Berkshire-Hathaway-Hauptversammlung Ein bisschen Kritik darf sein

Warren Buffett rechtfertigt auf der Hauptversammlung von Berkshire Hathaway sein Engagement bei Wells Fargo und United Airlines und erklärt, warum man IBM nicht mit Apple verwechseln darf.

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Seit 52 Jahren wird Berkshire Hathaway von dem 86-jährigen Star-Investor geführt. Quelle: Reuters

Omaha Der Meister spricht, seine Jünger lauschen: So läuft ein guter Teil der Hauptversammlung von Berkshire Hathway ab, die sieben Stunden dauert –viel länger als es sonst in Amerika üblich ist. Aber Warren Buffetts Aktionäre haben auch keine Scheu, bei aller Verehrung auch kritische Fragen zu stellen.

Gleich die erste bezieht sich auf seine Beteiligung von rund zehn Prozent bei der Großbank Wells Fargo, die durch einen Skandal um Scheinkonten in die Schlagzeilen gekommen ist. Buffett reagiert mit ungewöhnlich kritischen Äußerungen über die Bank, die er früher in den höchsten Tönen gelobt hat, und über Ex-Chef John Stumpf, der einst als sein Vertrauter galt und über dem Skandal seinen Job verloren hat. „Es sind eine ganze Reihe Fehler passiert“, stellt Buffett klar, „aber der größte Fehler war nicht rechtzeitig zu reagieren.“

Er schildert noch einmal, wie die Bank ihren Angestellten falsche finanzielle Anreize gesetzt hat – mit dem Ergebnis, dass Tausende Scheinkonten für Kunden eingerichtet hatten, um ihre Verkaufsziele zu erreichen. „Wenn etwas schief läuft, dann muss ein Chef handeln“, sagt er mit Blick auf Stumpf. „Die haben völlig unterschätzt, was sie angestellt haben.“


Eine andere kritische Frage bezieht sich auf United Airlines, die Fluggesellschaft, die neulich einen Kunden mit Gewalt aus einer Maschine entfernt hat, um Platz zu schaffen für einen eigenen Angestellten. Jetzt sagt der langjährige Chef von Berkshire Hathaway: „Wir kaufen Unternehmen wie United und Wells Fargo nicht, weil es dort nie Probleme geben wird, sondern weil wir von ihrer Marktposition überzeugt sind.“

Die Botschaft ist klar: Wenn etwas schief läuft, ist das nicht gleich ein Grund auszusteigen. Das Engagement bei amerikanischen Fluglinien rechtfertigt er auch mit dem niedrigen Kurs, der umgekehrt zu einer hohen Dividendenrendite führt. „Selbst wenn United in zehn Jahren nicht mehr wert ist als heute, haben wir bis dahin eine Menge daran verdient“, betont der 86-jährige Starinvestor.

40.000 Fans sind zur Hauptversammlung gereist. Einige kommen aus China, aus Japan, aus Indien eingeflogen. Sie treffen sich mit anderen Anhängern des berühmten Investors, rund um die Veranstaltung gibt es Parties und sogar ein Fünf-Kilometer-Rennen, gesponsert von der Berkshire-Tochter Brooks Running. Aber auch Buffett ist nicht ohne Fehler, wie er selbst auf eine Frage nach seinen Engagements bei IBM und Apple einräumt. „Im ersten Fall habe ich falsch gelegen“, sagt er. Buffett war vor sechs Jahren bei IBM eingestiegen, obwohl er sonst eigentlich die Finger von Tech-Unternehmen lässt, weil ihm deren Geschäfte zu kompliziert und unberechenbar sind.

Am Tag vor der Hauptversammlung hatte er dann angekündigt, sich von einem Drittel seiner IBM-Anteile zu trennen. Warum er dann trotz seiner Abneigung gegen Technik bei Apple eingestiegen sei, will ein Aktionär wissen. „Die beiden Unternehmen kann man nicht vergleichen“, antwortet Buffett. „Ich sehe Apple eher als einen Konsumwert.“ Und mit Konsum kennt er sich aus – seine Spezialität ist, in dem Bereich langfristige Trends aufzuspüren und darauf zu setzen.

Zwei Frauen aus Düsseldorf sind nicht als Buffett-Fans angereist – im Gegenteil. Sie gehören zur Organisation Ethecon, die sich als „Stiftung Ökonomie & Ethik“ bezeichnet. Schon im vergangenen Jahr haben sie Buffett wegen seinem Engagement bei Coca-Cola den „Black Planet Award“ verliehen, eine Schmäh-Trophäe, die sich auf gesundheitliche und ökologische Probleme im Zusammenhang mit der braunen Brause bezieht. Zuerst ernten sie sogar verhaltenen Applaus, der aber schnell abebbt und von Pfiffen und Buhrufen übertönt wird, als die Sprecherin die Verletzung von „Mutter Erde“ anspricht und auf das Problem der Wasserrechte eingeht – große Getränkekonzerne pumpen eine Menge davon aus der Erde.

