Neue CIOs gesucht Warum die Digitalisierung in die Hände der IT gehört

In vielen Unternehmen war die Berufung eines Digitalverantwortlichen eine Verlegenheitslösung, konstatieren die Autoren der Spencer-Stuart-Studie. Quelle: Getty Images

Der Chief Digital Officer soll in Unternehmen offiziell die Digitalisierung organisieren. Eine Untersuchung zeigt: Womöglich ist der CDO nur eine Hilfskonstruktion, weil an den Schaltstellen die Kompetenz fehlt.

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Eine ganze Zeit lang galt es als gute Idee, in Unternehmen einen Digitalisierungsbeauftragten einzusetzen. Als Signal an Vorstände, Aktionäre und Mitarbeiter, dass man es vonseiten der Unternehmensführung jetzt aber wirklich mal ernst angehen wolle mit der Digitalisierung. Dass man jemanden holte, der allen überhaupt erst einmal greifbar machen sollte, was mit dem großen Wort konkret gemeint sei. Und der insbesondere den Beschäftigten die Angst davor nehmen sollte.

Der Chief Digital Officer – so meist die Bezeichnung der Position, abgekürzt CDO – war also in den meisten Fällen eine Person, die bestehenden Strukturen im Unternehmen hinzugefügt wurde. Manchmal als Teil der Geschäftsführung, häufiger irgendwo im mittleren Managementbereich. Eine Studie des Beratungsunternehmens Spencer Stuart erklärt jetzt sinngemäß: Der CDO ist demnach nur eine „Hilfskonstruktion“, die darüber hinwegtäuscht, dass die eigentlich Verantwortlichen – nämlich die Führungskräfte in der IT – nicht ausreichend qualifiziert für die Digitalisierung ihres Unternehmens sind.

Was ein CDO leiste, sei die Aufgabe des Chief Information Officers, also des Leiters der Informationstechnik im Unternehmen, sagt Lars Gollenia, der bei Spencer Stuart im Bereich Technologie- und IT-Services als Berater tätig ist. „Aber weil die meisten CIOs traditionell nicht diese Fähigkeiten mitbringen, wurde die Rolle des CDO erst kreiert, der praktisch die Lücke füllt – also etwa zum Thema Digitalisierung im Unternehmen kommunizieren.“ Seine These sieht er durch seine Erfahrungen in der Beratung bestätigt. „Wenn man nachbohrt, warum ein Unternehmen eine CDO-Stelle schaffen will, liegt der Grund meist in unzureichenden Fähigkeiten des CIOs“, erzählt Gollenia.

Für die Studie wurde untersucht, was für einen Hintergrund die CIOs der deutschen Dax30-Konzerne haben – auf die 30 Konzerne kommen 28 CIOs, da zwei der Unternehmen die Position nicht ausweisen. Dabei zeigte sich, dass die Posten mehrheitlich offenbar äußerst konservativ besetzt werden. Das zeigt sich wie folgt:

1. Nur zwei von 28 IT-Verantwortlichen sind Frauen (7 Prozent). Würde man die IT-Abteilungen in Sachen Geschlechterdiversität etwas vielfältiger entwickeln, so die Autoren der Spencer-Stuart-Studie, könne dies in der Folge mehr Frauen anlocken. Mehr mögliche Kandidaten bedeutet dabei größere Chancen auf die besten Köpfe. „Wir glauben, dass Unternehmen mit vielfältigeren IT-Teams besser arbeiten“, heißt es in dem Papier.

2. Die Dax30-Konzerne bevorzugen darüber hinaus offenbar CIOs mit deutscher Staatsangehörigkeit. Lediglich vier Unternehmen haben nicht-deutsche IT-Chefs eingestellt. Namentlich sind das Covestro (aus den USA), E.On und Munich Re (aus Großbritannien) sowie Linde (aus Indien). Es sei wichtig, so die Studienautoren, dass deutsche Unternehmen ihr Suchspektrum erweiterten, um die besten Talente im Bereich Technologie zu finden.

