Die beiden Vulkaninseln St. Kitts und Nevis gehören zu den Kleinen Antillen im Karibischen Meer. Der Sand an den Stränden des Inselstaates ist weiß, das Wasser dank der tropischen Hitze lauwarm. „Zwei Inseln, ein Paradies“ ist der Reklamespruch von St. Kitts und Nevis.
Und doch hat bis vor circa 15 Jahren kaum ein Besucher freiwillig seinen Fuß auf die beiden Eilande gesetzt. Die Stimmung unter den Bürgern war schlecht, gefährlich schlecht sogar. Die Volkswirtschaft hing an der staatlichen Zuckerrohr-Produktion, doch diese war so unrentabel, dass sie eingestellt werden musste. Wer St. Kitts und Nevis besuchte, traf frustrierte Menschen. Und musste zudem fürchten, überfallen und getötet zu werden. Statistik-Experten verzeichneten eine der höchsten Mordraten der Welt.
Dann geschah ein Wunder. Manager einer Firma aus Europa kamen auf die Inseln, erzählten den Bürgern, dass sie statt des Zuckers doch ein anderes Gut exportieren könnten: ein kleines Büchlein mit blauem Einband, darauf das Staatswappen. Den Pass von St. Kitts and Nevis.
Und so fanden Politiker und Bürger von St. Kitts and Nevis ihr Glück. Die Pässe entwickelten sich zum Exportschlager: In diesem Jahr sollen über den Passverkauf 400 Millionen Dollar in die Staatskasse fließen – mehr als 40 Prozent der gesamten Einnahmen.
Die Firma aus Europa – Henley & Partners heißt sie – ist mittlerweile so etwas wie der Weltmarktführer bei der Vermittlung von Staatsbürgerschaften und goldenen Visa. Im Krisenjahr 2022 sorgen die Inflation, die Pandemie und der Ukrainekrieg hohe Nachfrage. Ein neuer Pass kann dabei helfen, außer Reichweite von Putins Atomraketen zu kommen.
Kunden sind überwiegend Millionäre. Sie sind so wohlhabend, dass sie sich in fremden Ländern eine Staatsbürgerschaft erkaufen können, indem sie dort Millionen in Immobilien, Staatsfonds, Stiftungen oder Unternehmen investieren.
Jürg Steffen, Vorstandschef von Henley & Partners, sagt: „Während der Coronazeit haben viele gemerkt, dass man auch mit einem amerikanischen, deutschen oder Schweizer Pass eingeschränkt sein kann.“ Die Nachfrage komme vor allem von Millionären aus den Vereinigten Staaten von Amerika und habe schon früh nach Ausbruch von Corona begonnen: „Das waren erst Milliardäre, die den Trend gesetzt haben. Die Vermögenden reden miteinander, sie sind alle vernetzt. Viele merken, wie Freunde zusätzliche Aufenthaltsbewilligungen annehmen – und wollen das auch.“ Namen von Kunden nennt er nicht. Nur so viel: „Wenn Sie die Liste unserer Kunden sehen würden, dann würden Sie viele kennen.“
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Amerikaner suchten oftmals „mehrere Lösungen“: ein goldenes Visum in Portugal, Spanien oder Griechenland. Kombiniert mit einer Lösung in Hongkong, Singapur, Australien, Neuseeland. „Unsere Kunden wollen sich global alle Möglichkeiten offenhalten. Sie denken langfristig, über Generationen hinweg“, sagt Steffen.
Seine Firma hat die Fluchtbewegungen der Millionäre untersuchen lassen: In diesem Jahre werden 88.000 High-Net-Worth-Individuals (also Dollar-Millionäre, die somit dank des schwachen Euro auch Euro-Millionäre sind) in andere Staaten auswandern, heißt es darin. Interessant: Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine ist vor allem die Nachfrage aus Ländern in Europa gestiegen: In Deutschland um 86 Prozent, in Spanien gar um 202 Prozent, sagt Steffen.
Der deutsche Pass jedenfalls ist unverkäuflich. Und Deutsche können in der Regel nicht Staatsbürgerschaften shoppen gehen, wie etwa Amerikaner oder Schweizer. Für Deutsche kommen vor allem Aufenthaltsgestattungen infrage – vor allem Dubai sei gefragt, aber auch Thailand und Malaysia, so Steffen. In Dubai übrigens sind auch reiche Russen nach wie vor willkommen.
Welche Programme gibt es nun also? Henley & Partners hat einen Überblick erstellt – hier ein Auszug daraus:
Der Preis der Pässe
Wer den Pass des Karibikstaates besitzt, kann ohne Visum oder mit Visum bei der Ankunft in 150 Länder, etwa im europäischen Schengen-Raum, Großbritannien, Singapur, Hongkong einreisen. Wer Staatsbürger werden möchte, muss entweder für 200.000 Dollar eine Immobilie kaufen, 1,5 Millionen in Geschäfte vor Ort stecken oder 100.000 Dollar an den nationalen Entwicklungsfonds oder 150.000 Dollar an die Universität spenden.
