Der EHEC-Ausbruch von 2011 hat in drastischer Weise gezeigt: Kein Land ist sicher vor Krankheiten, die durch Lebensmittel übertragen werden - auch Deutschland nicht. Jedes Jahr erkranken in Europa Hunderttausende Menschen durch Keime, die etwa in Eiern, Geflügel oder Fertigmahlzeiten stecken. Und das, obwohl die europäischen Kontrollen und Alarmsysteme immer ausgeklügelter werden.
Für die Lebensmittelsicherheit wird immer mehr getan - aber noch nicht genug, mahnen Experten der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Darauf machen sie beim Weltgesundheitstag am 7. April unter dem Motto „Lebensmittelsicherheit: vom Bauernhof zum Teller“ aufmerksam.
Die Sicherheit von Lebensmitteln hängt von vielen und immer komplizierteren Faktoren entlang der Nahrungsmittelkette ab. Sicher ist das Essen auf dem Teller nur, wenn Hersteller, Verarbeiter und Konsumenten Hygiene-Regeln beachten - und sowohl die Beteiligten selbst als auch die Behörden gründlich kontrollieren. Je besser die Überwachungs- und Alarmsysteme, desto genauer kann die WHO erfassen, wie viele Krankheiten tatsächlich durch Lebensmittel hervorgerufen werden.
Risiken der Globalisierung
Europa hat strenge Hygiene-Vorschriften und ein Schnellwarnsystem für riskante Lebensmittel. Bislang zeigten solche Systeme weltweit aber nur „die Spitze des Eisbergs“ an, sagt Hilde Kruse, die beim WHO-Regionalbüro Europa für Lebensmittelsicherheit zuständig ist. Steige die Zahl der Fälle in einem Land, könne das auch auf genauere Kontrollen hindeuten - und nicht unbedingt auf mehr Erkrankungen. „Wir haben keine Zahlen, die belegen, ob es weltweit einen Anstieg oder einen Rückgang gibt“, sagt Kruse. „Aber wir glauben, dass die Risiken steigen.“
„Wir leben in einer globalisierten Welt“, erklärt Kruse. „Moderne Konsumenten wollen das ganze Jahr lang Lebensmittel von überall auf der Welt essen.“ Der enorme weltweite Handel mit Lebensmitteln und Tieren, aber auch Reisen machen es für gefährliche Erreger leichter, sich über die Erdkugel auszubreiten - genau wie der Trend zu rohen Lebensmitteln und abgepacktem Essen aus dem Supermarkt. In Ländern wie Deutschland sind mit einer älter werdenden Bevölkerung immer mehr Menschen anfällig für die Keime. In anderen Weltregionen erhöhen Armut oder extremes Wetter das Risiko.
Zwar tauschen sich die EU-Länder über Infektionen aus. Hier greifen auch viele Kontrollmechanismen gut. Trotzdem wurden aus EU und dem Europäischer Wirtschaftsraum (EWR) 2013 allein mehr als 310.000 Fälle von bakteriellen Lebensmittelinfektionen gemeldet - 322 endeten tödlich. „Hygieneprobleme gibt es überall auf der Welt“, sagt Kruse. „Auch in den am meisten fortgeschrittenen Ländern.“
In Europa ist dazu etwa die für Lebensmittelsicherheit wichtige Wasserqualität nicht überall gleich. „In Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen der Europäischen Region der WHO können zehn Durchfall-Todesfälle am Tag auf unzureichende Wasserqualität, Abwasserentsorgung und Hygiene zurückgeführt werden“, sagt WHO-Experte Oliver Schmoll.
EHEC-Epidemie mit Tausenden Kranken
Dass auch Deutschland nicht vor Ausbrüchen gefeit ist, hat die EHEC-Epidemie 2011 gezeigt - der schwerste Ausbruch einer Infektionskrankheit hierzulande seit Jahrzehnten. Fieberhaft suchten Experten nach der Quelle für die durch Bakterien ausgelöste Krankheitswelle. Bundesweit wurden Tausende Fälle gemeldet; mehr als 50 Patienten starben.
Die wichtigsten Fakten zu EHEC
EHEC bezeichnet einen Darmkeim. Er ist eine Sonderform der Kolibakterien, die im Darm Nährstoffe spalten und für die Abwehr von Krankheitserregern sorgen. Das Enterohämorrhagische Escherichia Coli-Bakterium (EHEC) setzt jedoch beim Menschen gefährliche Giftstoffe frei, die lebensbedrohliche Krankheiten auslösen können.
