Aufsichtsräte Der Höllenjob

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Wichtige Entscheidungen

Ein prominentes Beispiel ist Paul Achleitner. Sein ohnehin unter Aktionären nicht unumstrittenes Wirken ist Gegenstand einer juristischen Untersuchung. Der von ihm überwachte Vorstand muss prüfen, ob der Aufsichtsratschef die Aufklärung der Libor-Affäre so verzögert hat, dass der Bank dadurch ein Schaden entstanden ist. Sollte sich die Vermutung bestätigen, müsste der Vorstand Achleitner zur Zahlung auffordern. Sonst könnte er wegen Untreue sogar strafrechtlich belangt werden.

Das ist eine besonders pikante, aber durchaus übliche Konstellation. Wenn es Anhaltspunkte für Verfehlungen gibt, müssen Vorstand und Aufsichtsrat gegeneinander ermitteln und sich im Zweifel in Regress nehmen. Kommen sie dieser Pflicht nicht nach, haften sie selbst. „In jedem zehnten Fall von Managerhaftung sind Aufsichtsräte Schadensersatzforderungen ausgesetzt“, schätzt Michael Hendricks, Chef des Versicherungsmaklers Howden Group.

Die Anlässe dafür sind vielfältig. Wichtige Entscheidungen wie der Verkauf von Unternehmensteilen können ein Anlass sein. Zum Eklat kam es etwa beim Industriedienstleister Bilfinger. Aufsichtsratschef Eckhard Cordes habe den Verkauf des Gebäudemanagements an die Private-Equity-Gesellschaft EQT in dem Gremium regelrecht durchpeitschen wollen, sagt ein Teilnehmer der Sitzung. Dabei wäre die Entscheidung, das einzig gesunde Standbein des Konzerns abzustoßen, diskussionswürdig gewesen. Weil sie die Entscheidung nicht mittragen wollten, traten zwei Aufsichtsräte umgehend zurück.

Das ist das letzte Mittel, um sich der möglichen Haftung zu entziehen. Meist schwelt die Debatte über Pflichten und Versäumnisse im Verborgenen. Wenn sie öffentlich wird, kommt es zum großen Knall. So wie bei der Deutschen Bank. Als Achleitner den Anwalt Georg Thoma 2013 für den Aufsichtsrat gewinnen konnte, hielt er das für einen echten Coup. Als Leiter des neu eingesetzten Integritätsausschusses der Bank sollte er deren moralischen Neustart verkörpern. Im Frühjahr machte eine Allianz seiner Mitkontrolleure öffentlich gegen Thoma mobil und erreichte so schließlich seinen Rücktritt.

Der Vorwurf lautete vor allem, dass der Anwalt es mit der Aufklärung übertrieben habe, indem er immer neue Befragungen ansetzte und neue Gutachten einforderte. So sei ein Klima der Angst entstanden, welches die Bank zunehmend blockiert habe. Thoma, so die Vermutung, habe nicht nur im Interesse der Wahrheit, sondern auch in seinem eigenen gehandelt. Er wollte sich selbst gegen mögliche Forderungen absichern.

Was ist noch Sorgfalt, was schon Blockade? Wie viel Vertrauen ist möglich, wie viel Kontrolle nötig? Wie viel Aufwand müssen Aufklärer bei der Wahrheitssuche betreiben? Wie tief können, wie tief dürfen sie in das Unternehmen eingreifen? Und wo fängt ihre Haftung an?

Eindeutige Antworten auf solche Fragen sind schwierig. „Aufsichtsräte haben gegenüber dem Unternehmen eine Vermögensbetreuungspflicht“, sagt Wirtschaftsstrafanwältin Simone Kämpfer von der Kanzlei TDWE. Da diese Auskunft kaum reicht, bereitet sie Aufsichtsräte mittlerweile häufig in ihrer Kanzlei detailliert auf die nächste Sitzung vor. Manchen reicht das nicht. „Immer öfter nehmen Aufsichtsräte Anwälte mit in die Sitzung, damit ihnen diese gleich an Ort und Stelle Auskunft geben“, berichtet Kämpfer.

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