3. Das Durchschnittsalter der deutschen CIOs beträgt derzeit 52 Jahre. Zum Zeitpunkt ihres Stellenantritts waren es durchschnittlich 47 Jahre. Der jüngste unter ihnen ist derzeit 33 Jahre alt, der älteste 63. Das Alter sei zwar kein alleiniger Gradmesser für Qualifikation im IT-Bereich, warnt Lars Gollenia. „Als kritisch sehen wir, dass Leute in der Position lernfähig bleiben und sich weiterbilden“, sagt er. Dennoch sei ein Manager mit Mitte 40 erfahren genug und gleichzeitig auch nah genug an der jungen Generation, die für Unternehmen ohnehin der Schlüssel ins digitale Zeitalter sein wird.

Was IT-Leiter (CIOs) mitbringen sollten

4. Deutsche Dax-Konzerne besetzen ihre Schlüsselpositionen am liebsten intern, zeigt die Studie weiter. 68 Prozent der IT-Leiter sind sogenannte Eigengewächse. 21 Prozent von ihnen haben sogar ihre gesamte berufliche Laufbahn in ihrem Unternehmen durchgezogen. Für die Experten von Spencer Stuart ein Indiz, dass „Dax30-Unternehmen dazu neigen, große funktionsübergreifende Teams zu haben, aus denen sie Führungskräfte aufbauen“. Interne Führungsnachfolge habe damit Priorität.

5. Nur jeder dritte IT-Verantwortliche (32 Prozent) der untersuchten Dax-Konzerne ist aufgrund seiner Erfahrung im IT-Bereich zum CIO ernannt worden. Zwei von drei (68 Prozent) sind demnach ohne Vorerfahrung auf die Stelle gerutscht.

6. Bislang ist die Position des CIO in deutschen Dax-Konzernen keine besonders herausgehobene. Nur 25 Prozent der IT-Leiter berichten direkt an den Vorstand. 39 Prozent sind dem Finanzvorstand (CFO) unterstellt, 21 Prozent dem Operation Manager, der die Betriebsprozesse steuert und organisiert. Weitere 15 Prozent haben eine nochmals andere Berichthierarchie. Entscheidend ist hier die Erkenntnis, dass nur einer von vier IT-Chefs überhaupt gedanklich und organisational auf der obersten Entscheidungsebene angesiedelt ist. Von den 28 wiederum ist nur ein einziger Mitglied des Vorstands. Die Autoren stellen hierzu süffisant fest: „Während dies darauf hinweist, dass das Unternehmen Technologie für zukunftsweisend hält, überrascht es in dieser Zeit der digitalen Transformation vielleicht schon ein wenig, dass nicht mehr Unternehmen ihren CIO in den Vorstand befördern.“

Im Schnitt bleiben CIOs knapp über fünf Jahre auf ihrer Position. Die derzeitigen CIOs der Dax-Konzerne sind zu 56 Prozent noch keine drei Jahre dabei. Der am längsten amtierende CIO bekleidet diese Rolle bereits 15 Jahre. Technologieunternehmen haben die stärkste Fluktuation und ersetzen ihre IT-Chefs in der Regel häufiger.

Wie sieht er nun aus, der perfekte CIO – und was hat all das mit dem CDO zu tun, der laut der Studie ja am besten gar nicht notwendig sein sollte?

Fünf Typen von CDO

Mit dem nächsten Generationswechsel müssten die Dax-Konzerne die Stellenbeschreibung den heutigen Gegebenheiten anpassen. Ein hohes Maß an Technikverständnis gilt bei IT-Leuten als gegeben. Doch was ist mit anderen (Führungs-)Kompetenzen, Soft Skills, Strategieverständnis und der Fähigkeit, Mitarbeiter zu motivieren und in ihrer Entwicklung zu fördern? All dies müsse Teil der Kernkompetenzen künftiger CIOs werden. „Es kann gelingen, Leute zu finden, die einen breiteren Background haben, also IT-Kenntnisse haben und obendrauf über die entsprechenden Kommunikations- und Influencing-Skills verfügen. Dann können sie die CIO-Rolle so ausführen, dass man auf die Rolle des CDOs verzichten kann“, sagt Lars Gollenia.

Wichtig sei vor allem eine neue Sicht auf die IT. Die werde in Deutschland in vielen Unternehmen immer noch als „notwendiges Übel“ gesehen. „Das wird sich ändern, das sieht man bei einem Blick nach England oder in die USA: Dort hat der CIO mittlerweile eine ganz andere Bedeutung, berichtet in vielen Fällen an den CEO und ist beteiligt, neue Geschäftsmodelle mit den anderen Verantwortlichen zu bauen.“

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