Was die rutschige Bahn gerade im Büro so gefährlich macht: Man merkt oft nicht, wenn man sie betritt. Die Wirtschaftsethik-Professorin Ann Tenbrunsel von der Universität Notre Dame und der Psychologe David Messick von der Northwestern-Universität beschrieben vor einigen Jahren, wie Menschen reagieren, wenn sie gegen ihren moralischen Kompass verstoßen. Dabei kommen vor allem drei Strategien zum Einsatz: Euphemismen, eine verzerrte Wahrnehmung und Selbstbetrug.
Da werden Bilanzen „optimiert“ und Verkaufsgespräche „aggressiv geführt“; da wollen wir nicht wahrhaben, dass unsere kleinen Schummeleien schlimme Konsequenzen haben können; und da reden wir uns ein, dass wir ohnehin nichts ändern können, weil das System nun mal so ist. Wir sind sehr gut darin, Ausreden zu finden, um unser Selbstbild eines moralisch handelnden Menschen zu bewahren. Typische Ausrede: Ich habe nur gemacht, was andere mir gesagt haben.
Was die Zufriedenheit der Mitarbeiter steigert
Von den Arbeitnehmern, die mit ihrem Job zufrieden sind, machten mehr als die Hälfte (60 Prozent) die Kollegen, mit denen sie arbeiten, für ihr Gefühl der Erfüllung am Arbeitsplatz verantwortlich.
Quelle: CareerBuilder
Verantwortung zu haben, ist für 50 Prozent ein Zufriedenheitsgarant.
"Ich leite einen sehr erfolgreichen Internet-Konzern": 48 Prozent macht ihr Jobtitel zufrieden.
Pendeln? Nein, danke. 47 Prozent sind zufrieden, wenn sie einen kurzen Anfahrtsweg zu ihrem Arbeitgeber haben.
Jeweils 43 Prozent sind zufrieden dank ihres Gehaltes beziehungsweise der gten Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die ihr Arbeitgeber ihnen bietet.
Sich wertgeschätzt zu fühlen, ist für 42 Prozent entscheidend.
Jeweils 40 Prozent sagten, dass es zu ihrer Jobzufriedenheit beiträgt, wenn sie herausgefordert werden beziehungsweise ihren Vorgesetzten mögen.
Der Psychologe Stanley Milgram konnte in einem heute legendären Experiment bereits 1961 zeigen, wie empfänglich Menschen für Befehle sind und wie schnell sie ihre eigenen moralischen Standards vergessen. Die Probanden sollten einem Mann im Nebenraum Fragen stellen und ihn für jede falsche Antwort mit einem Stromstoß bestrafen. Mit jeder falschen Antwort wurden die Stromstöße heftiger und die Zweifel der Probanden größer. Doch weil ein Versuchsleiter ihnen befahl weiterzumachen, steigerten sie die Stromstöße bis auf eine lebensgefährliche Voltzahl. Dass der Mann ein Schauspieler war und die Stromstöße nur simulierte, erfuhren die Probanden erst hinterher.
Der Mensch neigt zum Gehorsam
Das Milgram-Experiment wurde inzwischen mehrfach in vielen Ländern und Kulturkreisen wiederholt – immer mit ähnlichen Ergebnissen. „Zahlreiche Studien zeigen, wie Verantwortung zwischen Hierarchieebenen diffundiert“, sagt Irlenbusch. Der Befehlsgeber gibt Anweisungen, führt sie aber nicht aus. Und wer sie ausführt, entschuldigt sich damit, sich das Ganze ja nicht ausgedacht zu haben.
Auch die renommierte Organisationsforscherin Sreedhari Desai von der Universität von North Carolina in Chapel Hill glaubt: Es liegt vor allem am menschlichen Hang zum Gehorsam, dass ein einzelner Chef das ganze Unternehmen auf die schiefe Bahn schicken kann. Desai wollte herausfinden, was in solchen Situationen hilft – und fand ein erstaunliches Gegenmittel.
In ihren Studien zusammen mit der Managementforscherin Maryam Kouchaki von der Kellogg School of Management steckte sie ihre Probanden mehrfach in moralisch heikle Situationen. In einem Experiment sollten sich die Teilnehmer zum Beispiel in die Situation eines Managers hineinversetzen, der kurz davor ist, zum CEO aufzusteigen. Unter anderem konnten die Teilnehmer einen Mitarbeiter damit beauftragen, die Geschäftszahlen des Unternehmens zu fälschen – um sowohl die eigenen Chancen auf eine Beförderung zu erhöhen als auch die Bonuszahlungen für das gesamte Team.
Im ersten Teil des Experiments stand in der E-Mail-Signatur des Mitarbeiters der Ausspruch „Erfolg hat immer mit Glück zu tun“. Im zweiten lasen sie eine Weisheit des antiken Dichters Sophokles: „Gerades Scheitern steht höher als ein krummer Sieg.“ Und siehe da: Schon dieser Unterschied zeigte Wirkung. Im ersten Fall entschieden sich 70 Prozent der Teilnehmer für die Anstiftung zum Betrug. Wenn jedoch das mahnende Sophokles-Zitat in der Signatur stand, gaben nur 20 Prozent den entsprechenden Befehl.
Doch nicht nur weise Worte in der E-Mail-Signatur können gegen unlautere Befehle schützen, wie Desai in einer Umfrage bemerkte. Dafür interviewte sie mehr als 200 Angestellte mit und ohne Personalverantwortung in Indien. Die Mitarbeiter sollten erzählen, wie oft sie von ihren Chefs zu unmoralischem Verhalten gedrängt werden, etwa dazu, Zahlen zu fälschen oder Kunden zu belügen. Das erstaunliche Ergebnis: Waren ihre Schreibtische mit religiösen Symbolen wie Buddha-Statuen, Krishna-Bildern, Jesus-Figuren oder Koranversen geschmückt, überredeten die Chefs sie seltener zu unehrlichem Verhalten.