Dieselskandal „Was Haft bedeutet, das weiß Rupert Stadler sehr genau“

Bis zum 3. Mai muss Rupert Stadler, ehemaliger CEO von Audi, entscheiden, ob er im Dieselskandal ein Geständnis ablegt Quelle: REUTERS

Der ehemalige CEO von Audi, Rupert Stadler, hat angekündigt ein Geständnis ablegen zu wollen. Strafrechtler Jürgen Wessing erklärt, wann er seinen Mandaten zum Geständnis rät und welche Folgen sie bedenken sollten.

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WirtschaftsWoche: Herr Wessing, das Landgericht München II hat dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden von Audi, Rupert Stadler, angeboten, ihn mit einer Bewährungsstrafe und einer Zahlung von 1,1 Millionen Euro davonkommen zu lassen, wenn er gesteht. Ein gutes Angebot?
Jürgen Wessing: Das kommt ganz auf die Perspektive an. Herr Stadler ist der festen Überzeugung, nichts falsch gemacht zu haben. Das Gericht sieht das offensichtlich anders.

Er wird also nicht gestehen?
Das ist schwierig zu sagen. Aus meiner eigenen Praxis, weiß ich, dass Angeklagte häufig den Deal akzeptieren, auch wenn sie sich für unschuldig halten. Das Geständnis gibt ihnen die Sicherheit, nicht ins Gefängnis zu müssen – oder zu wissen wie lange. Und das ist für sie oft wichtiger als alles andere. Bei Herrn Stadler könnte das anders aussehen. Er würde auch ohne Deal schnell in den offenen Vollzug kommen und müsste dann nur im Gefängnis schlafen. Außerdem geht es bei einem solch öffentlichkeitswirksamen Prozess auch immer um das Stigma: Gebe ich vor aller Öffentlichkeit, aber auch gegenüber mir selbst zu, dass ich etwas falsch gemacht habe? Diese Frage kann sehr stark wiegen. 

Welche Argumente sprechen noch gegen ein Geständnis?
Legt er ein Geständnis ab, könnten auch zivilrechtliche Forderungen nach Schadensersatz auf ihn zukommen. Das muss Rupert Stadler natürlich auch berücksichtigen. 

Zur Person

In welchen Fällen raten Sie Ihren Mandaten zu einem Geständnis?
Wenn ich aus der Haltung des Gerichts erkennen kann, dass es zu 99 Prozent zu einem Schuldspruch kommen wird und mit einer Verständigung, einem Deal, Schlimmeres verhindert werden kann. Doch nicht immer nehmen Mandanten den Rat an. Ich hatte mal einen Fall in Hamburg, da habe ich meinem Mandaten empfohlen, sich auf den Deal einzulassen und eine Bewährungsstrafe in Kauf zu nehmen. Daraufhin hat er sich einen neuen Anwalt gesucht. Das Ergebnis: vier Jahre Haft.

Wenn Sie der Meinung sind, ein Geständnis sei besser, wie versuchen Sie Ihre Mandanten zu überzeugen?
Ich zeige dem Angeklagten beide Alternativen mit all ihren Konsequenzen auf. Was könnte bei einem Geständnis im schlimmsten Fall passieren? Zivilrechtliche Klagen, die folgen. Daraus resultierende finanzielle Konsequenzen. Und natürlich gesellschaftliche Folgen. Aber dem entgegen steht immer die Alternative der Haft. Und was Haft bedeutet, das weiß Rupert Stadler sehr genau. Er war ja schon im Gefängnis.

Und da stellt sich natürlich die Frage, warum hat er nicht schon früher ein Geständnis in Erwägung gezogen?
Die Hoffnung auf einen Freispruch stirbt zuletzt. Wenn ich als Verteidiger erkenne, dass es auf einen Schuldspruch hinausläuft, sieht der Mandant das häufig noch nicht ein. Dann brauche ich manchmal auch das Gericht, um dem Angeklagten das deutlich zu machen.

Wie läuft das ab?
Das Gericht gibt einen Strafrahmen an, von dem es ausgeht, wenn der Angeklagte gesteht. Staatsanwaltschaft und Angeklagter müssen zustimmen. Bei einer Einigung muss das Gericht sich daran halten. Das ist dann sehr viel greifbarer für den Mandanten, er weiß dann, was maximal auf ihn zukommen kann und ist häufig der Weg in die Bewährungsstrafe.

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Macht es mit Blick auf ein Geständnis einen Unterschied, wenn es mehrere Angeklagte gibt?
Ja. In dem Moment, in dem sich ein Mitangeklagter zu einem Geständnis durchringt, können alle anderen nur abrutschen. Denn das Gericht wird das Geständnis erfahrungsgemäß als richtig ansehen und das färbt dann auf die anderen Angeklagten ab, deren Verteidigungschancen dadurch rapide sinken.

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