Auch in den USA greift ein Populist nach der Macht. Eine Präsidentschaftskandidatur von Donald Trump ist kaum noch zu verhindern. Wie gefährlich ist Trump für die US-Konjunktur?
Ich denke, dass wir im Wahlkampf
zwei Phasen
sehen werden. Bis zur Ernennung zum Kandidaten sehen wir Trump, den Schreihals. Ist er aber offiziell nominiert oder gar Präsident, wird er Kreide fressen. Ich erwarte deshalb, dass ein eventueller Wahlkampf zwischen Clinton und Trump weit offener wäre als aktuell vermutet. Sollte Trump wirklich Präsident werden, könnte ihm im Kongress schnell ein Gegengewicht erwachsen, das seine Gefährlichkeit einschränkt. Hier verlassen sich die Amerikaner auf ihr System der Checks und Balances und sind entspannter als wir. Selbst ein Wahlsieg von Trump sollte daher keine großen Auswirkungen auf die US-Konjunktur haben.
Insgesamt erinnert die weltweite Lage in Politik und Wirtschaft an die „Great Depression“ der 30er-Jahre: Eine weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise und in der Folge ein Erstarken radikaler politischer Kräfte. Erleben wir ein fatales Déjà-Vu?
Ich denke, dass die internationale Politik sich heute ganz anders koordinieren kann beim Bekämpfen der Krise. Es gab damals keine EU, an den Völkerbund glaubte niemand. Insofern haben wir einen strukturellen Vorteil gegenüber damals und durch die Maßnahmen der Geldpolitik die schlimmsten Auswüchse abmildern können. Auf der anderen Seite sieht man gerade in Europa, wie schwer koordinierte Krisenbekämpfung ist. Europa kann durch die Krise unter die Räder kommen. Die europäische Integration, diese unglaubliche Erfolgsgeschichte, die erst unseren Frieden und Wohlstand ermöglicht hat, steht auf dem Spiel. Dass sie überlebt, wäre extrem wichtig.
Wo stehen wir beim Bekämpfen der Weltfinanzkrise?
An einem Punkt, an dem es eine große Diskrepanz zwischen Europa und den USA gibt. In Amerika stehen wir an der Schwelle zurück zur Normalität, hier sehe ich nach langen Jahren Licht am Ende des Tunnels. Europa ist noch nicht so weit. Hoffentlich wird Europa von den USA mitgezogen, ansonsten droht das japanische Schicksal. Die Japaner sind mit dem Versuch gescheitert, ihre wirtschaftlichen Probleme mit Geld- und Fiskalpolitik allein zu lösen, also ohne wirkliche Strukturreformen, und erleben als Konsequenz wirtschaftlichen Stillstand.
Ein Kernproblem unseres Wirtschaftssystems ist die Vermögensungleichheit: Das Vermögen und Einkommen konzentriert sich bei den Reichen, sie können aber weniger ihres Einkommens verkonsumieren und damit zurück in den Kreislauf geben. Gleichzeitig fällt die Mittelschicht ab und damit als zahlungskräftige Klientel aus.
Diese Feststellung ist richtig und ich beobachte das mit großer Sorge. In Deutschland haben wir uns entfernt vom Gedanken der sozialen Marktwirtschaft und stattdessen eine Spielart des angelsächsischen Kapitalismus etabliert. Gleichzeitig haben wir einige Bereiche des öffentlichen Sektors, etwa die Polizei oder viele Gemeindeeinrichtungen, kaputtgespart. Das ist schädlich für die Gesellschaft als Ganzes. Wenn die Entwicklung so weiter geht wie im Moment, haben wir vielleicht irgendwann auch eingezäunte und bewachte Stadtteile, damit die Reichen, die darin leben, sich vor den Armen schützen. Das will niemand.
In der Geschichte wurden die Unwuchten bei der Vermögensverteilung immer wieder durch fatale Krisen bereinigt. Nach dem zweiten Weltkrieg etwa hatten sehr viele Deutsche mehr oder weniger nichts, was gleichzeitig der Nährboden für den wirtschaftlichen Aufschwung in der Zeit danach war. Seit 2008 versuchen die Notenbanken aber mit aller Macht, eine Bereinigung bei den Vermögen zu verhindern. Können wir die Ungleichheit überhaupt ohne großen Knall verändern?
Ich denke, dass es gelingen kann, aber sehr schwer ist. Die erste Voraussetzung ist, dass wir Inflation erzeugen. Denn sie könnte wie oben beschrieben die Wirtschaft beleben und damit, etwa über stärker steigende Löhne, denen helfen, die in erster Linie von ihrer Arbeitskraft leben. Gleichzeitig entlastet sie Schuldner auf Kosten der Gläubiger, deren Vermögen sie entwertet. Insofern kann Inflation durchaus zur Umverteilung beitragen. Vor allem, wenn sie ergänzt wird durch ein effizienteres System der staatlichen Einnahmen und Ausgaben.