Fairtrade Das gute Gewissen ist ein schlechter Einkaufsberater

Sobald Verbraucher glauben, dass ein Produkt fair gehandelt ist, sind sie nicht nur bereit, mehr Geld zu zahlen - es gefällt ihnen auch gleich viel besser. So können uns Gütesiegel an der Nase herum führen.

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Menschen lieben Schnäppchen. Beim Einkaufen sind wir noch ganz Jäger und Sammler. Ein hochwertiges Produkt für einen geringen Preis zu ergattern, ist in etwa so, als hätten wir mit einem Kiesel ein Mammut erlegt, von dem unsere ganze Sippe ein paar Monate satt wird. In der Konsumforschung spricht man vom Belohnungseffekt.

Es gibt allerdings auch Ausnahmen: Da Menschen - zumindest in den westlichen Industrienationen - vermehrt darauf achten, wo das Produkt herkommt, lassen sie seit einigen Jahren so manches Schnäppchen links liegen und entscheiden sich für das ethisch einwandfreie Produkt: Das Bio-Ei vom Hof nebenan statt dem Legehennen-Ei aus der Fabrik, der fair gehandelte Kakao statt dem Industriezuckerpulver aus zweifelhaften Quellen, dem unweltfreundlichen und sozialverträglichen Fairphone statt dem bei Foxconn in China zusammengeschraubten iPhone.

Seit 2012 steigt entsprechend auch der Absatz mit fair gehandelten Produkten wie Schnittblumen, Bananen, Kakao oder Kaffee. Das angenehme Gefühl, mit dem Kauf eines solchen Produktes etwas Gutes oder zumindest nichts Schlechtes getan zu haben, lässt sich der Mensch dann auch gerne etwas mehr kosten. "Am Ende wird für bestimmte Verbraucher ein Produkt mehr wert sein, weil sie wissen, woher es kommt und wie es entstanden ist. Es kann sein, dass sie sich mit ihrem Produkt wohler fühlen – und entsprechend gerne mehr zahlen, ohne dass ihnen das Produkt teuer vorkommt", sagte beispielsweise Fairphone-Gründer Bas van Abel der WirtschaftsWoche.

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Hirnforscher der Universität Bonn konnten jetzt sogar belegen, wie viel Verbrauchern ihr gutes Gewissen Wert ist: für vermeintlich ethisch produzierte Waren sind sie bereit, 30 Prozent mehr Geld auf den Tisch zu legen. Um das herauszufinden, zeigten Laura Enax, Vanessa Krapp, Alexandra Piehl, Bernd Weber Center for Economics and Neuroscience ihre Probanden Schokolade, Reis, Kaffee und Bananen jeweils einmal mit und einmal ohne das Fairtrade-Siegel. Die Probanden sollten dann entscheiden, für welches Produkt sie wie viel zu zahlen bereit sind.

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Auch hier ist die Belohnung die treibende Kraft: Im Hirnscanner der Bonner konnten die Forscher zeigen, dass beim Anblick des Fairtrade-Logos bestimmte Hirnzentren aktiv werden. Darunter sind beispielsweise Teile des Belohnungssystems, aber auch solche, die abstrakte Attribute (also etwa die Frage, ob ein Produkt ein Fairtrade-Siegel trägt oder nicht und was dieses Siegel bedeutet) zur Entscheidungsfindung heranziehen.

Letztlich verantwortlich für die Berechnung der Zahlungsbereitschaft scheint aber ein Bereich des Stirnhirns zu sein, der ventromediale präfrontale Cortex (vmPFC). "Je aktiver der vmPFC bei unseren Probanden war, desto mehr Geld gaben sie", erklärt Hirnforscher Weber.

Die Scanner-Daten belegen, dass der vmPFC die Informationen aus anderen aktivierten Hirnbereichen sammelt und sie miteinander verrechnet. Auf dieser Grundlage fällt er dann eine Entscheidung: Biete ich 50 Cent für die Fairtrade-Banane? Oder doch lieber nur 30?

Aber nicht nur das: Die Probanden waren auch überzeugt, dass Schokolade mit Fairtrade-Siegel besser schmeckt, als ohne Logo - dabei handelte es sich bei beiden Sorten, die verköstigt wurden, um eine Marke vom Discounter.

Wenn man davon ausgeht, dass Verbraucher nicht nur auf das Fairtrade- sondern, auch auf die zahlreichen Bio- oder sonstigen Umweltsiegel so reagieren, haben sich blauer Engel & Co. nicht nur für die Umwelt, sondern auch für die Hersteller gelohnt. Allerdings halten nicht alle Siegel, was sie versprechen. Wer sich beim Einkaufen vom guten Gewissen leiten lassen möchte, sollte sich also vorher informieren, welche Siegel ihr Geld auch tatsächlich wert sind.

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