Wenn Firmen ihre Neuzugänge auf Empfehlung ihrer eigenen Mitarbeiter einstellen, dauert es meist nicht lange, bis einer „Klüngel“ ruft. Aber muss man es als Vetternwirtschaft abtun, wenn Mitarbeiter ihrem Unternehmen Bekannte oder Verwandte empfehlen? Oder ist es vielmehr eine clevere Alternative zur Stellenanzeige und mühsamen Rekrutierung der raren Fachkräfte auf dem freien Markt? Die Softwarefirma Softgarden hat hierzu im Juli und August 2018 rund 2400 Menschen befragt. Die meisten (48,6 Prozent) von ihnen Berufstätige und Arbeitssuchende (25,9 Prozent), sowie Studenten (12,3 Prozent) und einige Schüler, Selbstständige und Azubis. Die Umfrage zeigt: Die meisten Befragten stehen der Mitarbeiterempfehlung eher positiv gegenüber.
Demnach ist die Empfehlung das zweitwichtigste Tool zur Gewinnung neuer Mitarbeiter. Trotzdem besitzt nur eine Minderheit der Unternehmen bereits strukturierte Empfehlungsprogramme. Sechs von zehn Befragten haben in den vergangenen Jahren selbst schon einmal einen Arbeitsplatz nach einer Empfehlung aus ihrem persönlichen Netzwerk gefunden (59,7 Prozent). Damit rangiert die Empfehlung knapp hinter der Stellenanzeige, die 78,1 Prozent bereits in eine Anstellung gebracht hat.
Nicht überraschend, dass beide Wege zum Job auch ein recht hohes Vertrauen genießen: Großes oder eher großes Vertrauen bringen 87,9 Prozent der klassischen Stellenanzeige mit anschließender Bewerbung entgegen. 79,5 Prozent halten es aber auch für eine gute Sache, nach Empfehlung mit einem Unternehmen in Kontakt zu treten. Die anderen Rekrutierungswege landen weit abgeschlagen dahinter: Sogenanntes Active Sourcing – wenn Arbeitgeber Kandidaten über soziale Netzwerke suchen und ansprechen – oder Ansprache durch Headhunter sind deutlich unbeliebter; 41,8 beziehungsweise 35,9 Prozent vertrauen darauf.
Tipps für Mitarbeiterempfehlungen
Mitarbeiterempfehlungen stoßen auf eine große Akzeptanz bei den meisten Bewerbern und Mitarbeitern. Rund 60 Prozent haben bereits Erfahrung als Empfohlene, mehr als 40 Prozent haben selbst einen Bekannten oder Verwandten geworben - mit größtenteils guten Erfahrungen. Unternehmen sollten daher grundsätzlich auch auf diesen Kanal setzen, um Kandidaten außerhalb ihres üblichen Radars wahrnehmen zu können.
Empfehlungen sollten in das digitale Bewerbermanagement integriert werden. Wie das Bewerbermanagement insgesamt kommen auch Mitarbeiterempfehlungen nicht mehr ohne digitale Prozesse aus. Nur so können Arbeitgeber für eine ganzheitliche Integration in die Anwerbestrategie, eine lückenlose Kommunikation mit den verschiedenen Anspruchsgruppen (HR, Empfehler, Empfohlene, einstellende Führungskräfte) sowie ein konsistentes Reporting sorgen.
Das Empfehlungsprinzip bringt Unternehmen häufig sehr gut passende Mitarbeiter. Doch Vorsicht: Die Praxis sollte nicht zu einem "kulturellen Klonen" führen. Das Unternehmen sollte weitere Kanäle offen halten und pflegen, die für Bewerber ohne Beziehungen zum Unternehmen funktionieren.
Regeln und Prozesse sollten allen Beteiligten klar sein. Diese Transparenz sorgt dafür, dass Mitarbeiter die Empfehlung langfristig schätzen. Zur Kommunikation gehört auch, dass das Unternehmen die Empfehler „aus der Haftung nimmt“. Empfehlungen sind willkommen, stellen aber keine Garantie für eine Einstellung dar. Die Verantwortung für Personalentscheidungen tragen auch hier gemeinsam HR und Führungskräfte.
Prämien bilden einen guten Anreiz, um Empfehlungsprogramme ins Laufen zu bringen und dauerhaft erfolgreich zu machen. Prämien sollten hoch genug sein, um bei der jeweiligen Zielgruppe einen echten Anreiz zu bieten, und werden von den Empfehlern als „gerechte Gegenleistung“ für einen zusätzlichen Mehrwert empfunden, den sie für das Unternehmen schaffen (wie im Ideenmanagement). Sind sie aber zu hoch, können sie sich als Anreiz verselbstständigen.
Die Vorteile der Empfehlung sehen viele nicht nur aus Bewerber-, sondern auch aus Arbeitgeberperspektive. „Wenn Mitarbeiter ihren Arbeitgeber weiterempfehlen, schließe ich auf ein gutes Betriebsklima und zufriedene Angestellte“, bringt es einer auf den Punkt. Aus Arbeitgebersicht findet man den Hauptvorteil darin, dass der Empfehlende das Unternehmen gut kennt und mutmaßlich nur jemanden empfiehlt, dem er die Aufgaben zutraut. Zudem könne es dem Betriebsklima nützlich sein, wenn Mitarbeiter einander kennen und gerne zusammenarbeiten. Genau darin sehen Kritiker aber auch eine Gefahr: „Man kann einen Menschen erst in der täglichen Zusammenarbeit kennenlernen. Es ist nicht auszuschließen, dass eine Empfehlung zu subjektiv erfolgt und dass später die Chemie dann doch nicht stimmt.“
Mit Vitamin B zum Job hat aus Sicht der Befragten zwei Seiten. Zugutegehalten wird, dass Arbeitgeber auf Empfehlung Kandidaten finden, auf die sie mit klassischen Methoden nicht aufmerksam hätten werden können – weil der Kandidat sich nicht beworben hätte, nicht in sozialen Netzwerken aktiv oder anders auffindbar gewesen wäre. Manche sorgen sich aber, dass empfohlene Kandidaten womöglich andere ausstechen könnten – und zwar nur, weil sie von einem Mitarbeiter aktiv beworben werden: „Es ... könnte ... auch dazu führen, dass nicht die geeignetsten Kandidaten, sondern nur die Kandidaten, die die Mitarbeiter empfehlen, eingestellt werden“, heißt es bei den Freitext-Antworten der Befragung.
