Karriereleiter

Vergessen Sie alles über Körperhaltung

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Vier Tipps für ein natürlicheres Auftreten

Es geht darum, sich selbst davon zu befreien, Theater spielen zu müssen. Das heißt aber nicht, dass Sie sich nun alle Ihnen selbst unliebsamen Marotten durchgehen lassen sollen, die Sie eigentlich loswerden wollen. Statt sich auf der Bühne parallel zum Vortrag verkrampft an fremddefinierten Benimmregeln entlang zu hangeln, finden Sie heraus, welche Überlegungen oder Übungen im Vorhinein Ihnen helfen, Ihr echtes Ich auf der Bühne freizulassen.
Sie können lange im Voraus immer mal wieder zwischendurch trainieren, sich in Ihrem Auftreten Ihrem wahren Naturell zu nähern. Solange, bis Sie es so draufhaben, dass Sie sich vor Publikum nicht mehr bewusst überprüfen müssen. Was wollen Sie verändern?

1. Sie wissen nicht wohin mit den Händen? Dieses Problem hatte ich in meinen ersten Stunden als Fernsehmoderator auch. Aber probieren Sie Folgendes vor dem Spiegel aus: die Hände vor der Gürtelschnalle sich locker berühren lassen (nicht vor der Brust wie die Merkel-Raute. Die ist weniger authentisch, sondern eher ein Markenzeichen, das sich eine Bundeskanzlerin leisten kann). Hände locker vor der Gürtelschnalle: Würden Sie nicht drüber nachdenken, würden Sie diese Körperhaltung vielleicht sogar intuitiv einnehmen. Fühlt es sich an wie für Sie gemacht? Dann los! Schon spielt die Frage nach der Handhaltung auf der Bühne keine Rolle mehr. Natürliche Körperhaltungen zu entdecken, das ist tausendmal besser, als Regeln, die einen auf der Bühne anstrengen wie die Nuss-in-der-Hose-Selbstfolter.

2. Sie reden nach Ihrem Gefühl ausgerechnet auf der Bühne zu schnell? Kein Wunder. Die Nervosität macht, dass Sie fertig werden wollen. Probieren Sie aus, zu Hause vor dem Spiegel extrem langsam zu reden. Wenn Sie das Gefühl haben: Das kommt mir wahnsinnig langsam vor, lassen Sie die Zügel etwas locker. Wenn Sie unsicher sind, ob das Tempo stimmt, schnappen Sie sich das Handy und machen Sie ein Video. So bekommen Sie schon daheim den Eindruck: Wenn ich gelassen rede, komme ich gut rüber. Auf der Bühne brauchen Sie dann keinen Verhaltenskodex mehr.

So gelingt der Auftritt im Meeting

3. Sie trauen sich nicht hinter dem Rednerpult hervor? Das ist schade. Denn hinterm Rednerpult zu stehen, ist wie sich in ein räumliches Korsett zu schnüren. In der Regel sehen Zuhörer vom Redner hinter dem Pult nur seinen Kopf. Probieren Sie zu Hause aus, Ihren Vortrag mit Mode-rationskarten im Wohnzimmer zu halten, ab und zu können Sie etwas umhergehen. Dann setzen Sie sich mal. Dann legen Sie die Karten auf den Tisch und reden auch mal frei. Fragen Sie Familie und Freunde, wie Sie dabei auf sie wirken. Wenn Sie für Ihren Auftritt Lob ernten und sich damit wohl fühlen, wissen Sie, dass es auf der Bühne einfach nur natürlich wirken wird, wenn Sie sich vom Pult lösen.

4. Wenn Sie unsicher sind, ob ein Lächeln oder sogar Lachen aufgesetzt wirkt oder zu fröhlich und damit unangemessen, lachen Sie sich selber an. Wieder vorm Spiegel. Wichtig: Es geht nicht darum, sich ein künstliches Standard-Lachen einzuimpfen. Sondern darum, ein Gefühl da-für zu bekommen, wie sich ein eigenes Lächeln im Gesicht anfühlt und wie es gleichzeitig auf andere wirkt. Damit Sie sich auf der Bühne einfach Ihrer selbst sicher sein können: Ich weiß, wie ich gerade aussehe.

Doch der aus meiner Sicht oberste magische Ratschlag ist und bleibt: Wenn es weiterhin etwas gibt, was Sie auf der Bühne verunsichert, weil Sie Angst haben, dass dieses Etwas dem Publikum negativ auffällt, drangsalieren Sie sich auf keinen Fall mit Regeln, die Sie auf der Bühne bewusst beachten müssen. Sondern überlegen Sie, ob Sie Ihren eigenen Befürchtungen nicht den Wind aus den Segeln nehmen, indem Sie vor allen Leuten offen, charmant, unverstellt und auch gerne mit Humor zu bekennen:

„Wenn Sie in meiner Stimme ein Zittern hören: Das ist Ausdruck meines Engagements.“

„Ich bin nicht der beste freie Redner. Ich lese es lieber ab, bevor ich Ihnen Unsinn erzähle.“

„Ich hoffe, Sie können mich gut verstehen. Es gibt Menschen mit einer kräftigeren Stimme als meiner.“

„Lächeln Sie mich gerne mal an zwischen durch. Das ist gut gegen mein Lampenfieber.“

„Sollte ich mich weiterhin derart verhaspeln: Es gilt immer die letzte genannte Fassung.“

„Okay, ich hab‘s selbst gemerkt: Das war jetzt sehr schnell. Aber ich spare damit Ihre Lebenszeit.“

Unterm Strich: Seien Sie Sie selbst, auch wenn es mal holprig wird. So sind Sie dann eben in diesem Moment. Wollen Sie sich verändern, überprüfen Sie sich in Ruhe zu Hause, bis das Neue intuitiv gelingt. Setzen Sie sich auf keinen Fall noch auf der Bühne mit Regeln unter Druck. Dort geht es um Ihre Botschaften. Nicht darum, ständig über sich selbst nachzudenken. Und genießen Sie die Aufmerksamkeit Ihres Publikums. Die Anderen sind schließlich auch nur Menschen. Wie Theresa May.

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