Typologie der Macht Fünf Typen von Chefs und was sie auszeichnet

Wer macht's richtig – der charismatische Leitwolf? Oder doch eher der hilfsbereite Kümmerer als Chef? Fünf Arten von Vorgesetzten mit ihren Stärken und Schwächen.

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Die fiesesten Sprüche schlechter Chefs
Chef tritt Angestellten Quelle: Fotolia
Jeans Quelle: REUTERS
Kündigung Quelle: dpa
Arztbesuch Quelle: dpa
Füße im Bett Quelle: dpa
Chef gibt seinem Angestellten Geld. Quelle: dpa
Chef lehnt sich zurück. Quelle: Fotolia

Studenten der Harvard Business School lernen derzeit von Julius Cäsar. In der Veranstaltung „All Roads Lead to Rome“ wollen die Managementprofessorin Frances Frei und die Historikerin Emma Dench vermitteln, dass sich das Führen eines weltumspannenden Imperiums gar nicht so sehr vom Lenken eines Konzerns unterscheidet: Man muss Untertanen in allen Provinzen zufriedenstellen, Angriffe an den Grenzen des eigenen Einflussbereichs abwehren und diejenigen in Schach halten, die sich gerne an Feldherrs statt auf den Thron setzen würden.

Damals, möchte man meinen, war Führung noch einfach. Die Autorität war quasi gottgegeben, Entscheidungen konnte der Herrscher zur Not im Alleingang fällen – nur irren durfte er sich nicht. Sonst drohte nicht der Rauswurf, sondern der Tod.

Wie schön, dass heutige Führungskräfte dieses Schicksal umgehen können. Aber anders als römische Kaiser sind sie darauf angewiesen, dass ihre Geführten sie tatsächlich akzeptieren und respektieren. Dazu steht ihnen eine Fülle unterschiedlicher Führungsstile zur Verfügung, aus der sie sich jene aussuchen können, die am besten passen. Aber Vorsicht: Nicht jeder Chef kann jede Rolle gleich gut ausfüllen. „Man darf nicht verlangen, dass alle alles können“, sagt Jürgen Weibler, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Fernuniversität Hagen und Autor eines Standardlehrwerks auf dem Gebiet, „sonst entsteht die Gefahr einer latenten Heroisierung von Führung.“ Das ist gar nicht nötig, denn den einzig wahren Führungsstil gibt es ohnehin nicht. Herausragende Chefs beherrschen stattdessen verschiedene Rollen – und wissen um deren Vor- und Nachteile.

Diese Führungstypen gibt es in Unternehmen

Der Charismatische

Leidenschaftlich, selbstbewusst, visionär – die Definition klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Tatsächlich sind Untergebene von charismatischen Chefs häufig begeistert. „Sie werden als effektivere Anführer wahrgenommen, und die Geführten sind zufriedener“, sagen die Managementforscher Marc Anderson (Iowa-State-Universität) und Peter Sun (Universität von Waikato in Neuseeland). Solche Vorgesetzten können Mitarbeiter oft besonders gut motivieren und gelten als fähige Krisenmanager.

Wie man so wird? Nach Angaben von John Antonakis von der Universität Lausanne kommt es darauf an, in Reden und Ansprachen bewusst Metaphern einzusetzen, emotionale Vergleiche zu ziehen und durch Mimik und Gestik zu überzeugen. In seinen Studien konnte Antonakis zeigen: Wer diese Techniken einsetzt, wird von seinen Mitarbeitern überdurchschnittlich gut bewertet.

Doch gleichzeitig können Charismatiker im Chefsessel auch schaden, wie etwa Jochen Menges von der WHU Otto Beisheim School of Management in einer aktuellen Studie herausfand. In einem Experiment ließ er Studenten zunächst über Führungskräfte nachdenken, die sie selbst einmal erlebt haben. Eine Gruppe sollte dabei explizit an ein inspirierendes Vorbild denken, die Kontrollgruppe bekam diese Vorgabe nicht. Danach schauten alle Teilnehmer ein emotionales Video. Dabei wurden sie gefilmt, um anhand ihrer Mimik zu beurteilen, wie stark sie ihre Gefühle zeigen.

