Das Unternehmen ist weltweit in 47 Ländern mit eigenen Vertriebsgesellschaften vertreten. Diese dezentrale Struktur erlaubt es den Länderchefs rund um den Globus, autark über Modellpolitik, Preisgestaltung und Werbung zu entscheiden. Von ihren Endkunden und von den Händlern vor Ort erfahren sie, was gefragt ist – und das fließt in die Produktentwicklung mit ein. So wurde der Raum eines Dampfgarers für asiatische Kunden extra größer ausgelegt, um dort ganze Fische hineinlegen zu können. Das ergebe Sinn, denn mit gekrümmten Meerestieren brächten die Kunden in Asien Krankheiten und Unglück in Verbindung, teilte der Vertriebsaußendienst dem Marketing mit.
Henkel erforscht das Kaufverhalten der Kunden
Noch näher am Endverbraucher sind Angestellte des Konsumgüterherstellers Henkel. „Mitarbeiter aus dem Marketing sowie aus dem Bereich Forschung und Entwicklung begleiten Konsumenten in die Supermärkte und registrieren deren Kaufgewohnheiten“, sagt Thomas Müller-Kirschbaum, der beim Familienkonzern für globale Forschung und Entwicklung im Unternehmensbereich Wasch- und Reinigungsmittel verantwortlich ist. Ziel des begleiteten Einkaufs ist es unter anderem, herauszufinden, bei welchen Produkten die Kunden zu den Henkel-Angeboten greifen und bei welchen sie der Konkurrenz den Vorzug geben.
Ideen für Innovationen entstehen außerdem im Dialog mit den Konsumenten, zum Beispiel bei Hausbesuchen und über die Henkel-Verbraucherberatung. Immer stärker werden auch Social-Media-Kanäle genutzt. Dabei erzählen die Endverbraucher via Facebook & Co. dem Unternehmen und der gesamten Internet-Gemeinde ihre persönliche Seifenoper zu Themen wie „mein schlimmster Fleck“. Unterstützt durch die klassische Marktforschung, in der Kunden persönlich befragt werden, erfährt der Düsseldorfer Konsumgüterkonzern dann, was die Verbraucher als „wirklich weiß und rein“ empfinden. Allein im Bereich Wasch- und Reinigungsmittel werden mithilfe der Kunden jährlich mehr als 300 Produkte weltweit auf den Markt gebracht. Damit münden über 80 Prozent dieser Forschungsprojekte in neuen Entwicklungen.
Mit Fehlern zum Fortschritt
Das große Saubermachen beschäftigt auch den Münchner Flugzeugmotorenbauer MTU Aero Engines Holding. Das Unternehmen tüftelt am umweltfreundlichen Antrieb der Zukunft. Für dieses anspruchsvolle Projekt holt sich MTU neben den renommierten Fluglinien wie Lufthansa und Emirates auch die Schwergewichte Boeing, Airbus und General Electric mit an Bord. „Wir machen nicht Jugend forscht, deshalb suchen wir den Schulterschluss mit den Airlines und Flugzeugbauern“, sagt Technik-Vorstand Rainer Martens über die Langzeitprogramme mit seinen Kunden.
Bis zum Jahr 2025 plant sein Stab aus zehn Experten „wie was fliegt“. Rund 40 bis 60 Millionen Euro investiert seine Technologieabteilung jährlich in eine CO2-ärmere Zukunft, feilt an Triebwerken, die weniger Kerosin verbrauchen und leiser sind. Leicht sollen sie sein und eine längere Lebensdauer haben. Zwischen 300 Millionen und einer Milliarde Euro betragen die Entwicklungskosten bis zum einsatzbereiten Prototyp. „Entschieden wird nicht nach Hierarchien, sondern nach Kompetenz und Urteilsvermögen“, betont der promovierte Maschinenbauer. Fehler sind auf dem Flug ins Übermorgen erlaubt. „Ohne sie kein Fortschritt“, betont Martens.
Was bei MTU gilt, genießt auch in der Automobilbranche einen hohen Stellenwert. Daimler zum Beispiel bezieht die Kunden aktiv in die Fahrzeugentwicklung mit ein. Dazu dienen nicht nur Zukunfts- und Akzeptanzstudien renommierter Forschungsinstitute. In Böblingen bei Stuttgart hat Daimler sogar ein eigenes Kundenforschungszentrum, das sogenannte Customer Research Center. Ein 20-köpfiges Team aus Psychologen und Ingenieuren schaut den Kunden dort auf die Finger und versucht, sie psychologisch zu durchleuchten, ihre Sinnesreize zu analysieren.