Ein goldenes Visum gibt es für Investoren, die etwa 2,5 Millionen australische Dollar (1,7 Millionen Euro) in einen australischen Investmentfonds fließen lassen und mindestens zwei Jahre im Land bleiben. Oder fünf Millionen Australische Dollar (3,4 Millionen Euro) investieren – dafür müssen sie nur 40 Tage im Jahr im Land sein. Nach drei Jahren kann man sich für ein Dauer-Visum bewerben.
Das goldene Visum des EU-Landes gibt es für eine Immobilien-Investition in Höhe von mindestens 250.000 Euro oder eine Kapitalspritze für eine griechische Firma oder einen Fonds in Höhe von 400.000 Euro.
Bella Italia vergibt Visa für Gutbetuchte, die etwa für mindestens zwei Millionen Euro italienische Staatsanleihen kaufen oder mindestens eine halbe Million in italienische Aktien stecken. Aber auch eine Spende in Höhe von einer Million in Kultur oder Bildung wird akzeptiert.
Ein goldenes Visum gibt es für Investitionen im Land: mindestens eine Million malaysische Ringgit (220.000 Euro) pro Bewerber, plus weitere 50.000 Ringgit (11.000 Euro) pro Ehepartner und Kind. Außerdem muss man ein monatliches Einkommen von mindestens 40.000 Ringgit (9000 Euro) nachweisen.
Der Pass, der problemfreies Reisen in 185 Destinationen beschert, kostet rund 1,5 Millionen Euro, die Bewerber für Immobilien, Gebühren und Spenden ausgeben müssen. Ein goldenes Visum im EU-Staat Malta ist günstiger: Es kostet rund 400.000 Euro.
Drei Millionen Neuseeland-Dollar (1,8 Millionen Euro) müssen Bewerber für ein goldenes Visum mindestens in Neuseeland investieren – wenn sie Englisch sprechen und unter 65 sind. Keine Altersbeschränkung und Sprachkenntnisse sind erforderlich, wenn man zehn Millionen Neuseeland-Dollar investiert (6,1 Millionen Euro).
Das goldene Visum für den EU-Staat gibt es für Reiche, die 500.000 Euro in Immobilien oder portugiesische Firmenanteile oder Fonds investieren.
Das Investoren-Programm des asiatischen Stadtstaates vergibt Visa für Geschäftsleute, die mindestens 2,5 Millionen Singapur-Dollar (1,8 Millionen Euro) investieren. Nach zwei Jahren können sie sich für die Staatsbürgerschaft bewerben.
Das spanische Visa-Programm erfordert den Kauf einer Immobilie im Wert von mindestens einer halben Million Euro, den Erwerb von Firmenanteilen im Umfang von mindestens einer Million oder den Kauf von spanischen Staatsanleihen in Höhe von mindestens zwei Millionen Euro.
Dieser Pass ist fast schon ein Schnäppchen für die Superreichen: Für eine Spende in Höhe von 150.000 Dollar für den Staatsfonds oder den Erwerb von Immobilien im Wert von 200.000 Dollar wird man Bürger des Karibikstaates. Der Pass ist Eintrittskarte für 156 Länder – einschließlich Europas Schengenraum.
Einen „Elite-Zugang“, mit dem man fünf Jahre problemlos ein- und ausreichen kann, verkauft das südostasiatische Urlaubsland für zum Land für 600.000 Baht (16.000 Euro). 20 Jahre VIP-Zugang gibt’s für 2,14 Millionen Baht (58.000 Euro).
Bürger der Türkei können Wohlhabende werden, in dem sie etwa für 400.000 Dollar Immobilien erwerben oder Jobs für mindestens 50 Menschen schaffen. Frauen und Kinder sind im Preis inbegriffen – auch sie werden mit neuen Pässen ausgestattet.
Ein 10-Jahres-Visum gibt es, in dem Anwärter mindestens zwei Millionen Dirham (540.000 Euro) in einen staatlichen Investmentfonds, in eine Firma vor Ort oder eine Immobilie investieren. Vor allem das Emirat Dubai ist für viele Deutsche und Russen interessant.
Das EU-Land knüpft ihre goldenen Visa an die Voraussetzung, dass Bewerber mindestens 300.000 Euro investieren – etwa in Immobilien, Firmenanteile oder den zyprischen Staatsfonds.
Henley & Partners-Chef Jürg Steffen sagt, die meisten seiner Kunden wollten aktuell gar nicht umziehen, sie bräuchten es als „zusätzliche Option“: „Es ist wie eine Versicherung. Man weiß wirklich nicht, was passiert. Wer hätte gedacht, dass es in der Ukraine Krieg geben wird?“
Mit den Pass- und Visa-Programmen der Länder kennt er sich bestens aus. Henley & Partners hat viele davon mitgestaltet. Man sei mit mehr als 70 Regierungen in Kontakt.
Wie viele Pässe er selbst hat? Einen. „Natürlich überlege auch ich, ob Europa ein sicherer Aufenthaltsort ist. Der Krieg ist sehr nah. Aber grundsätzlich fühle ich mich sicher mit der Schweizer Staatsbürgerschaft“, sagt er.
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