Umfrage Coronakrise verringert Vorurteile gegenüber Arbeitslosen – zumindest ein bisschen

Wer wegen der Coronakrise seinen Job verliert, ist weniger mit Stigma behaftet. Quelle: imago images

Alle Arbeitslosen sind faul und unqualifiziert? Einer Umfrage zufolge hat die Coronakrise deutsche Arbeitnehmer hier zu einem Umdenken gebracht. Vor allem jene, die selbst ihren Job verloren haben.

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Arbeitslos zu werden ist die größte Angst vieler Angestellter in Deutschland. Umso bitterer diese Zahl: Allein durch die Coronakrise haben in diesem Jahr mehr als eine halbe Million Menschen ihren Job verloren. Doch die Krise scheint immerhin eine positive Folge zu haben: Sie nimmt der Arbeitslosigkeit ein wenig das Stigma. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Netzwerks LinkedIn unter 2002 Arbeitssuchenden. Rund drei Viertel der Befragten hatten ihren Job vor, knapp 500 während der Coronakrise verloren. Die Befragung fand Ende Oktober und Anfang November statt.

Darin bestätigten zwar 82 Prozent der Befragten das Stigma des Jobverlusts. 70 Prozent waren aber der Meinung, dass sich Entlassungen als Folge der Coronakrise weniger schlimm auf den Ruf einer Person auswirken. Sie vermuten, dass angesichts der wirtschaftlichen Lage eine schlechte Leistung oder mangelnde Eignung seltener Kündigungsgründe sind. „Deutsche Arbeitnehmer sind im Vergleich zu anderen Ländern sehr konstant. Viele Menschen bleiben oft ihren Arbeitgebern lange treu, aber durch die Coronakrise bedingt müssen sich viele Arbeitnehmer neu orientieren. Wenn über Jobverlust und Arbeitslosigkeit nun mit mehr Offenheit gesprochen wird und Vorurteile überdacht werden, dann ist dies eine begrüßenswerte Entwicklung“, sagt Barbara Wittmann, bei LinkedIn verantwortlich für die Geschäfte in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Vor allem wer selbst den Job verloren hat, bekommt offenbar eine andere Sicht auf Arbeitslosigkeit und und Arbeitslose. 28 Prozent der Befragten gaben an, vor ihrem Jobverlust auf Arbeitslose herabgeschaut haben. 24 Prozent hielten Arbeitslose vorher für faul, 17 Prozent für weniger fähig und 21 Prozent für schlechter qualifiziert als andere Arbeitnehmer. 53 Prozent derer, die jetzt selbst Arbeit suchen, räumten ein, die Situation von Arbeitslosen nun besser zu verstehen. Besonders ausgeprägt ist die Stigmatisierung von Arbeitslosen offenbar unter Frauen. Von ihn stimmten 17 Prozent der Aussage zu, dass sie auf Arbeitslose herabgeschaut hätten, bevor sie selbst betroffen waren – bei den Männern waren es nur 9 Prozent. 

Zu größerer Offenheit beim Umgang mit dem eigenen Jobverlust hat die Krise unter deutschen Arbeitnehmern allerdings nicht geführt. Betroffene gehen offenbar davon aus, dass andere ihre Meinung über Arbeitslosigkeit noch nicht verändert haben. 63 Prozent haben demnach schon gelogen, um ihre Situation zu verschleiern. Und zwar nicht bei Bewerbungen, sondern auch gegenüber  Freunden oder Familienmitgliedern. 38 Prozent von denen, die schon zur Lüge gegriffen haben, gaben an, es sei ihnen peinlich, aktuell keinen Job zu haben.

Die meisten aber logen aus taktischen Gründen. 54 Prozent glauben, schlechtere Chancen auf einen neuen Job zu haben, wenn sie sich nicht aus einer Anstellung heraus bewerben. 74 Prozent sagen, dass es für sie wichtig ist, keine Lücke im Lebenslauf zu haben. So überrascht es ein wenig, dass nur ein Drittel (34 Prozent) der Befragten angab, die Entlassung habe bei ihnen Ängste ausgelöst. 30 Prozent gaben an, dass sie die Entlassung deprimiert habe. Beides betraf häufiger jene, die erst während der Krise arbeitslos wurden. 

Zugleich erfährt diese Gruppe offenbar deutlich mehr Hilfe als Menschen, die bereits vor der Krise arbeitslos wurden. 39 Prozent der Befragten, die während der Pandemie ihren Job verloren haben, gaben an, bei  der Jobsuche von ihren Freunden unterstützt zu werden. Menschen, die bereits vor der Krise arbeitslos wurden, berichten nur etwas mehr als halb so oft (21 Prozent) von diesem Rückhalt aus dem Freundeskreis. Auch von Familie (35 versus 20 Prozent) und früheren Kollegen (16 versus 9 Prozent) erhalten Betroffene in der aktuellen Situation wesentlich mehr Unterstützung.

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