Der Erreger kann sich zunächst durch blutigen und wässrigen Durchfall, Erbrechen, Übelkeit und Bauchschmerzen bemerkbar machen. Zudem sind bei schweren Verläufen auch Blutarmut, Gefäß- und
Nierenschäden möglich. Wenn die Krankheit überstanden ist, können Gesundheitsschäden wie etwa Nierenleiden zurückbleiben.
Da sich der Erreger vor allem im Kot von Nutztieren findet, ist direkter Kontakt mit den Tieren ein Übertragungsweg. Aber auch verunreinigte Lebensmittel, die Kot-Partikel enthalten, können Ursache sein. Wird gedüngtes Obst und Gemüse ungewaschen gegessen, kann das die Krankheit auslösen. Auch eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist über Schmierinfektionen möglich.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) geht davon aus, dass Sprossen die Ursache für den Ausbruch waren. Sprossen gelten als generell anfällig für Keime. Zudem werden sie häufig roh verzehrt.
Gegen den Keim gibt es keine Impfung, der beste Schutz ist Hygiene. Dazu gehört regelmäßiges Händewaschen. Das Robert-Koch-Institut rät, alle Lebensmittel vor dem Verzehr mindestens zehn Minuten lang auf 70 Grad erhitzen.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) rät zudem, Rohmilch vor dem Verzehr abzukochen. Besondere Hygiene ist im Umgang mit Fleisch angeraten: Die Hände sollen vor der Zubereitung von Speisen und nach Kontakt mit rohem Fleisch gründlich mit Wasser und Seife gewaschen und abgetrocknet werden. Rohes Fleisch soll getrennt von anderen Lebensmitteln gelagert und zubereitet werden. Beim Grillen etwa empfiehlt das BfR, verschiedene Bretter, Teller und Zangen zu verwenden. Auch diese Gegenstände sollen sofort nach dem Gebrauch gründlich gereinigt und abgetrocknet werden. Zudem rät das Institut, Lappen und Handtücher nach der Zubereitung von rohem Fleisch auszuwechseln und bei mindestens 60 Grad zu waschen. Rohes Gemüse oder Obst sollte geschält oder zumindest gründlich gewaschen werden.
Auch Reisende aus anderen Ländern erkrankten. Die Epidemie zeigt, dass nicht nur Fleisch oder Eier eine Infektionsquelle sein können. Kruse: „Alle möglichen Lebensmittel können an Ausbrüchen beteiligt sein“ - in diesem Fall wohl aus Ägypten importierte Bockshornklee-Samen, aus denen keimbelastete Sprossen gezüchtet wurden.
Vor 2011 weit bekannter als EHEC waren Salmonellen. Die Bakterien stecken in Eiern und sind nicht nur weit verbreitet - 85.000 Fälle werden jedes Jahr in der EU gemeldet -, sondern auch besonders robust. Doch die Zahl der Meldungen geht rapide zurück. Verkäufer und Konsumenten werden stärker beschworen, Eier zu kühlen.
Vor allem aber ist das Kontrollen zu verdanken, die dafür sorgen, dass die Tiere genauer darauf untersucht werden, meint Kruse. Die nordischen Länder haben dank guter Überwachung zu Hause kaum noch mit Salmonellen zu kämpfen. Immer häufiger gefunden werden in Europa die Durchfallerreger Campylobacter, die sich etwa in Geflügel verstecken.
Verbraucher oft selbst schuld
Nicht selten ist der Verbraucher an seiner Misere selbst schuld: Wer beim Kochen nicht genug auf die Hygiene achtet, riskiert eine Infektion. Die WHO mahnt deshalb dazu, auf Sauberkeit zu achten, Lebensmittel bei den richtigen Temperaturen aufzubewahren und Essen gründlich zu kochen.
Wichtig zudem: Tomate und Gurke nicht auf demselben Brettchen schneiden, auf dem vorher das rohe Hühnchen lag. „So werden die Bakterien von dem Geflügel auf den Salat übertragen“, sagt Kruse. „Das ist ein sehr verbreitetes Problem überall auf der Welt.“