskultur. Sollte. Denn viele Unternehmen vernachlässigen diese Chance sträflich, wie eine Untersuchung der auf Storytelling spezialisierten Berliner Agentur Mashup Communications belegt, für welche Abbildungen mit insgesamt 1850 Menschen auf den Karriereseiten der 30 Dax-Unternehmen ausgewertet wurden. „Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger legen Wert auf ein gutes Gehalt, aber auch auf Werte wie Diversität und Sichtbarkeit von Frauen“, sagt Geschäftsführerin Nora Feist. „Wenn diese nicht auf der Karriereseite gespiegelt werden, was ja das Herz des Employer Branding ist, dann werden die sich nicht bewerben.“

Altersgemischt, zur Hälfte weiblich, divers, international – so wollen Unternehmen ihre Belegschaften formen. Doch die Fotos, die die entsprechenden Zielgruppen locken sollen, triefen zum Teil noch von Klischees. Da erklären ältere, hellhäutige Männer jüngeren, lächelnden Frauen etwas, da freuen sich weibliche Angestellte im Homeoffice über ihre Work-Life-Balance und da platzen durchtrainierte männliche Anzugträger an ihren Schreibtischen vor innovativen Ideen, während Personen mit einem höheren Body-Mass-Index oder Rollstuhlfahrer vergeblich zu suchen sind.

Lediglich beim Frauenanteil kommen die Selbstpräsentationen den Zielvorstellungen der Personaler halbwegs nahe. In den Dax 30 etwa sind erst knapp 15 Prozent der Vorstände Frauen, auf den Karriereseiten  hingegen ist der Anteil schon deutlich höher, laut der Untersuchung liegt er bei rund 40 Prozent unter den als Top-Manager dargestellten Personen. „Das ist nicht verwerflich, denn man kann ja auch die Menschen zeigen, die man gerne im Unternehmen hätte“, sagt Nora Feist. Doch die Art, wie Frauen gezeigt werden, könnte diese Absicht wieder durchkreuzen.



Acht von zehn Frauen auf den Bildern der Karriereseiten lächeln – aber nur zwei von drei Männern. Die Darstellung mag einen realistischen Kern haben, denn Studien haben gezeigt, dass Mädchen und Frauen das Dauerlächeln geradezu eingebläut wird, um netter zu wirken. Genau das bedeutet aber einen Verlust an Kompetenz in der Fremdwahrnehmung. Wie eine YouGov-Studie im vergangenen Jahr zeigte, bekommen Männer wesentlich seltener zu hören, sie seien zu nett. Ernst dreinblickende Frauen haben hingegen das Problem, als unnahbar oder arrogant abgestempelt zu werden, also wählen sie häufiger die positive, aber harmlos wirkende Variante.

Prototyp Mitarbeiter: Jung, schlank, weiß

Die Dax 30 zeigen nur jede fünfte Frau mit einem ernsten oder neutralen Gesichtsausdruck – und schreiben damit die Geschichte der ewig lächelnden Kollegin weiter. Einen höheren Anteil ernster – und damit der unfreiwilligen Zuschreibung des Betrachters nach: kompetenter – Frauen zeigten nur Covestro, die Deutsche Bank und RWE. Allerdings zeigen diese Unternehmen auch insgesamt weniger lächelnde Menschen als andere. Lächel-Sieger sind in der Auswertung Heidelberg Cement mit 97 Prozent fröhlichen Menschen, die Deutsche Post mit 91 Prozent, Lufthansa und Beiersdorf mit 88 beziehungsweise 85 Prozent.




Doch auch Männer dürften sich angesichts der dargestellten Menschen nur zu einem Teil wiederfinden: 95 Prozent der dargestellten männlichen Mitarbeiter sind schlank, fast 75 Prozent jünger als geschätzte 35 Jahre. Weniger als fünf Prozent sehen älter aus als 50 Jahre. Frauen werden noch häufiger jung und sehr jung gezeigt. Bei den Professionals sind sogar 60 Prozent der Frauen geschätzt zwischen 20 und 35 Jahre alt, aber nur 40 Prozent der Männer. 50 Prozent der Männer sind in diesen Positionen 35 bis 50 Jahre alt, aber nur 30 Prozent der Frauen. Älter als 50 ist auch bei den Top-Managern jeweils nur ein Anteil von 10 Prozent.

Die Gefahr der Darstellung liegt darin, dass sie etwa potenzielle Bewerber höheren Alters abschrecken könnte. Auch Menschen nicht-weißer Hautfarbe oder mit Behinderung dürften sich fragen, ob eine Bewerbung erfolgversprechend ist: Die Dax 30 zeigen zu 80 Prozent weiße Menschen und keinen einzigen mit körperlicher Beeinträchtigung oder Behinderung. „Es ist wie bei der Produktwerbung im Fernsehen – da werden fast nur Menschen nach einem europäischen Schönheitsideal dargestellt. Sie sind schlank, weiß, jugendlich und lächeln – und haben keine Behinderung“, urteilt Nora Feist. „Aber da wird an der Zielgruppe vorbei geworben, wenn Karriereseiten ein solches Schönheitsideal transportieren. Es braucht normale Menschen und keine Hochglanzfotos.“ Lediglich bei den Managementpositionen klettert der Anteil der Menschen nicht-weißer Hautfarbe und asiatisch aussehender Menschen auf 30 Prozent.



Mann macht's allein

Nicht nur die Äußerlichkeiten spielen eine Rolle, sondern auch die dargestellten Handlungen. Sitzt oder steht eine Person? Ist sie allein oder in Gruppe dargestellt? Erklärt sie oder hört sie zu? Verkörpert sie Tatendrang oder Passivität? Als typische Abbildung eines Machers oder einer Macherin hat sich die AAA-Darstellung etabliert, die eine Person aktiv, arbeitend und allein zeigt. Solche Bilder zeigen zum Beispiel Männer und Frauen im direkten Arbeitsumfeld, die sprechen, schreiben, schrauben oder forschen und dabei unabhängig von anderen Personen handeln.

Motive dieser Art finden sich häufig auf den Karriereseiten der Dax-Konzerne – allerdings sind genau diese Sinnbilder selbstbestimmter Mitarbeiter besonders männlich geprägt: durchschnittlich 61 Prozent der abgebildeten Personen sind Männer, 39 Frauen. Die Kluft öffnet sich, je höher die Position: Selbständig arbeitende Praktikantinnen sind noch mit 44 Prozent vertreten, Berufseinsteigerinnen mit 40 und Managerinnen nur noch mit 33 Prozent. Fazit der Studie: „Noch immer haben die Dax 30 in ihrer Bildsprache Geschlechterrollen verankert, die Frauen weniger selbstbestimmt handelnd zeigen.“



Dabei wäre es leicht für die großen Unternehmen, eine andere Geschichte zu erzählen. Weibliche Rollenvorbilder gibt es längst, die die Klischees von Machern, männerimitierenden Managerinnen in Hosenanzügen und lächelnden Praktikantinnen hinter sich gelassen haben. „Natürlich kann auch eine Frau in Führungsposition auf einem Foto lächeln und ein Kleid tragen. Man muss nicht alles ins Gegenteil verkehren, aber man sollte doch eine Lebenswirklichkeit darstellen, in der sich Bewerberinnen und Bewerber wiederfinden. Dann ist es egal, ob ich männlich oder weiblich bin, welche Kleidergröße ich trage, wie alt ich bin und welche Hautfarbe ich habe“, sagt Nora Feist. Wenn die Karrierewebsite das Gefühl erzeugt: Da will ich hin – dann dürfte das Unternehmen auf einem guten Weg sein.

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