Ein Gedankenspiel: Sie sind auf einer Hochzeit, sitzen in der Kirchenbank – und warten darauf, dass die Zeremonie beginnt. Der Brautvater führt die Zukünftige in weißem Spitzenkleid und Schleier zum Altar. Der Auserwählte wartet bereits: im dunklen Anzug, mit hellem Hemd – und offenem Kragen. Bei den meisten würde dieser krawattenlose Auftritt – vor allem bei der älteren Generation – für irritierte Blicke sorgen.
Nicht nur bei feierlichen Anlässen, auch im Arbeitsalltag ist die Krawatte in vielen Branchen unabdingbar. Zwar schaffen immer mehr Unternehmen die Krawattenpflicht ab. Doch aus dem Kleiderschrank deutscher Männer wird der Schlips nie ganz verschwinden. "Der Mann braucht die Krawatte, um sich in eine sachliche oder feierliche Stimmung zu versetzen", ist sich Stilexperte Bernhard Roetzel sicher.
Doch Krawatte ist nicht gleich Krawatte – und nicht jeder Binder passt zu jedem Typ. Umso schwieriger ist es, das richtige Modell zu finden: Neben der Farbe müssen auch Muster, Knoten, Breite und Material passen.
Die WirtschaftsWoche hat drei bekannte Stilexperten gefragt, welche Krawatte welchem Typ Mann steht. Das Ergebnis: In vielen Punkten sind sich die Experten zwar einig – im manchen driften die Meinungen aber genauso deutlich auseinander. An welchen Regeln Sie sich bei der Krawattenwahl orientieren können:
Proportionen müssen zur Größe des Knotens passen
Die Stilexpertin Elisabeth Motsch hat verschiedene Krawattentypen erforscht – und ist überzeugt, dass die Proportionen von Augenbrauen, Nase und Mund zur Größe der Krawattenknotens passen müssen. Heißt: Sind die Gesichtskomponenten eher klein, dann sollte auch der Knoten nicht zu groß sein. "Der ehemalige Ministerpräsident Kurt Beck hat zum Beispiel größere Gesichtskomponenten. Wenn er einen kleinen Knoten trägt, passt das weder zum Gesicht noch zur Statur", sagt Motsch. Je größer die Kleidergröße und Gesichtsteile, desto größer auch der Knoten. Je kleiner also Augen, Nase, Mund und Co. sind, desto kleiner sollte auch der Knoten sein. "Ein gutes Beispiel ist TV-Moderator Kai Pflaume. Er trägt immer schmale Krawatten und kleine Krawattenknoten, egal welche Mode gerade herrscht", sagt Motsch.
Auch Stilexperte Jan Schaumann glaubt, dass ein dünner Mann mit einem großen Krawattenknoten die Aufmerksamkeit vom Gesicht weglenkt. Doch anders als seine österreichische Kollegin er ist der Meinung, dass auch schlanke Männer durchaus einen etwas dickeren Knoten tragen können – zum Beispiel in Kombination mit einem breit ausgeschnittenen Hemdkragen: "Durch einen Haifischkragen bildet der Knoten nicht einen Klotz, der unter einem ganz dünnen Hals hängt, sondern es ergibt sich ein harmonisches Gesamtbild", sagt Schaumann.
Zu dünne Knoten bilden vertikale Linien, die den ohnehin schon schlanken Mann noch schmaler erscheinen lassen. Genau deshalb sind sehr dünne Krawattenknoten seiner Meinung nach für etwas stämmigere Männer geeignet. "Die Wahrscheinlichkeit, dass ein dickerer Mann mit einem dünnen Knoten albern aussieht, ist relativ gering. Der Knoten fällt durch den Halsumfang ohnehin schon breiter aus als bei einem Dünnen."
Egal wie dick der Knoten wird - wichtig ist in jedem Fall, dass er richtig sitzt. Der oberste Knopf des Hemdes sollte geschlossen sein. "Es gibt kaum etwas Schlimmeres, als wenn der Knoten so auf Halbmast hängt, als hätte man die letzte Nacht durchzecht", sagt Motsch. So etwas sei allenfalls bei bekannten, extrovertierten Stars ein modisches Statement.
Die Deutschen tragen doppeltgebundene Krawatten
Vor allem im deutschen Business geht es strenger zu. Während es für die Italiener normal ist, einen schrägen Krawattenknoten – also einen halben Windsor – zu tragen, darf es in Deutschland und Österreich meistens nur ein doppelter Windsor sein. Denn: "Deutsche und Österreicher sind in der Regel konservative und korrekte Typen", weiß die Stilexpertin. "Viele empfinden einen schiefen Knoten als unordentlich." Die Italiener seien da freiheitsliebender und dynamischer.