Meinungen sind das eine, konkrete Erfahrungen das andere. 62,1 Prozent der Befragten haben bereits selbst aktiv jemanden für eine Stelle in ihrem Unternehmen empfohlen. Bei 53,1 Prozent geschah dies, ohne dass das Unternehmen ein Mitarbeiterempfehlungsprogramm hatte. Bei neun Prozent war dies der Fall. Es zeigt sich damit, dass die Praxis der Empfehlung sehr viel verbreiteter ist als entsprechende systematische Programme, die häufig auch eine Prämie für erfolgreiche Empfehlungen vorsehen.
Von den Empfehlenden gaben zwei Drittel (67 Prozent) an, mit der Vermittlung eines Freundes oder eines Familienangehörigen immer noch zufrieden zu sein. Bei 19 Prozent fällt die Bilanz durchwachsen aus, 14 Prozent bereuen ihre Empfehlung. Von glücklichen Mitarbeitern und langjährigen Arbeitsverhältnissen bis hin zu schweren persönlichen Enttäuschungen ist an Erfahrungen alles dabei. Im schlimmsten Fall passieren Dinge wie dieser Betroffene beschreibt: „Die Empfehlung hat sich später als falsch herausgestellt, da der Mitarbeiter beruflich eine ganz andere Seite als im privaten Umfeld gezeigt hat.“
Erfahrung als Empfohlene
Mehr als die Hälfte der Befragten ist auch schon selbst einmal empfohlen worden. 40,6 Prozent gaben an, auf eine Empfehlung hin auch eingestellt worden zu sein, 10,3 Prozent wurden trotz Empfehlung nicht eingestellt. 43,7 Prozent haben die Erfahrung noch nicht gemacht, wären dieser Variante gegenüber aber aufgeschlossen. Lediglich 5,5 Prozent sagen: Ich lege keinen Wert darauf. Ihnen ist es wichtig, aus eigener Kraft eine Stelle zu finden und empfinden die Empfehlung als Schummelei.
Über diesen Weg bin ich in den vergangenen Jahren am häufigsten zu einem Job gekommen: | Trifft zu | Trifft eher zu | Kann ich nicht einschätzen | Trifft eher nicht zu | Trifft nicht zu |
Stellenanzeige und anschließende Bewerbung | 54,8% | 23,3% | 7,0% | 7,1% | 7,9% |
Ansprache durch den Arbeitgeber auf Xing oder LinkedIn | 7,1% | 10,8% | 14,4% | 19,0% | 49,0% |
Ansprache durch Headhunter | 8,0% | 15,0% | 13,2% | 13,7% | 50,2% |
Empfehlung durch mein Netzwerk (Freunde oder die Familie) | 26,2% | 33,5% | 8,2% | 10,9% | 21,3% |
Initiativbewerbung | 20,3% | 23,2% | 12,8% | 15,1% | 28,6% |
Quelle: Umfrage von softgarden e-recruiting GmbH/September 2018
Die Bilanz derer, die so einen Job gefunden haben, liest sich zum Beispiel so: „Ich hatte dadurch einen internen Mentor, welchen ich um Rat fragen konnte bei allgemeinen betrieblichen Abläufen und internen Beziehungen.“ Andere erhoffen sich vom Empfohlen-werden einen leichteren Zugang zu einer Stelle, die nicht öffentlich ausgeschrieben worden wäre. Dabei hoffen sie auch, dass die Angaben ihres Bekannten oder Verwandten für den potentiellen Arbeitgeber „griffiger“ sei als Zeugnisse oder ein eigenes Anschreiben.
Manche Unternehmen zahlen für eine erfolgreiche Vermittlung stattliche Prämien in vierstelliger Höhe. Obwohl die Empfehlenden davon im besten Fall direkt profitieren, fällt die Bewertung der Prämienpraxis nicht so eindeutig aus. 15,3 Prozent der Befragten halten dies zwar für sehr gut, 41,8 Prozent für gut. Sie begründen das mit dem Gewinn für das Unternehmen, wenn es einen guten neuen Mitarbeiter einstellen kann. Zudem spare die Firma die nicht unerheblichen Kosten einer Ausschreibung und eines Bewerbungsverfahrens, ganz zu schweigen die eines Headhunters. „Man bringt einen Mehrwert in die Firma. Da die Prämie nur bei Erfolg gezahlt wird, verhindert das das wahllose Empfehlen“, schreibt einer der Befragten.
Eher kritisch oder sogar negativ sehen andere die Prämie. Sie setze einen falschen Anreiz und beraube die Empfehlung aus Überzeugung ihres Sinns, meinen sogar knapp zehn Prozent. „Wenn primär finanziell Erwägungen die Triebfeder sind, erwarte ich keine ausgewogene Entscheidung“, begründet einer seine Skepsis.