Gleicher Typ, neuer Stil Warum neue Chefs alles anders machen als ihr Vorgänger

Bedürfnis nach Abgrenzung: Ähnliche Biografien führen eher zu einem Strategiewechsel. Quelle: Illustration: Daniel Stolle

Ein deutscher Führungsforscher zeigt: Wenn der neue Chef dem alten gleicht, sorgt das nicht für Kontinuität – sondern für Disruption.

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Erst das BWL-Studium, dann der Berufseinstieg bei Daimler, anschließend der Wechsel zum Handelskonzern Metro – diese Stationen zieren nicht nur den Lebenslauf des amtierenden Metro-Chefs Olaf Koch, sondern auch den seines Vorgängers.

Und damit nicht genug: Eckhard Cordes hatte Koch einst sogar zum Düsseldorfer Handelsunternehmen geholt, gefördert und zu seinem Thronfolger aufgebaut. Doch statt die Vision seines Ziehvaters fortzuführen, stoppte Koch im Jahr 2012 nach nur zwei Wochen im Amt den Verkauf der Warenhauskette Kaufhof. Für Beobachter eine überraschende Kehrtwende, auch für Cordes selbst – denn Kochs Werdegang sprach eher für Kontinuität als für Veränderung.

Um ihr Erbe zu sichern, machen sich Manager beim Aufsichtsrat gerne für einen Nachfolger stark, der ihnen ähnelt; der das gleiche Studium absolviert oder dieselbe Karriere. Aus ähnlichen Erfahrungen, so das Kalkül, resultiert dieselbe Strategie.

Jetzt aber belegt eine neue Studie der Technischen Universität München, dass das ein Irrtum ist. Wenn sich der alte und der neue Direktor stark ähneln, ändert sich mit dem Chefwechsel auch mit höherer Wahrscheinlichkeit die Strategie des Unternehmens.

Zu diesem Ergebnis kommt Managementprofessor Thomas Hutzschenreuter in einem Artikel, der kürzlich im Fachjournal „Managerial and Decision Economics“ erschienen ist. Dafür untersuchte er 177 Chefwechsel bei Dax-, MDax- und TecDax-Unternehmen der Jahre 1985 bis 2007. Hutzschenreuter betrachtete zum einen, ob sich die Werdegänge von Vorgänger und Nachfolger ähnelten: In welcher Branche hatten sie die meiste Zeit gearbeitet, welche Funktionen hatten sie inne, wie alt waren sie? Und kamen sie etwa aus dem In- oder dem Ausland?

Im zweiten Schritt schaute sich Hutzschenreuter mit seinem Team an, wie sich der neue Boss nach dem Amtsantritt verhielt. Die entscheidende Frage: Verkaufte er Geschäftseinheiten, die sein Vorgänger etabliert hatte? Dies sah der Wissenschaftler als besten Indikator für einen Richtungswechsel. „Der Verkauf von Einheiten ist extrem öffentlichkeitswirksam“, sagt Hutzschenreuter, „und somit sehr gut geeignet, um sich symbolträchtig abzugrenzen.“

Und tatsächlich sah er sich durch die Ergebnisse bestätigt. Biografische Übereinstimmungen führten eher zu einem Strategiewechsel. „Das widerspricht allem, was die Forschung seit Jahrzehnten proklamiert“, sagt der Managementprofessor. Seit den Fünfzigerjahren waren Wissenschaftler davon ausgegangen, dass ähnliche Erfahrungen zu ähnlichen Entscheidungen führen. Eine Annahme, die auf den Ökonomie-Nobelpreisträger Herbert Simon zurückgeht. Er postulierte, dass jeder Mensch durch seine Erfahrungen eine gewisse Logik entwickelt. Und wenn sich diese Denkweisen ähneln, führt das wiederum zu gleichen strategischen Entscheidungen. Doch offenbar überwiegt bei Top-Managern ein Interesse an Eigenständigkeit.

Das bestätigen auch die Erkenntnisse von Astrid Schütz, Leiterin des Kompetenzzentrums für Personalpsychologie an der Universität Bamberg: „Ein stärkeres Bedürfnis nach Abgrenzung haben vor allem jene Menschen, die ihren Selbstwert daraus ziehen, besser zu sein als andere.“ Für Führungskräfte quasi eine Einstellungsvoraussetzung.

Hutzschenreuter hält es außerdem für denkbar, dass Direktoren gerade zu Beginn ihrer Amtszeit ihre Macht stabilisieren wollen: „Und wer sich abgrenzt, der demonstriert Entscheidungsstärke.“ Er rät Aufsichtsräten daher, diesen Mechanismus bei der Besetzung von Vorstandsposten stärker zu beachten.

Bislang hatten die Gremien häufig nach einer einfachen Logik gehandelt: Sollte Konstanz walten, suchten sie Nachfolger, die dem Amtsinhaber möglichst ähnlich waren. Wollten sie Veränderung, suchten sie Kandidaten mit anderem Hintergrund. Hutzschenreuters Studie legt hingegen nahe, dass auf den Werdegang allein kein Verlass ist. Aufsichtsräte müssen künftig ihre Erwartungen noch genauer mit dem Kandidaten besprechen – andernfalls erleben sie böse Überraschungen.

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