Buffett zeigt sich geduldig, legt auch Wert darauf, dass sie zu Ende reden kann, nachdem zwischendurch schon das Mikrophon unter Beifall aus dem Publikum auf leise gestellt wurde.
Danach reagiert er auf seine Weise. Coca-Cola? „Davon trinke ich fünf Stück pro Tag“, sagt er und hebt eine Dose mit Cherry-Coke hoch, die auf seinem Tisch steht. „Da ist eine Menge Zucker drin, aber der ist auch nicht schädlicher als anderer Zucker“, setzt er hinzu.

Dann beteuert er, dass er auch an seinen Gewohnheiten festhalten würde, wenn man nachweisen könnte, dass das ein Jahr seiner Lebenszeit kostet. „Ich habe kein Problem, einen Nachtisch mit 500 oder 600 Kalorien zu essen, die Brokkoli überlasse ich gerne anderen Leuten.“ Und fügt mit Seitenblick auf seinen 93-jährigen Partner Charles Munger hinzu: „Langlebigkeit hat auch etwas mit der Freude am Leben zu tun. Ich glaube, dass Coca-Cola eine Bereicherung für Amerika ist.“ Auf den ökologischen Aspekt geht er nicht ein.

Seine amerikanischen Aktionäre interessieren sich mehr für Jobs als für die Umwelt. Immer wieder wird er auf den Verlust von Arbeitsplätzen in vielen Branchen angesprochen, ein Thema, das ja auch bei der US-Wahl eine große Rolle gespielt hat. Buffett zeigt Verständnis, aber bekennt sich auch klar zum Fortschritt. „Vor 100 Jahren haben 80 Prozent der Amerikaner in der Landwirtschaft gearbeitet“, sagt er. „Wenn es dort keinen Produktivitätsfortschritt gegeben hätte, dann würden immer noch 80 Prozent in der Landwirtschaft arbeiten.“

Der Fortschritt ermögliche den Amerikanern letztlich mehr Konsum, das ist Buffetts Logik. Und daran verdient auch wieder Berkshire mit dem Engagement in zahlreichen Konsumfirmen wie Heinz und dem Pralinenhersteller See’s im Lebensmittelbereich oder Books mit Laufschuhen – das spricht er in dem Zusammenhang nicht an.

Auch den freien Welthandel verteidigt der Star-Investor, indirekt eine Spitze gegen den neuen US-Präsidenten Donald Trump. Er weiß aber auch, dass viele Arbeiter, etwa in der Textil- und Schuhindustrie, dadurch ihre Jobs verloren haben, und verlangt, dass in einem reichen Land wie den USA sich die Regierung mehr um diese Leute kümmern sollte.


Ein anderer Aktionär steht eine hintergründigere Frage: „Berkshire nützt den eigenen Aktionären, aber was nützt die Firma der Welt?“ Letztlich geht es um die Frage, welche Rolle eine Finanzholding spielt, die keine eigenen Produkte herstellt. Aber Buffett ist nicht um eine Antwort verlegen. „Ich glaube, dass Unternehmen bei uns besser arbeiten können, als wenn sie an der Börse notiert sind und jedes Quartal Zahlen vorlegen müssen“, sagt er. Ich befreie die Chefs von rund 20 Prozent der Arbeit, die sie sonst auf Berichte und Diskussionen mit Analysten oder Verhandlungen mit Banken verwenden müssen.“

Buffett spricht hiermit seinen Management-Stil an, das auch Unternehmens-Chefs aus seinem Konzernbereich bestätigen: Er investiert langfristig, lässt den Firmen freie Hand und quält sie nicht damit, ständig Berichte oder Planzahlen vorzulegen.
Auch persönliches wollen die Aktionäre von ihrem Idol wissen. „Wenn Sie zurückschauen, was hätten Sie in Ihrem Leben dann gerne anders gemacht?“

Buffett antwortet, wieder mit Seitenblick auf Munger: „Ich hätte Charlie gerne noch früher kennengelernt, dann hätten wir noch mehr Spaß zusammen gehabt.“ Buffett war 29, als sie sich trafen, Munger 35. So lange arbeiten die beiden schon zusammen. Und abgesehen von weißen Haaren und bei Munger einer manchmal etwas nuscheligen Aussprache hat man nicht den Eindruck, dass sie seit damals viel von ihrer Energie verloren haben.


Um Punkt halb vier nachmittags ist die große Show zu Ende, die morgens um halb neun begonnen hat. Dann werden nach einer kurzen Pause nur noch schnell ein paar Abstimmungen durchgezogen, die meisten Aktionäre laufen noch einmal durch die Ausstellung mit dem großen Sortiment der vielen Berkshire-Gesellschaften, und die Arbeiter beginnen schon, aufzuräumen und abzubauen. Nächstes Jahr geht die Show weiter.

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