Das Ergebnis: Die Konzentration auf charismatische Chefs führte dazu, dass die Studenten ihre Gefühle tendenziell eher unterdrückten. „Sie können ihre Mitarbeiter mit ihrem inspirierenden, fast hypnotisierenden Auftritt überwältigen“, sagt Menges. Deswegen könnten die Geführten zu eingeschüchtert sein, um ihre Gefühle auszudrücken. Oder sie hinterfragen Weisungen ihrer beeindruckenden Chefs weniger – langfristig zum Leidwesen aller Beteiligten.

Um Bedürfnisse der Mitarbeiter kümmern

Der Dienende

Mein Chef, der Diener – wie soll man anführen, indem man sich unterordnet? Doch Robert Greenleaf, knapp 40 Jahre Manager beim US-Konzern AT&T, hatte eine genaue Vorstellung davon, als er den Begriff in den Siebzigerjahren prägte. Der Chef sollte an erster Stelle Diener sein, dann Anführer. Er sollte sich vor allem um die dringendsten Bedürfnisse seiner Mitarbeiter kümmern. Maßstab sei, ob sie gesünder, freier, klüger würden. Eine Führungskraft müsse deshalb vor allem moralisch handeln.

Im Wirtschaftskontext intensiv erforscht wurde diese Art der Führung nach der Jahrtausendwende, mit deutlichen Ergebnissen: Die Servant Leadership kann durchaus positiv sein. „Sie schafft eine vertrauensvolle, faire und hilfsbereite Kultur“, schrieben Denise Parris vom Florida Southern College und Jon Peachey von der Texas-A&M-Universität kürzlich.

In einer aktuellen Studie untersuchte die Ökonomieprofessorin Belén Bande von der Universität in Santiago de Compostela, wie 140 Vertriebsmitarbeiter unter dienenden Führungskräften arbeiteten. Und siehe da: Sie waren motivierter und verkauften besser. Zu nett sollte man aber auch nicht werden, glaubt man einer Studie von Steven Kaplan von der Chicago Booth Business School und Morten Sørensen von der Copenhagen Business School. Sie werteten Persönlichkeitsanalysen von Vorständen aus und kamen zu dem Schluss: Freundliche Manager mit guten Umgangsformen werden zwar häufiger eingestellt. Sie erzielten aber deutlich schwächere Unternehmensergebnisse als entscheidungsfreudige Chefs.

Wie Sie ein besserer Chef werden
Der tobende Chef Quelle: Fotolia
Viele Menschen, viele Wahrheiten Quelle: Fotolia
Holen-Sie-sich-Feedback-ein Quelle: Fotolia
Machen Sie andere nicht für Ihre Gefühle verantwortlich Quelle: Fotolia
Vertrauen Sie, misstrauen Sie nicht Quelle: Fotolia
Machen Sie sich entbehrlich Quelle: Fotolia
Verabschieden Sie sich vom Tagesgeschäft Quelle: Fotolia

Der Kreative

Kaum eine Eigenschaft ist so zentral für unternehmerischen Erfolg wie Originalität. Sie sorgt für neue Produkte und innovative Strategien. Und sie wird wichtiger in einer Zeit, in der Computer und Maschinen viele Routinetätigkeiten übernehmen. Menschen müssen sich darauf konzentrieren, komplexe Probleme zu lösen. Doch wie können Führungskräfte dafür sorgen, dass den Mitarbeitern die guten Ideen nicht ausgehen? Eine Möglichkeit sieht Experte Jürgen Weibler in einer Art der Führung, die der Arbeit eines Künstlers gleicht: „Indem man ein Umfeld schafft, das die Mitarbeiter dazu anregt, sich von eingetretenen Pfaden zu lösen, kann man ihre Kreativität steigern.“

Diese junge Form der Führung wird auch „Artful Leadership“ genannt und ist noch kaum erforscht. Sie kann durch einfache Dekoration geschehen, etwa durch Gemälde und Skulpturen in den Büroräumen, die den Geist aus der Routine reißen sollen.

