Zurück ins Büro Apple schadet sich selbst – mal wieder

Apple will seinen teuren Firmensitz im kalifornischen Cupertino mit einer neuen Regelung wieder füllen. Quelle: AP

Mit einer neuen Regelung will Apple die Belegschaft zurück ins Büro holen und zugleich jene Mitarbeiter binden, denen die Vorschriften bislang zu streng waren. Doch auch die neue Regel gaukelt Flexibilität lediglich vor. Ein Kommentar.

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„Heute war mein letzter Tag bei Apple“, schreibt ein Ingenieur bei Linkedin. Geplant habe er den Jobwechsel zwar nicht. „Doch Apple ist die Rückkehr ins Büro offenbar wichtiger, als seine Experten zu halten“, klagt er. Tatsächlich arbeitet sich der iPhone-Hersteller seit mehr als einem Jahr daran ab, die Belegschaft wieder verpflichtend an drei Tagen pro Woche ins Büro zu holen. Im Zuge der andauernden Pandemie hat sich die Rückkehr zwar mehrmals verschoben, doch die Mitarbeiter protestieren seit der ersten Ankündigung: Sie unterzeichneten Petitionen gegen die erzwungene Rückkehr, schickten dem Management wütende Briefe. Ian Goodfellow, Apples führender Manager für künstliche Intelligenz, schmiss wegen der neuen Vorordnung im Mai sogar hin.

Dem Unternehmen sollte also eigentlich alles daran liegen, der Belegschaft entgegenzukommen, sie zu besänftigen. Das war wohl auch das ursprüngliche Ziel hinter einen neuen Regelung, die Apple laut dem Nachrichtenportal Bloomberg am Montag an die Belegschaft verschickte. Bloß: Der neue Plan wird kaum einen erzürnten Homeofficeverfechter beruhigen. Er könnte weitere Talente sogar abschrecken. 

Jede und jeder, so die neue Regelung, soll vom 5. September an wieder drei Tage ins Büro kommen: Am Dienstag, Donnerstag und einem beliebigen anderen Tag, über den das jeweilige Team entscheidet. Das ist eine der rückständigsten Ideen, die am Firmensitz im kalifornischen Cupertino entstanden sind. Erstaunlich für einen Konzern, der seit Jahrzehnten innovative Produkte auf den Markt bringt.

Dabei sind die drei verpflichtenden Bürotage nicht mal das Problem. Vielmehr ist es sogar sinnvoll, wenn Arbeitgeber den Zusammenhalt in der Belegschaft und die Kreativität mit Meetings und Treffen vor Ort fördern. Ob nun an zwei oder drei Tagen. Schließlich zeigen psychologische Studien der vergangenen Jahre, dass das Isolationsgefühl im Homeoffice zunimmt und in Videokonferenzen daheim weniger kreative Ideen entstehen. Der kreisrunde Apple Park, der Firmensitz des Konzerns, dürfte der Ideenfindung und dem Zusammenhalt mit seinen zahlreichen modernen Büros, den Wiesen und Bäumen auf die Sprünge helfen. Auch hierzulande sorgen Betriebsvereinbarungen dafür, dass sich die Büros nach dem coronabedingten Leerstand wieder füllen.

Das Problem an Apples neuer Regelung ist ein anderes. Es gaukelt den Mitarbeitern Flexibilität vor, von der der Konzern jedoch ganz offensichtlich nichts hält. Die Teams dürfen nur über einen der drei Präsenztage entscheiden. Die übrigen, also Dienstag und Donnerstag, legt die Chefetage fest. Für die Leute im Marketing. Für die Personalabteilung. Für die Entwickler, die am Sprachassistenten Siri arbeiten. Für alle. Dabei wissen die Teams am besten, wann es wirklich sinnvoll ist, für Meetings ins Büro zu pendeln. Und wann jeder vor allem Ruhe für intensive Tätigkeiten benötigt, die manche eben im Büro und andere zu Hause finden. Außerdem ist der Zusammenhalt einzelner Abteilungen von viel größerer Bedeutung als der Zusammenhalt aller gut 150.000 Mitarbeiter, die bei Apple insgesamt abreiten. Ihn gilt es zu stärken. Lösungen für einzelne Teams sind da zielgerichteter.

Für Apple und andere Unternehmen, die feste Wochentage im Büro vorschreiben, wäre es deshalb deutlich sinnvoller, den Mitarbeitern auch mal ein klein wenig Eigenverantwortung zuzutrauen – und ihnen die Verantwortung zu übertragen. Die Teams könnten in Absprache mit den Mitarbeitern eigene Präsenztage ausmachen. Oder sie überlassen ihnen diese Entscheidung sogar ganz. Denn auch Umfragen zeigen, wie verschieden die Lebensrealitäten des Kollegiums doch sind: Es gibt keine eindeutige Tendenz, an welchen Wochentagen genau Beschäftigte am liebsten ins Büro kommen. Dienstag, Mittwoch und Donnerstag gehören zwar zu den favorisierten Tagen. Doch daraus eine pauschale Strategie abzuleiten, griffe zu kurz. Zu individuell ist die Kinderbetreuung, die Arbeitssituation des Lebenspartners oder auch die Wohnsituation eines Arbeitnehmers.

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