Führungskräfte können aber auch mit Künstlern zusammenarbeiten und deren Methoden bei der Lösung von Problemen einsetzen. Oder sie interpretieren ihre Rolle als eine Art Kurator, der die besten Köpfe aus den unterschiedlichsten Disziplinen und Hierarchieebenen zusammenbringt. Allerdings sollte man die Vermarktung einer Idee anderen Experten überlassen. Deshalb ist der kreative Chef in Forschungs- und Entwicklungsabteilungen besser aufgehoben als im Controlling.

Diese Ressourcen helfen, den Alltag als Führungskraft zu überstehen

Mit dem Versuch, kreativ zu sein, geht jedoch die Gefahr des Scheiterns einher. Führungskräfte müssen deshalb dafür sorgen, dass zunächst absurd erscheinende Ideen nicht sofort öffentlich zerredet werden. Damit sich die Geführten trotzdem trauen, sollten Anführer eine Kultur etablieren, die Erfolge hervorhebt und sich nicht nur auf das Vermeiden von Fehlern konzentriert. Das zeigte auch eine Studie von Psychologen um Nils Henker, heute an der Universität Konstanz. Er befragte rund 280 Angestellte deutscher Unternehmen und stellte fest, dass Führungskräfte die Kreativität ihrer Mitarbeiter durchaus steigern können – wenn sie sich eher darauf konzentrieren, Freude zu empfinden, als Schmerz zu vermeiden.

Holacracy: Die Mitarbeiter organisieren sich selbst

Der Teilende

Der Onlineschuhversand Zappos wagte im Jahr 2013 ein radikales Experiment. Der CEO Tony Hsieh schaffte sich quasi selbst ab – und mit dem Vorstandsposten alle anderen Hierarchieebenen. Die Idee hinter dem Holacracy genannten Organisationsmodell: Mitarbeiter organisieren sich selbst und kontrollieren sich gegenseitig.

Das endgültige Urteil darüber, wie sinnvoll das ist, steht noch aus. Klar ist aber, dass Zappos nur ein Extremfall eines größeren Trends in vielen Unternehmen ist: Hierarchien werden flacher, Projektgruppen flexibler. Nur weil Managementpositionen offiziell entfallen, heißt das aber nicht, dass es keine Führungsaufgaben mehr gibt. Sie verteilen sich nur möglicherweise auf mehrere Schultern und wechseln ständig.

Die größten Ängste der Führungskräfte
Den Kopf in den Sand stecken Quelle: Fotolia
Naturkatastrophen Quelle: dpa
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Schlaflosigkeit
Sinkender Lebensstandard im Alter Quelle: dpa

Die Managementforscherin Danni Wang von der Arizona-State-Universität untersuchte die aktuelle Forschung zu geteilter Führungsverantwortung, ihr Ergebnis spricht für das neue Konzept. In Teams, die sich die Chefrolle teilen, waren die einzelnen Mitglieder zufriedener, sie hielten stärker zusammen und arbeiteten produktiver. „Die Effekte von geteilter Führerschaft sind umso größer, je komplexer die Arbeit ist“, meint Wang. Das Konzept könnte deshalb besonders in wissensintensiven Branchen und Berufen fruchten, in denen es auf das Teilen von Informationen ankommt und die Aufgaben der Teammitglieder besonders stark voneinander abhängen.

Der Digital Native

Virtuelle Teams, Homeoffice, Kollaboration: Mit der Digitalisierung verändert sich die Zusammenarbeit – und damit auch das Leben der Führungskräfte. Deren Leben wird nicht unbedingt leichter. Einerseits müssen sie problemlos mit den neuesten Technologien umgehen können, sollen Dokumente in der Cloud teilen oder an Videokonferenzen teilnehmen.

Andererseits fordert die digitalisierte Arbeitswelt einen anderen Umgang mit Geführten. „Die neue Flexibilität birgt Chancen, weil sie Mitarbeiter zufriedener machen kann“, sagt Heike Bruch, Direktorin des Instituts für Führung und Personalmanagement an der Universität St. Gallen, „aber damit gehen auch geringere Sicherheit und ein weniger ausgeprägter Ordnungsrahmen einher.“ Wenn Strukturen wegbrechen, wird die Führungskraft wichtiger.

Vorgesetzte sollten deshalb versuchen, ihren Mitarbeitern ein gemeinsames Ziel zu vermitteln, auf das alle hinarbeiten – egal, von welchem Ort und zu welcher Zeit.

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